Nicole & Martin lassen Geschichten der Brüder Grimm in neuem Licht erstrahlen
Eine akrobatische Märchenstunde

Kirchheim. Theater, Musik, Akrobatik und Magie: Im weißen Zelt der beiden Theaterartisten Nicole & Martin verschmilzt all dies zu einer


neuen Erzählform. Am Wochenende gastierte das Schweizer Duo bei der Walddorfschule in Ötlingen. Im Gepäck hatte es zwei Klassiker aus der Grimmschen Märchensammlung.

Hänsel und Gretel wurde tausendfach erzählt, verfilmt, vertont und aufgeführt. Zuletzt wurden die beiden armen Kinder von Hollywood sogar als Hexenjäger auf die Leinwand geschickt. Es ist eigentlich eine auserzählte Geschichte – könnte man meinen. Doch die Zuschauer, die am Samstag mit Nicole und Martin Gubler-Schranz den Klassiker aus Grimms Märchenwelt erlebten, werden hier vehement widersprechen.

Schon das Rund des Zeltes ist Teil der Magie des Schweizer Tourneetheaters: Wie in alten Zeiten scharen sich die Zuschauer um die beiden Erzähler, die sie hineinziehen in die mystische Welt des alten Volksmärchens. Es gibt keine Kulissen und nur wenige Requisiten. Das brauchen Nicole & Martin auch nicht: Mit ihrem intensiven Spiel knipsen die beiden Darsteller mühelos das Kopfkino ihres Publikums an und schaffen eine solche Atmosphäre, dass sich der dichte, angsterfüllend dunkle Wald wie von selbst vor das innere Auge schiebt.

Explosiv und kraftvoll sind die artistischen Elemente, die der Darstellung des verzweifelten Versuchs der beiden Kinder, den Weg nach Hause zu finden, eine zusätzliche Dynamik verleihen. Immer wieder schlagen die beiden Theaterartisten Salti und Flickflacks, begibt sich Nicole vertrauensvoll in die Hand ihres Partners bei den akrobatisch anspruchsvollen Hebefiguren. Diese sind mal von übermütiger und energiestrotzender, mal von poetischer und bezaubernder Leichtigkeit, so zum Beispiel, wenn Martin aus einem weißen Tuch einen Vogel faltet und durch die Manege gleiten lässt.

Dann wieder picken und scharren die zwei als freches Federvieh in einem clownesken Zwischenspiel Hänsel und Gretels Brotkrumen, verscheuchen Angst und Sorge mit gut getimten Slackstick und Witz. Die grotesken Vogelschnäbel hatte – wie auch die riesige Hexenlarve, unter denen sich die beiden Theaterartisten abwechselnd verstecken, – Martin Grubler selbst entworfen.

Das Spiel mit dem Publikum verstehen die beiden Schweizer perfekt. Immer wieder werden vor allem die kleinen Zuschauer mit in das Geschehen einbezogen. Sie ersetzen dann Martin in seiner Rolle als Hänsel oder naschen mit den beiden vom Pfefferkuchen, den Nicole & Martin auf akrobatische Weise aus der Kuppel des Zeltes fischen.

Dass sich im Stück die Sprachen mischen – Englisch, Französisch und Schwiizerdütsch – ist Nebensache. Auch ohne die Bedeutung zu kennen, versteht das Publikum die beiden Akteure. Viel zu schnell ist die Geschichte aus, und die Tausendsassas der Zirkusarena, die nebenher auch noch singen, Flöte, Geige und Akkordeon beherrschen, verabschieden sich. Der Zauber ihres Spiels wird den kleinen und großen Zuschauern aber noch lange im Gedächtnis bleiben.