Ökostrom
Energiewende made in Kirchheim

Die W-I-N-D Energien GmbH ist schon heute in der Lage, rund 45.000 Haushalte mit eigenem Strom aus Sonnen- und Windkraft zu versorgen. Mit weniger Bürokratie wäre deutlich mehr drin.

Alexander Wiethüchter betreibt als einer von zwei Geschäftsführern das Büro von W-I-N-D in Kirchheim mit inzwischen 13 Vollzeitbeschäftigten.  Foto: Carsten Riedl

Wie kräftig und aus welcher Richtung bläst der Wind? Wie viele Sonnenstunden hat der Tag? In den Büroräumen in der Schlierbacher Straße geben Tabellen und Säulendiagramme auf Monitoren Antworten auf diese Fragen. Das schlichte Klingelschild am Eingang lässt nicht vermuten, dass hier – mitten in Kirchheim – die Energiewende unter Volllast segelt. Die „W-I-N-D Energien GmbH“ hat das Gebot der Stunde zum Geschäftsmodell entwickelt. Vor eineinhalb Jahrzehnten als klassisches Start-up gegründet, erzeugt das Unternehmen mit eigenen Anlagen inzwischen jährlich rund 200 Millionen Kilowattstunden grünen Strom. Damit ließen sich knapp 45.000 Durchschnittshaushalte ein Jahr lang versorgen.

Das Unternehmen ist Projektplaner, Finanzdienstleister, Anlagenbetreiber und Stromanbieter in einem. Damit die selbst erzeugte Energie Abnehmer findet, betreiben die Kirchheimer bei Aalen und nahe Crailsheim zwei eigene Umspannwerke. Ein drittes ist bereits im Bau. Zwei Drittel des Stroms werden durch Windkraft erzeugt. Den Rest liefern Solarparks, überwiegend auf der Ostalb. Großspeicher sorgen dafür, dass lokale Unternehmen unabhängig von Jahreszeiten verlässlich mit erneuerbarer Energie versorgt werden können. Mit 60 Kilometern verlegter Erdkabel ist W-I-N-D gleichzeitig der größte private Netzbetreiber im Ostalbkreis.

Alexander Wiethüchter und Jochen Kreidenweiss sind in ihrem Fach Überzeugungstäter. Kreidenweiss war beim Großversorger EnBW jahrelang mit dem Ausbau der erneuerbaren Sparte beschäftigt, Wiethüchter hat eine klassische Bankenlaufbahn hinter sich. Beide verbindet in ihrer Freizeit seit Jahren eine Leidenschaft, die viel mit Wind zu tun hat: das Segelfliegen. Vom Tag der Firmengründung im eigenen Wohnzimmer bis zum Unternehmen mit 13 Vollbeschäftigten hat eine feste Überzeugung bei beiden überlebt: Der Weg zu bezahlbarem Ökostrom führt nur über dezentrale Versorger vor Ort.

Zweitausend Quadratmeter Ausgleichsfläche für ein brütendes Feldlerchenpaar.

Energieunternehmer Alexander Wiethüchter sieht Beispiele für fehlgeleiteten Naturschutz.

 

Dass dies mitunter einem Kampf gegen Windmühlen gleicht – um im Bild zu bleiben –, erleben beide immer wieder. Wenn im ersten Quartal 2026 bei Laichingen wie geplant ein 14 Hektar großer Solarpark in Kirchheimer Regie an den Start gehen sollte, dann wäre dies ein Erfolg gegen zahlreiche Widerstände. Proteste von Landwirten, Ablehnung durch den Ortschaftsrat, erst ein Bürgerentscheid und ein Votum im Stadtrat brachten den Durchbruch – obwohl die Stadt Laichingen 35 Hektar, das entspricht 0,5 Prozent der Gemarkung, im Flächennutzungsplan ausdrücklich für Freiflächen-Photovoltaik ausgewiesen hat. Unterm Strich dürfte der verzögerte Entscheid die Kommune eine knapp mittlere fünfstellige Summe gekostet haben. Dabei wird saubere Energie immer wichtiger, um Unternehmen am Ort zu halten. Und Laichingen hat davon zahlreiche.

