Zwischen Neckar und Alb
Er hat Menschen in Bewegung gebracht

Nachruf Martin Runge, Arzt und Erfinder der „Fünf Esslinger“, ist mit 71 Jahren einer Corona-Infektion erlegen.

Esslingen. „Was ein Mensch an Gutem in die Welt hinaus gibt, geht nicht verloren“, hat der Arzt, Philosoph und Menschenfreund Albert Schweitzer notiert. Und es ist kein Zufall, dass der diakonische Altenhilfeträger „Dienste für Menschen“ und der Förderverein „Pro Quarto“ diese Worte ihrem Nachruf auf Martin Runge vorangestellt haben.

Der Mediziner und Streiter für eine hochwertige Geriatrie hat tiefe Spuren hinterlassen - in Esslingen und weit darüber hinaus. Lange Jahre hat Runge die Aerpah-Kliniken geleitet, er hat Wegweisendes in der geriatrischen Rehabilitation geleistet, und er hat es geschafft, viele Menschen in Bewegung zu bringen: Mit seinen „Fünf Esslingern“, einem wissenschaftlich unter­mauerten Trainingsprogramm zum Erhalt von Bewegung, Muskeln und Knochen im Alter, hat er die Grundlage für zahlreiche Bewegungstreffs für Ältere geliefert. Viele reagierten fassungslos, als die Nachricht die Runde machte, dass Martin Runge mit 71 Jahren an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben ist.

Bis zuletzt hat sich Martin ­Runge mit Leidenschaft und Fachwissen für sein Anliegen engagiert, Menschen bis ins hohe Alter geistig und körperlich beweglich und damit so fit wie möglich zu halten - auch in Corona-Zeiten. Dass gerade Ältere unter den Kontaktbeschränkungen sehr zu leiden haben, ließ ihn nicht ruhen. Und er hat dafür geworben, während des erzwungenen „Stuben­arrests“ nicht einzurosten Deshalb empfahl er, dagegen auch im eigenen Wohnzimmer anzuturnen: „Damit tut man auch seiner geistigen Beweglichkeit mehr Gutes, als wenn man ein Kreuzworträtsel löst.“ Die passenden Übungen hat Martin Runge gleich mitgeliefert.

So haben viele den renommierten Mediziner und Altersforscher gekannt. 1949 im nord­rhein-westfälischen Brilon geboren, hatte Martin Runge zunächst Theologie studiert, um danach ein Studium der Humanmedizin aufzunehmen, das er 1980 abschloss. Zunächst ließ er sich als praktischer Arzt nieder, doch seine Begeisterung für die Geriatrie ließ ihn nicht los. Er erarbeitete sich ein reichhaltiges Wissen in klinischer Geriatrie sowie als Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin. 1991 wurde Runge ärztlicher Direktor der Aerpah-Klinik in Kennenburg, später auch an der Aerpah-Klinik Ilshofen. Als Leiter der Landesarbeitsgemeinschaft der geriatrischen Rehabilitationskliniken im Land initiierte und leitete er wissenschaftliche Untersuchungen, und er hat sich mit der Entwicklung von Trainingsprogrammen zur Behandlung von Osteoporose und von Fitnessprogrammen für die zweite Lebenshälfte einen Namen gemacht.

Mitreißende Begeisterung

Vielen wird jedoch nicht nur der Mediziner, sondern mindestens ebenso der Mensch Martin ­Runge in Erinnerung bleiben. „Er verstand es, durch seine Persönlichkeit und seine überragende Kompetenz die Menschen physisch und psychisch zu begeistern und in Bewegung zu bringen“, bescheinigen ihm die „Dienste für Menschen“ und der Förderverein „Pro Quarto“. Und wer Runge in einem seiner ebenso kenntnisreichen wie unterhaltsamen Vorträge, aber auch im ganz individuellen Gespräch mit seinen Patienten erlebt hat, der hat gespürt, wie lange und intensiv seine mitreißende Begeisterung in vielen nachgeklungen hat - und weiter nachklingen wird. Dieses Vermächtnis wird nicht nur in der Forschung und der alltäglichen geriatrischen Arbeit lebendig bleiben, sondern auch in vielen Menschen, die sich alleine oder in einem der vielen Bewegungstreffs mit Martin Runges „Fünf Esslingern“ fit halten. Alexander Maier