Wir sind hier nicht in Pompeji. Nach den Kelten muss man graben, um an ihre Geschichte zu kommen“, erklärt Tanja Breitenbücher vom Heidengrabenzentrum. Bei fruchtigem Täles-Secco und einer Eigenkreation Bierstängel mit handgezupftem Thymian von Albverführer Bernd Kühfuß aus Großbettlingen erklettert die bunte Genuss-Wandertruppe den „Draufsicht-Turm“. Breitenbücher sagt: „Was für eine Metropole! Wir stehen hier mitten in der Stadt und sehen – erst mal gar nichts.“ Mit einer unglaublich lebendigen Körpersprache, Leidenschaft und Wissen pur schubst die Germanistin und Historikerin ihre Heidengraben-Kelten vom Elfenbein-Sockel und stellt sie in einen eigenständigen Lebensraum.
Stationen des Kelten-Erlebnispfades
„Wir haben als Wissenschaftler keine Wahrheit. Was wir wissen, ist wahrscheinlich“, erklärt sie. Auf der Suche nach neutralen Fakten müsse die römische Sichtweise abgezogen werden. Der Kelte selbst habe sich nicht als Kelte definiert, sondern als Mitglied eines Stammes mit komplexen Strukturen. Was die Besucher an den Stationen des Kelten-Erlebnispfades vor sich sehen und im Hörspiel erfahren, liegt archäologisch konserviert 25 Zentimeter unter dem Boden.
14 Meter breit war die Prachtstraße, die vom Albaufstieg bei Erkenbrechtsweiler mit imposantem Torzugang Richtung Hülben führte. Bewusst vorbei an der seinerzeit schon historischen Nekropole, eine Begräbnis- und Kultstätte mit 60 Grabhügeln. Genau an dieser Kultstätte errichtete ein Stamm mit hochstehender Handwerkskultur das größte Oppidum auf dem europäischen Festland mit enormer Strahlkraft. „Die Kelten hier waren ein naturverbundenes, teils esoterisches Volk. Sie haben hier bewusst Geschichte geschrieben“, erklärt Tanja Breitenbücher und träumt von einem „Irish-Crossover-Festival“ – ein Fest zu Ehren der Vorfahren, die mit den Göttern in der Anderswelt wohnen.
Die Kelten waren Genießer
Der Normal-Kelte, so lässt sich aus dem Mageninhalt einer Moorleiche von der Heuneburg bei Riedlingen ableiten, ernährte sich gerne von Eintopf, einem Gemenge aus Graupen, Urgetreide, Erbsen und energiereicher Fleischeinlage. Geröstete Malzkörner lassen auf Met schließen. Zumindest die Herrschaft dürfte bei Festen vergorenen Getränken zugesprochen haben. „Die Kelten waren Genießer“, betont Tanja Breitenbücher, „das zeigen ihre kunstvollen Kultgegenstände.“ Sie kannten Honig als seltene Süßigkeit, Alblinsen und römischen Wein, Milchprodukte, Käse, Wurzelgemüse, Obst, Nüsse und Wiesenkräuter sowie gerauchte und gepökelte Fleischwaren. „Die Kelten sind für ihre Salzproduktion berühmt und sie haben eine ausgeprägte Landwirtschaft betrieben.“
Zum Picknick beim Heidengrabenzentrum wird den Genuss-Wanderern feiner Alblinsen-Salat serviert, samt Informationen über die lange Brautradition der kargen Gegend. Bernd Kühfuß kredenzt Büffelkäse von den „Urviechern, die Alb-Cowboy Willi Wolf vor einem Vierteljahrhundert hier wieder heimisch gemacht hat“. Seine Bio-Brühwurst von der Alb mit wildem Thymian, das selbstgemachte Kräutersalz und der Kräutersenf der Prägung richtig scharf erzählen typisch regionale Geschichten.
Zentrum wird Biosphärenpartner
Nah dran an den Kelten ist der Saft der faustgroßen Schweizer Wasserbirne, die der Albverführer an der „Brille“ mit Blick auf die Wehranlage Hohenneuffen einschenkt. „Das Heidengrabenzentrum wird demnächst Biosphären-Partner“, freut sich Tanja Breitenbücher. Von der Metzinger Hofsteige ist der Secco, der zum Tages-Ausklang im Heidengrabenzentrum den Sirup aus getrocknetem Holunder und Lindenblüten veredelt.
Die Wiederholung des Genussspaziergangs durch die Zeit der Kelten auf dem Heidengraben ist für den Herbst geplant. „Ziel des Projekts ist es, für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, was die Wissenschaft längst weiß. Es ist wichtig, die Menschen gezielt über touristische Anreize abzuholen und für die keltische Geschichte zu interessieren. Wir versuchen, ein Spiegel der Region zu sein“, sagt Tanja Breitenbücher.