Zwischen Neckar und Alb
Eintauchen in Bereiche,die Worte niemals erreichen

Musik Der gebürtige Esslinger Fagottist Oliver Hasenzahl ist Fachbereichsleiter an der Musikschule Stuttgart und vermisst derzeit vor allem seine Schüler. Von Rainer Kellmayer

Leicht lässt sich Oliver Hasenzahl nicht aus der Ruhe bringen: Der Fagottist und Musikpädagoge wirkt gelassen, strahlt Souveränität und Freundlichkeit aus. Spricht man jedoch den Wettbewerb „Jugend musiziert“ an, spürt man seine Unzufriedenheit. Der in Baden-Württemberg corona-bedingt erstmals kombiniert ausgetragene Regional- und Landeswettbewerb hatte kürzlich online stattgefunden - für Hasenzahl keine optimale Lösung: „Proben mit Klavier waren nicht möglich. Deshalb mussten die Schülerinnen und Schüler ihr Wettbewerbsprogramm ohne Begleitung vortragen“.

Hasenzahl, der an der Stuttgarter Musikschule als Fachbereichsleiter für 46 Bläserkolleginnen und -kollegen zuständig ist, macht das Beste aus der Situation und versucht, die Motivation hoch zu halten. „Es ist wichtig, den Humor nicht zu verlieren und Zuversicht auszustrahlen“. Im Online-Unterricht will er die Schüler mit ansprechender Unterrichtsliteratur begeistern. Auch an der Stuttgarter Musikhochschule, wo Hasenzahl als Lehrbeauftragter das Pädagogische Seminar leitet und Instrumentaltechnik für Fagottisten leitet, läuft alles online. Trotzdem bleibt er für seine Studenten immer ansprechbar und hilft ihnen über gelegentliche Krisen hinweg.

Der in Esslingen geborene Musiker wuchs in Steinheim an der Murr auf. Heute lebt er mit seiner Familie im Scharnhauser Park in Ostfildern. „Mein Querflöte spielender Vater hat mich schon als Kind in Konzerte mitgenommen. Auch zu Hause hörten wir viel klassische Musik, manchmal ganze Opern“, erinnert sich Hasenzahl. Er wuchs in die Musik hinein, lernte erst Blockflöte, dann Klavier und schließlich sein heutiges Lieblingsinstrument: das Fagott. Bis zum Abi 1986 mit dem Leistungsfach Musik spielte er im Orchester des Goethe-Gymnasiums in Ludwigsburg. „Das Musizieren im Orchester hat mich schon immer fasziniert“, sagt Hasenzahl, der seinen Wehrdienst einst im Heeresmusikkorps in Regensburg leistete. Dann ging es zum Studium nach Stuttgart: Dort wurde er an der Musikhochschule von den Professoren Georg Klütsch und Sergio Azzolini fit gemacht für die professionelle Karriere. „Ich war besessen vom Musizieren und habe intensiv geübt.“

Mit seinen Schülern will er so viel Musik machen wie möglich, sie nicht nur technisch, sondern auch künstlerisch formen. Damit liegt er richtig - zahlreiche seiner Eleven sind Preisträger bei Jugendwettbewerben. Um die Liebe zur Musik zu wecken, ist für den Musikpädagogen das Ensemblespiel eine weitere wichtige Schiene. Besonders liegt Hasenzahl das „Ensemble Serenata“ am Herzen, in dem sich Spitzenschüler der Musikschule hochkarätiger Bläserliteratur widmen. „Immer wieder sind wir neben den Konzerten im Stuttgarter Raum auch auf Tourneen zu hören.“

Risiko trifft auf Freude

Für ihn ist es eine besondere Ehre, dass Komponisten Werke eigens für „Serenata“ geschrieben haben. Bei der Ensembleleitung kommt Oliver Hasenzahl die dirigentische Expertise zugute, die er sich im Unterricht bei renommierten Dirigenten angeeignet hat. Besonders begeistert ihn das Konzertieren mit dem Fagott. „Man lebt ganz im Moment, spürt ein gewisses Risiko, aber auch die Freude am Gelingen.“ Der Musiker liebt es, Geschichten mit Tönen zu erzählen und in Bereiche einzutauchen, die Worte niemals erreichen können.

Bereits zu Studienzeiten lernte er durch einen Aushilfsvertrag als Solofagottist am Theater Heidelberg die Welt der Oper kennen. Die Leidenschaft fürs Orchesterspiel hat sich der Musiker bis heute bewahrt: Neben Auftritten mit den von ihm gegründeten Stuttgarter Kammersolisten ist er in der Region regelmäßig bei Oratorien-Aufführungen und Sinfoniekonzerten zu hören. Das Komponieren, Arrangieren und die Herausgabe pädagogischer Literatur nimmt im vielschichtigen Spektrum des Musikers breiten Raum ein. „Bereits als Jugendlicher habe ich Werke unterschiedlichster Couleur komponiert“. Heute bereichert er die Literatur für Fagott in vielfältiger Weise - Fagottschulen, Technikbände sowie Originalkompositionen und Bearbeitungen stammen aus seiner Feder. Auch sehr anspruchsvolle Werke für Fagott und Klavier hat er bereits geschrieben: „Für mich ist das Komponieren ein Prozess höchster Konzentration.“

Und was wünscht sich der agile Musiker, der sich mit Joggen und Sportklettern fit hält, für die Zeit nach Corona? „Ich möchte wieder durchstarten, viel konzertieren und im Unterricht den direkten Kontakt mit den Schülern genießen.“