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Erster Wolf in Esslingen gesichtet

Nachweis Bilder einer Fotofalle zeigen ein einzelnes Tier, das am 11. Juni auf der Gemarkung der Stadt abgelichtet wurde. Experten sprechen von einem eindeutigen Nachweis. Woher das Tier kam und ob es inzwischen weitergewandert ist, bleibt offen.

Esslingen. Quer durch Europa haben sich in jüngerer Zeit verstärkt wieder Wölfe gezeigt – seit 2015 wurden einzelne Tiere an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg beobachtet. Nun wurde erstmals auch im Landkreis Esslingen wieder ein Wolf gesichtet – und das nicht etwa in einsameren Gegenden Richtung Schwäbische Alb, sondern auf der Gemarkung der Stadt Esslingen. Zwar nicht im bewohnten Gebiet, aber zumindest in der Peripherie. Wo genau das Tier sich zeigte, wollte das baden-württembergische Umweltministerium am Dienstag nicht verraten, um keine Schaulustigen anzuziehen. Als gesichert gilt jedoch: Bilder einer Fotofalle, die bereits am 11. Juni aufgenommen worden waren und nun ausgewertet wurden, zeigen einen Wolf. Fachleute der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg haben die Aufnahmen begutachtet. Die dortigen Experten bewerten die Bilder als eindeutigen Nachweis, dass ein Wolf in Esslingen gesichtet wurde.

„Grundsätzlich stellen Wölfe keine Gefahr für den Menschen dar“, betont das Umweltministerium auf seiner Webseite. „Wölfe kommen nur in sehr geringen Dichten vor und vermeiden als vorsichtige Tiere gewöhnlich eine direkte Begegnung mit Menschen. Da sie Menschen bereits über große Distanzen wahrnehmen, ist eine Begegnung zwischen Mensch und Wolf daher auch in Wolfsgebieten eine Seltenheit.“ Hinweise auf Wölfe werden nach festen Kriterien bewertet. Bei dem Tier, das auf Esslinger Gemarkung gesichtet worden war, sprechen die Experten von einem sogenannten C1-Nachweis, der dann vorliegt, wenn die Anwesenheit eines Wolfes zweifelsfrei bestätigt wurde. Genetische Untersuchungen ermöglichen es im Idealfall, verschiedene Wölfe zu unterscheiden.

Bei Nachweisen über Foto- oder Filmaufnahmen – wie sie im Esslinger Fall herangezogen wurden – ist eine Individualisierung nicht möglich. „Ob sich das Tier nach wie vor in der Region aufhält oder ob es weitergewandert ist, ist nicht bekannt“, heißt es im Umweltministerium. Die Nutztierverbände sowie die Wildtierbeauftragten der Region seien über die Wolfssichtung im Kreis Esslingen informiert worden. Auf die Zuständigkeit des Wildtierbeauftragten beim Landkreis verweist auch die Esslinger Stadtverwaltung – genauere Informationen lagen am Dienstag im Rathaus nicht vor. Bislang hatten Fachleute den Landkreis Esslingen mit Blick auf Wölfe nicht unbedingt im Fokus. Die Stadt Esslingen liegt außerhalb der Fördergebiete für Wolfsprävention im Schwarzwald und im Odenwald. Innerhalb dieser Fördergebiete unterstützt das Land die Anschaffung und den Unterhalt von Weidezäunen und Herdenschutzhunden.

Nach wie vor zählt der Wolf in Deutschland zu den gefährdeten und daher streng geschützten Tierarten. Gleichzeitig stellen Wölfe aber auch eine Bedrohung für Weidetiere dar. In Deutschland galt der Wolf lange Zeit als ausgestorben – erst seit der Jahrtausendwende kehrt er zurück. Heute leben in Europa etwa 14 000 Wölfe. „Dass sie in der Nähe von Siedlungen gesehen werden, gehört in vielen Ländern Europas zur Realität“, weiß die Umweltstiftung WWF Deutschland. „Wölfe meiden zwar den Menschen, nicht aber menschliche Strukturen.“ Allein in Deutschland lebten 2022 nach Schätzungen des WWF 161 Wolfsrudel, 43 Wolfspaare und 21 sesshafte Einzelwölfe – die meisten in den östlichen Bundesländern.

In Baden-Württemberg waren Wölfe zuletzt vor allem am Schluchsee, aber auch in Laichingen und Baiersbronn gesichtet worden, im März auch in Forbach im Nordschwarzwald, in Weil der Stadt (Kreis Böblingen) und St. Blasien. Manche der Tiere konnten einem Schneverdinger Rudel aus Niedersachsen zugeordnet werden, ein Totfund bei Laichingen dagegen einer alpenländischen oder italienischen Population. Nähere Informationen über die Herkunft des bei Esslingen gesichteten Wolfs liegen derzeit nicht vor. Beobachtungen mit Verdacht auf Wölfe sollten der Freiburger Forschungsanstalt gemeldet werden. Alexander Maier