Sport im Alter
Er läuft und läuft und läuft...

Mit 82 Jahren noch einmal über die volle Distanz: Herfried Großmann aus Wendlingen ist erfolgreich den Einstein-Marathon in Ulm mitgelaufen.

Herfried Großmann aus Wendlingen hat beim Einstein-Marathon in Ulm bewiesen, dass Ausdauer, Disziplin und Lebensfreude keine Altersgrenze kennen.  Foto: Philip Sandrock

Wer traut sich zu, einen Marathon zu laufen? Die 42,195 Kilometer sind selbst für trainierte Sportler eine enorme Herausforderung – ohne richtige Vorbereitung kaum zu bewältigen. Und je älter man wird, desto größer scheint das Hindernis. Doch Herfried Großmann aus Wendlingen ließ sich davon nicht abschrecken. Am letzten Septemberwochenende stand der 82-Jährige tatsächlich an der Startlinie des Einstein-Marathons in Ulm – und er lief die gesamte Distanz. „Das Ziel war ankommen“, sagt Großmann nüchtern. Aber er weiß auch: Ohne Vorbereitung geht gar nichts. Deshalb trainierte er akribisch, führte Protokoll, plante Ernährung und Training bis ins Detail. Im Gespräch mit unserer Redaktion legt er seine Trainingspläne auf den Tisch und zeigt die Daten aus seiner Lauf-App.

 

Ein Leben lang in Bewegung

„Die Idee kam mir im Frühjahr“, erzählt er. Bis dahin sei er ohnehin täglich eine schnelle Runde gegangen – rund zehn Kilometer Strecke sind fester Bestandteil seines Tages. „Da dachte ich: Probier’s doch mal mit Joggen.“ Also baute er nach und nach Laufeinheiten ein. Und merkte schnell: Es klappt. „Ich habe immer auf meinen Puls geachtet. Wurde er zu hoch, bin ich gegangen.“ Genau so habe er es später auch in Ulm gehalten – und das brachte ihn sicher ins Ziel.

Ganz neu ist der Laufsport für Herfried Großmann nicht. Schon zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn bei Daimler schloss er sich einer Betriebslaufgruppe an. „Wir haben regelmäßig trainiert, auch an Wettkämpfen teilgenommen.“ Später war er viele Jahre beim Lauftreff in Wendlingen aktiv. „Viermal pro Woche, jeweils 20 Kilometer – das war Standard“, erinnert er sich.

Aber mein Ziel war klar: durchkommen.

Herfried Großmann war das Rennen zu schnell angegangen, hat dann immer wieder Gehpausen eingelegt.

Einige Erlebnisse sind ihm besonders im Gedächtnis geblieben. Etwa eine Urlaubsmorgenrunde in der Provence, die ihn unerwartet auf den Gipfel des Mont Ventoux führte. „Eigentlich wollte ich nur locker laufen. Am Ende standen 40 Kilometer auf der Uhr.“ Auch Marathon-Erfahrungen sammelte er reichlich: Berlin, London – und ganz besonders New York im Jahr 1989. „Damals wollte ich unter drei Stunden bleiben“, erzählt er. Doch ein taktischer Fehler machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er startete mit neuen Socken, lief sich sofort eine riesige Blase. „Am Ende habe ich die Zielzeit trotzdem nur knapp verpasst.“

Nach diesem Erlebnis legte er die Marathondistanz allerdings für Jahrzehnte beiseite – bis jetzt. „Ich habe mir gesagt: Wenn du das noch einmal schaffst, bist du fit. Dann brauchst du keinen Doktor mehr“, sagt er und lacht. Seine Töchter und sein Arzt rieten ihm zwar ab oder zumindest zu äußerster Vorsicht. Doch er blieb bei seinem Entschluss. „Man braucht im Leben ein Ziel, auf das man hinarbeiten kann.“ Für ihn war dieses Ziel klar: Bewegung, Bewegung, Bewegung.

Seit Mai bereitete sich der Senior gezielt vor. Vom zügigen Gehen über lockeres Laufen bis hin zu langen Streckenläufen steigerte er sein Pensum systematisch. „Zuletzt bin ich täglich zwischen 15 und 25 Kilometern gelaufen – immer so, dass der Puls nicht zu hoch ging.“ Mit Laufuhr und Smartphone-App dokumentierte er seine Fortschritte. Vier Wochen vor Ulm legte er den „Feinschliff“ an: Am Computer entwarf er einen genauen Wochenplan, abgestimmt auf den Wettkampf.

Auch seine Ernährung stellte er um. Haferflocken, Reis, Magerquark – viel Eiweiß und Kohlenhydrate. „Das war nicht immer ein kulinarischer Genuss, aber effektiv.“ In der Woche vor dem Start intensivierte er das „Carboloading“, um die Energiespeicher optimal zu füllen. Dazu kamen seine üblichen kleinen Rituale: jeden Tag ein weich gekochtes Ei, dazu ein frisch gepresster Gemüse-Fruchtsaft.

Als am letzten Septemberwochenende in Ulm der Startschuss fiel, war Großmann bereit. 15.000 Läuferinnen und Läufer hatten sich angemeldet, die Stimmung war großartig. In seiner Altersklasse M80 war er der einzige Starter – und damit automatisch auch Erster. Mit 6 Stunden, 10 Minuten und 1 Sekunde erreichte er schließlich das Ziel. Platz 851 insgesamt. „Am Anfang war ich etwas zu schnell“, gibt er zu. „Darum habe ich später immer wieder Gehpausen eingelegt. Aber mein Ziel war klar: durchkommen.“

Nach dem Lauf sei er „ziemlich erschöpft“ gewesen. Eine Woche gönnte er sich zur Regeneration. Ob er noch einmal antreten wird? Großmann bleibt gelassen: „In meinem Alter plant man nicht mehr so langfristig“, sagt er mit einem Schmunzeln. Eigentlich hatte er ursprünglich den Münchner Marathon im Oktober im Visier. Doch eine längst gebuchte Reise mit seiner Golfgruppe nach Andalusien kam dazwischen. „Golfen unter der Sonne – das ist doch auch Bewegung“, sagt er augenzwinkernd.

 

„Bewegen, bewegen, bewegen“

Dass er auch mit 82 Jahren fit und beweglich ist, führt er auf sein konsequentes Training zurück. „Ich laufe mein ganzes Leben, und meine Gelenke haben nie Probleme gemacht.“ Auch sein Herzschrittmacher sei kein Hindernis. „Der springt nur an, wenn der Puls zu niedrig wird. Beim Laufen ist das selten der Fall.“

Seine Devise ist schlicht und klar: „Bewegen, bewegen, bewegen.“ Für ihn ist das der Schlüssel zu Gesundheit und Lebensfreude. Und mit dem Einstein-Marathon in Ulm hat er einmal mehr bewiesen, dass sich selbst große Ziele erreichen lassen – auch jenseits der 80.