Als Pippi Langstrumpf auf der Bühne zu stehen, das ist für viele Mädchen ein Traum. Für die 14-jährige Khalila Thomas wurde der Wunsch zur Wirklichkeit. Beim Naturtheater Grötzingen spielt sie die Titelheldin in „Pippi auf den sieben Meeren“. Weiblich besetzt ist auch die Hauptrolle in der Abendproduktion. Tizia Abendroth spielt in Robert Louis Stevensons „Die Schatzinsel“ den abenteuerlustigen Jim Hawkins.
Ferien sind für die beiden Hauptdarstellerinnen bis zum Saisonende am 24. August erst mal gestrichen. Das findet Khalila Thomas gar nicht schlimm, „denn wir erleben hier im Naturtheater so viel.“ In der Freizeit gehen die Mimen auch gemeinsam in andere Freilichttheater. Und die Kinderdarsteller dürfen mal im Naturtheater übernachten.
Dass sie die Rolle von Astrid Lindgrens Pippi angeboten bekam, hat der Gymnasiastin am Nürtinger Max-Planck-Gymnasium gefallen. „Sie ist ein Vorbild für viele Jungs und Mädchen.“ In der frischen, kindgerechten Inszenierung von Marion Jeiter spielt Khalila das starke Mädchen selbstbewusst und souverän. Was war für sie die schwierigste Herausforderung? „Ganz in die Rolle zu schlüpfen und so gehen wie Pippi“, das fand sie nicht leicht. Gehen hatte bei den Proben mit der Regisseurin Marion Jeiter hohen Stellenwert. „Über den Gang lässt sich viel über den Charakter eines Menschen herauslesen“, findet die 14-Jährige.
Dass Pippi Langstrumpf einfach so durchs Leben hüpft und so viel Leichtigkeit ausstrahlt, das finde ich schön.
Khalila Thomas, Hauptdarstellerin
Besonders deutlich wurde ihr das beim Piratenkapitän Blut-Svente, den Leander Aust spielt. Der musste für die Rolle des Bösen breitbeinigen Gang üben. „Dass Pippi einfach durchs Leben hüpft und so viel Leichtigkeit ausstrahlt, das finde ich schön“, schwärmt Khalila. Etwas von diesem positiven Lebensgefühl nehme sie nach dem Theater in ihren Lebensalltag mit.
Robert Louis Stevensons „Die Schatzinsel“ hat Tizia Abendroth schon in jungen Jahren gelesen. Was hat der 20-Jährigen besonders an dem Roman des schottischen Autors gefallen? „Die Abenteuerlust von Jim Hawkins“, sagt die junge Frau, die Physiotherapeutin werden will. Die Romanfigur zum Leben zu erwecken, ist für die Freizeitschauspielerin ein Traum. „Dass wir beim Naturtheater Grötzingen mit Profis arbeiten, finde ich prima.“
Bei der aktuellen Abendproduktion führte Christian Müller Regie. Das intensive Feilen an der Rolle fand Tizia Abendroth spannend. Da habe sie vieles in dem Text entdeckt, „auf das ich selbst nicht gekommen wäre.“ Dass der Text, der Ende des Jahres 1881 als Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift erschien, viele brutale Szenen hat, wurde der Spielerin bei den Proben bewusst. „Für mich aber steht die Abenteuerlust Jims im Vordergrund.“

Auf dem Bühnenbild von Constanze Gaißmaier bewegten sich die Hauptdarstellerinnen in ihren Produktionen souverän. Das Schiff und die Spielfläche aus Dreiecken in verschiedenen Grüntönen sind echte Hingucker. Damit die Spielerinnen und Spieler bei den schnellen Szenen nicht ausrutschen, sind die Treppen mit Kunstrasen belegt. „Vor allem bei Regen ist das wichtig“, findet Khalila Thomas. Damit sich die Akteure sicher bewegen können, ist das Bühnenbauteam bei den Proben immer dabei und bessert nach.
Wie kamen die beiden Hauptdarstellerinnen damit klar, so viel Text zu lernen? „Das hat gut geklappt“, findet Tizia Abendroth. Bei den wöchentlichen Proben habe man die Szenen ja immer wieder geübt. „Auf der Bühne helfen wir uns gegenseitig.“ Wenn jemand mal einen Hänger hat, improvisieren die Anderen einen Übergang. Manchmal werde der Text auch nicht ganz so gesprochen, wie es im Textbuch steht, verrät Khalila Thomas. Wichtig findet sie, dass das Publikum der Handlung gut und leicht folgen kann. Souffleure gibt es im Naturtheater nicht.

Mit 850 Sitzplätzen ist das Naturtheater an der Alten Poststraße in Grötzingen richtig groß. Wie ist es für die jungen Hauptdarstellerinnen, vor so vielen Menschen zu spielen? „Wenn man auf der Bühne steht, ist man ganz in der Rolle drin“, beschreibt Khalila Thomas ihre Arbeit. Da nimmt die 14-Jährige das Publikum gar nicht wahr. Das sieht auch Tizia Abendroth so, „denn wenn wir spielen, sind wir total konzentriert.“ Lampenfieber haben die zwei schon, aber wenn sie die ersten Szenen spielen, ist das schnell verflogen.
Die Freude, mit der sich die zwei jungen Frauen auf ihre Rollen einlassen, ist ihnen anzumerken. Für Tizia Abendroth war es erst mal herausfordernd, als Frau in die Rolle eines jungen Mannes zu schlüpfen. Dann habe sie aber in Jim Hawkins vieles entdeckt, mit dem sie sich „sehr gut identifizieren kann“. Durch das Kostüm sei es ihr leichter gefallen, sich in die „erst mal fremde“ Rolle hineinzudenken. Im Theater andere Welten zu entdecken, fasziniert die junge Frau immer wieder aufs Neue.