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Eine Sternenepoche der Philosophie

Lesung Der Journalist und Autor Wolfram Eilenberger liest aus seinem Buch „Zeit der Zauberer“. Darin fasst er zehn Jahre am Anfang des 20. Jahrhunderts zusammen. Von Thomas Krytzner

Sechs Monate hielt sich das Werk „Zeit der Zauberer“ auf der Bestsellerliste und wird derzeit in 20 Sprachen übersetzt. Erst kürzlich wurde der Bestseller mit dem Bayrischen Buchpreis als bestes Sachbuch ausgezeichnet. „Ein Phänomen der Zeitgeschichte“, so titelte Sibylle Mockler, Geschäftsführerin des Buchhauses Zimmermann in Kirchheim, bei der Einführung zur Lesung. Dies sei ein Highlight und gleichzeitig die letzte Veranstaltung der Buchhandlung in diesem Jahr.

Dass Wolfram Eilenberger ein Bestseller-Autor würde, war nicht unbedingt abzusehen. Er besitzt nämlich auch die Fußballtrainerlizenz des DFB. „Ich habe schon als Kind gerne Fußball gespielt, und da hat sich das eben entwickelt“, erklärt er. Mittlerweile habe er kaum noch Zeit und sei zu alt geworden.

Ruhe und Entspannung findet Eilenberger beim Schreiben und beim Philosophieren. Vor allem befasst er sich mit der Wiege der deutschen Sprache und blickt in seinem neusten Werk „Zeit der Zauberer“ auf den Anfang des 20. Jahrhunderts. Von 1919 bis 1929 prägten vier Philosophen die Sprachgestaltung und machten sich vor allem über den Menschen und die Zukunft Gedanken: Wolfram Eilenberger hat die Zeitzeugen Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Ernst Cassirer und Martin Heidegger aus dieser Epoche in seinem Buch vereinigt. Gut gelaunt und mit dem zugehörigen Sprachwitz stellte Wolfram Eilenberger sein Werk den über 70 Interessierten vor: „Es ist ein Buch über zehn außergewöhnliche Jahre und über vier außergewöhnliche Menschen.“

Er stellte die These auf, dass sich eine Krise hervorragend eignet, wenn man Philosoph sei. Eilenberger denkt da vor allem an die magischen Jahre, wie er sie nennt. „In den zehn Jahren schufen namhafte Autoren große Werke, und diese prägen die Art und Weise, wie wir schreiben.“ Die Krisen in der 20er-Jahren entstanden mit dem Kriegsende, als auch die öffentliche Ordnung zusammenbrach. Es folgte die wirtschaftliche Krise, da viele ihr gesamtes Vermögen verloren. Die kulturelle Krise war der Priorität geschuldet. „Es gab wichtigere Fragen als Kultur, wenn man einen Krieg verloren hatte“, behauptet der Autor. Zu der Zeit aber stellte sich die Weltanschauung um und die Philosophen warfen die Frage in den Raum: „Was ist der Mensch?“

Wolfram Eilenberger vertritt die Meinung, dass jeder Philosoph diese Frage beantworten können muss. Damals wie heute gäbe es eine eindeutige Antwort: „Der Mensch ist ein sprechendes Wesen, aber die Sprache macht Menschen seltsam.“ Alle vier Philosophen hätten vor rund 100 Jahren eine enge Klammer zwischen Leben und Denken gesetzt. In seinem Buch geht Eilenberger auf die vier Protagonisten ein und stellt diese mit spannenden und informativen Kapiteln vor.

So erfuhren die Teilnehmer der Lesung, dass Ludwig Wittgenstein sechs Jahre lang als Volksschullehrer in Gebirgsdörfern gearbeitet hat und mit seiner Art den Mönchen in den Klöstern nicht geheuer war. Ernst Cassirer war Jude und musste damals Deutschland fluchtartig verlassen - er kam auch nie wieder zurück. Eilenberger bezeichnet ihn als „vergessenen Riesen der deutschen Philosophie“. Martin Heidegger wurde 1889 in Meßkirch geboren und kam aus kleinen bürgerlichen Verhältnissen. Er beschäftigte sich vor allem mit dem Sein und der Zeit. Er nahm, wie Wolfram Eilenberger erklärte, die Art und Weise des Lebens unter die Lupe und stellte fest, dass viele Dinge über Tausende Jahre falsch beschrieben worden seien. „Man ist nicht auf der Welt, sondern in der Welt“, war eine der Anregungen über das „Falschdenken“, wie der Journalist beschrieb. Eilenberger sieht die Rolle der Philosophie als Distanzierung in der Sprache. „Wir können durch die Verwendung von Zeichen frei werden und uns frei machen vom Schein des Seins.“