Bevölkerungsentwicklung
Eine Region in Bewegung (Teil 1)

Wohin zieht es die Menschen – und wo ziehen sie weg? Die Bevölkerungsentwicklung ist im Umland alles andere als gleichmäßig. Im ersten Teil geht es um Kirchheim, Lenningen und Weilheim.

Die Schaffung von neuem Wohnraum ist die wohl effektivste Maßnahme, um Einwohner zu gewinnen. Foto: Carsten Riedl

Wo sich früher nur weite Wiese befand, blüht heute das (Vorstadt-)Leben. Wildwachsende Sträucher wichen modernen Mehrfamilienhäusern, gepflegten Vorgärten und Garagenzufahrten. Der Wohnraum wächst, die Bevölkerung auch – zumindest mancherorts. Denn während einige Städte und Ortschaften mit dem Bauen kaum hinterherkommen, sind neu Zugezogene anderswo Mangelware. Auch rund um die Teck hat sich innerhalb von 30 Jahren viel getan.

Kirchheim kriegt sie alle

Um Bevölkerungsschwund muss sich Kirchheim keine Sorgen machen – das zeigt ein Blick auf die Zahlen der drei Jahrzehnte zwischen 1994 und 2023. Obwohl das Wachstum vorübergehend deutlich abschwächte, konnte die Stadt als Herz der Region aus beinahe jedem Jahr mit einem positiven Wanderungssaldo hervorgehen. Sprich: Es zogen fast durchweg mehr Menschen in die Stadt als fort.

Die Infrastruktur wächst oft langsamer als die Bevölkerung. 

Doreen Edel, Leitung der Kirchheimer Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Für Doreen Edel von der Stadtverwaltung Kirchheim ist das leicht erklärbar: Unter anderem würden Aspekte wie eine gute Infrastruktur, ein lebendiges Stadtleben, vielfältige Veranstaltungen, Sport-, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten, Kinderbetreuungsangebote sowie diverse Schulen für eine „hohe Lebensqualität“ in Kirchheim sorgen.

Doch Lebensqualität hin oder her – Voraussetzung für neue Einwohner ist der dafür nötige Wohnraum. So lockten Bauprojekte wie Steingauquartier, Henriettengarten und Wollspinnerei, aber auch neu geschaffene Wohneinheiten in der Innenstadt zahlreiche neue Anwohner in die City. Wie Doreen Edel weiter berichtet, bevölkern vor allem jüngere Menschen die Neubaugebiete – mit gerade mal 31,8 Jahren ist der Altersdurchschnitt in der Wollspinnerei besonders niedrig.

Den größten Andrang erlebte Kirchheim zuletzt zeitgleich mit den größten Flüchtlingswellen in den Jahren 2015 und 2022. Doreen Edel zufolge sei aber „nur ein Teil“ – rund 40 Prozent – der Zugezogenen im Zeitraum von 2014 bis 2023 auf die Aufnahme Geflüchteter zurückzuführen.

Für die kommenden Jahre gehe man weiterhin von einem „stabilen Bevölkerungswachstum“ aus. Trotz aller Bemühungen, den durch das Wachstum gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden, habe sich jedoch gezeigt: „Die Infrastruktur wächst oft langsamer als die Bevölkerung.“

Lenningen kriegt noch die Kurve

Ziemlich düster sah es eine Zeit lang für Lenningen aus. Ab Mitte der 90er-Jahre rannten der Gemeinde die Einwohner regelrecht davon. Über die Nulllinie schaffte es das Wanderungssaldo erst wieder um die zwei Jahrzehnte später. Nicht herausragend, aber positiv sahen die Zahlen in jüngster Vergangenheit aus. Die Gemeinde hat ihr Image aufpoliert.

Innerhalb von 30 Jahren gab es nur zwei Jahre, aus denen Kirchheim mit einem negativen Wanderungssaldo hervorging. Grafik: Fiona Peter

Doch wo lag das Problem? Bürgermeister Michael Schlecht verweist hier auf die „zurückhaltende“ Ausweisung neuer Wohngebiete. Das habe sowohl mit bürokratischen Hürden als auch mit fehlenden finanziellen Mitteln für die erforderliche Infrastruktur zu tun gehabt. Zusätzlich habe die Schließung der Papierfabrik Scheufelen im Jahr 2018 Lenningen zahlreiche Einwohner gekostet, einige konnten wiederum durch die Unterbringung einer „nicht unerheblichen“ Zahl Geflüchteter dazugewonnen werden. Warum zwischen 1994 und 2013 mehr als 1000 Menschen die Stadt verließen, erklärt das jedoch nicht.

Was die Zukunft angeht, zeigt sich Michael Schlecht optimistisch: Durch strategische Innenverdichtung, das neue Wohngebiet Lüxen in Brucken und die 550 bis 650 neuen Wohneinheiten, die im Scheufelen-Areal geplant sind, könnte die Gemeinde in nicht allzu ferner Zukunft viele Hunderte Einwohner gewinnen.

Weilheim geht runter vom Gas

Auch Weilheims Wanderungssaldo hat etwas Achterbahnähnliches. Zeitweise verschwand die Kurve unter der Nulllinie, kämpfte sich in den Folgejahren aber wieder darüber. Regelrecht durch die Decke gingen die Zahlen von 2014 bis 2016. Obwohl es nur bei einem kurzen Höhenflug bleiben sollte, kann Weilheim bis dato ein Wachstum durch Zuzüge verzeichnen.

Wie Bürgermeister Johannes Züfle berichtet, zogen in den vergangenen Jahren besonders junge Familien mit Kindern im Kita-Alter in das Städtchen. Das führe man laut Züfle vor allem darauf zurück, „dass die Stadt seit Jahren sehr viel für Familien tut“. Der Bürgermeister verweist an dieser Stelle unter anderem auf den Neu- und Ausbau mehrerer Kindertagesstätten. Auch sonst biete Weilheim zahlreiche „Pluspunkte für Familien“, wie die ortsansässigen Schulen, die Nähe zu vielen Betrieben wie auch zur Natur – das spreche sich natürlich herum.

Ebenfalls „seinen Teil“ zum Bevölkerungsanstieg beigetragen habe das Neubaugebiet Gänsweide II, das ab 2018 aufgesiedelt wurde. Das besonders große Wachstum durch Zuwanderung rund um das Jahr 2015 war laut Züfle „zumindest nicht maßgeblich“ durch die Aufnahme Geflüchteter bedingt.

Eine Prognose für die kommenden Jahre wagt der Bürgermeister nicht zu stellen. Man ziehe jedoch in Betracht, dass das neue Gewerbegebiet Rosenloh und die dazugehörigen Arbeitsplätze einige Menschen zu einem Umzug nach Weilheim motivieren mögen. Damit dazu überhaupt die Möglichkeit besteht, stockt die Stadt in Sachen Wohnraum auf – in Form des Neubaugebiets Halde III und nicht zuletzt des Projekts „Kirchheimer Straße Nord“.

Innerhalb von 30 Jahren gab es nur zwei Jahre, aus denen Kirchheim mit einem negativen Wanderungssaldo hervorging. Grafik: Fiona Peter