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Entlang der Wanderwege lauert Gefahr

Militärschrott Seit knapp zwei Jahrzehnten wird auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Münsingen nicht mehr geschossen. Die Idylle auf dem Platz trügt. Überall kann man auf scharfe Munition stoßen. Von Joachim Lenk

Seit knapp zwei Jahrzehnten wird auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Münsingen nicht mehr geschossen. Trotzdem taucht im Herzstück des Biosphärengebietes Schwäbische Alb jedes Jahr todbringende Munition auf. Die Idylle auf dem Platz trügt. Überall kann man noch auf mörderische Überbleibsel stoßen. Nicht umsonst stehen überall Schilder, die darauf hinweisen, dass es lebensgefährlich ist, die markierten Strecken zu verlassen.

Anfang Dezember 2004 fiel der letzte scharfe Schuss auf dem Truppenübungsplatz, der Ende 2005 nach 110 Jahren militärischen Betriebs geschlossen wurde. Seit 2006 ist das rund 6700 Hektar große Areal auf 13 ausgewiesenen Wegen für Wanderer und Radfahrer geöffnet.

Munition ist oft verrostet

Es vergeht fast kein Monat, in dem nicht irgendwelche Munitionsreste von Schäfern, Förstern und Waldarbeitern gefunden werden. Manchmal auch von Spaziergängern, wie die, die vergangenen Monat am Rand eines ausgewiesenen Wanderwegs ein französisches Hohlladungsgeschoss entdeckten. Das Geschoss war ohne Explosivstofffüllung, sodass keine Gefahr bestand, weiß Berni Diether, der als Feuerwerker beim Bundesforst angestellt ist. „Aber der Laie erkennt das nicht“, warnt der 70-jährige Stabsfeldwebel außer Dienst, der 29 Jahre lang in Bundeswehruniform in Ulm und in Münsingen bereits als Feuerwerker tätig war.

 

Rein rechnerisch stößt man alle 17 Quadratmeter auf etwas Gefährliches.
Berni Diether
Feuerwerker des Bundesforstbetriebs Heuberg

 

„Schätzungen zufolge sind noch 560 000 Geschosse mit Zünder und etwa 3,9 Millionen ungefährliche Munitionsreste auf dem Platz verstreut“, so der Experte. „Rein rechnerisch gehen wir davon aus, dass man alle 17 Quadratmeter auf etwas Gefährliches stößt.“ In den vergangenen Jahren wurde einiges gefunden, von Gewehrpatronen bis zum 50 Kilogramm schweren 155-mm-Artilleriegeschoss war alles mit dabei. „Oft sind die Blindgänger äußerlich stark korrodiert, sodass man nicht abschätzen kann, wie es im Inneren aussieht“, erläutert der Fachmann.

Schäfer meiden die Bereiche

Er kennt die immer wiederkehrende Frage nach den Schäfern, die mit ihren Paarhufern scheinbar ungefährdet über die Weiden ziehen. „Die Schäfer haben alle eine Haftungsverzichtserklärung unterschrieben, die den Bundesforst von seiner Verantwortung im Falle eines Unfalls befreit.“ Außerdem meiden sie die gefährlichen Bereiche.

Berni Diether beurteilt, ob er die Munition mit ins Depot nehmen kann oder der Kampfmittelbeseitigungsdienst Baden-Würt­temberg (KMBD) die Geschosse vor Ort sprengen muss. Er erzählt, dass vor ein paar Jahren eine kanadische Mörsergranate gefunden wurde, bei der der Aufschlagzünder beschädigt war. Es wäre lebensgefährlich gewesen, das Geschoss mit dem Auto zu transportieren. Deshalb entschieden die Experten seinerzeit, die Munition vor Ort auf einer Wiese zu sprengen. Damals wurden alle Zufahrtswege im Umkreis von einem Kilometer von Absperrposten abgeriegelt, sodass keine ungebetenen Gäs­te der Sprengung zu nahe kamen.

Inzwischen hat sich wieder einiges angesammelt. Ungefährlicher Munitionsschrott, Teile von Geschossen und Granaten, die Diether auf einem abgesperrten Sammelplatz lagert. Aber auch scharfe Geschosse aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges kommen immer wieder ans Tageslicht. So zum Beispiel vor vier Jahren beim Bau der Akustikmessstrecke der Daimler Truck AG östlich der ehemaligen Soldatensiedlung Altes Lager (Albgut).

Räumung wäre zu teuer

Eine saubere Räumung des gesamten ehemaligen Truppenübungsplatzes sei nicht bezahlbar. Sie würde das Gebiet in eine Mondlandschaft verwandeln, erklärt der Leiter des Bundesforstbetriebes Heuberg, Marco Reeck, der für das 6700 Hektar große Areal verantwortlich ist. Die hohe Munitionsbelastung sei neben dem Naturschutz der Grund für das strenge Wegegebot, das auf dem Platz gilt. Wer Munition oder Munitionsteile auf dem einstigen Schießplatz entlang der Wege entdeckt, muss diese liegen lassen und die Polizei in Münsingen informieren, fügt ­Reeck hinzu. Wer Überreste aus vergangenen Tagen mitnimmt, mache sich strafbar.

Feuerwerker Diether ist Realist. Er geht davon aus, dass er bis ans Lebensende seinen Job auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz hat.

 

Infos zum ehemaligen Truppenübungsplatz

Auf 13 ausgewiesenen Wegen ist der ehemalige Truppenübungsplatz Münsingen für Wanderer und Radfahrer geöffnet.

Wer die markierten Wege verlässt, die gesperrten Pfade oder die ehemalige Panzerringstraße befährt oder betritt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 1000 Euro rechnen.

In der ehemaligen Geländebetreuungsstelle in der Egelsteinstraße 106 in Münsingen gibt es eine Ausstellung mit Munition, mit der auf dem einstigen Übungsplatz geschossen wurde.

Führungen gibt es nach Absprache unter Telefon 0 73 81/25 05.

Militärhistorische Wanderkarten und weitere Infos gibt es unter
www.alteslager.com oder unter
www.muensingen.com/info-service.