Wiethüchter weiß: Aufklärung ist der wichtigste Baustein, wenn es um den Ausbau erneuerbarer Energien geht. Ohne sie bremsen meist unbegründete Bedenken und pauschale Vorurteile fast jedes Projekt. „Wenn es selbst dort, wo Flächen klar ausgewiesen sind, schwierig wird“, sagt er, „auf welches Recht will man sich dann noch verlassen?“ Seine Erfahrung zeigt: Sind Anlagen erst einmal in Betrieb, ebbt die Diskussion darüber rasch ab. „Auch dort, wo wir Windräder in Betrieb haben, gibt es hinterher keine Beschwerden mehr.“ Außerdem räumt das Unternehmen Grundstücksverkäufern ein, auf Wunsch bis zu 50 Prozent der Anlage auf eigene Rechnung betreiben zu können. Wiethüchter spricht von einem Geschäft auf Augenhöhe. „Dahinter stehen wir als lokales Unternehmen und kein niederländischer Pensionsfond.“

Bleibt die Frage: Warum herrscht ausgerechnet am Firmensitz Flaute? Schließlich gibt es im Kreis Esslingen weder nennenswerte Freiflächen für Photovoltaik noch dreht sich hier ein einziges Windrad. Siedlungsdruck und engmaschige Schutzgebiete sind ein Grund, weshalb in einem der am dichtesten bevölkerten Landkreise im Land in Sachen Erneuerbare nur geht, was auf Dächern Platz findet. Ansonsten regt sich massiver Widerstand wie zuletzt bei den Plänen für Solarflächen entlang der B 27 auf den Fildern.

In den Kreisen Ostalb und Schwäbisch Hall, der operativen Kernzone von W-I-N-D, geht vieles einfacher und schneller. Dabei fänden sich geeignete Flächen durchaus auch in der Region Stuttgart, wie Wiethüchter betont. Auf den Verband Region Stuttgart, bei dem die Planungshoheit liegt, ist der Kirchheimer Unternehmer deshalb schlecht zu sprechen. „Der Regionalverband hat seine Hausaufgaben nicht gemacht“, lautet sein Urteil. Zu lange und zu aufwendige Genehmigungsverfahren, die ständig von der Furcht begleitet seien, am Ende nicht klagefest zu sein. Obwohl die Landesregierung inzwischen vieles beschleunigt hat, sieht sich das Unternehmen bei neuen Projekten mit Planungzeiten von fünf Jahren konfrontiert. Hinzu kommt: Was er in den Unteren Naturschutzbehörden immer wieder erlebt, bezeichnet Wiethüchter als schlichte Willkür. „Zweitausend Quadratmeter Ausgleichsfläche für ein brütendes Feldlerchenpaar sind da nur ein Beispiel.“

 

Agri-PV für doppelte Ernte

Wo Landwirtschaft und Freiflächen-Photo­voltaik in Konkurrenz zueinander stehen, kann Agri-PV im Idealfall für eine doppelte Ernte sorgen. Dabei werden PV-Module mit unterschiedlicher Lichtdurchlässigkeit als Beschattung im Obst- und Gemüseanbau genutzt. Die Module erzeugen Strom und sorgen gleichzeitig dafür, dass Pflanzen und Früchte vor zu intensiver Sonneneinstrahlung geschützt werden und Böden weniger austrocknen.
Baden-Württemberg hat sich in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Fraunhofer-Institut zur Modellregion erklärt. Im April ging in einem Obstbau-Betrieb im Ortenaukreis die fünfte Pilotanlage im Land in Betrieb. Am Tuniberg im badischen Breisgau wird seit vergangenem Sommer erstmals der Einsatz einer PV-Anlage im Weinbau getestet. bk