Musik
Erwachsen zurück in der Schülerrolle

Zwischen 40 und 70 Jahre alt sind die 23 Schülerinnen und Schüler der neuen Bläserklasse des Musikvereins Notzingen-Wellingen. 

Ein neues Instrument lernen die 23 Musikerinnen und Musiker der besonderen Bläserklasse des Musikvereins Notzingen-Wellingen beim einjährigen Projekt im Erwachsenenalter. Foto: Markus Brändli

Donnerstagabend in der Notzinger Gemeindehalle: Auf der Bühne proben 23 Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Dirigent Thomas Ringhoffer. Es ist die dritte Runde für die neue Bläserklasse für Erwachsene, die der Musikverein Notzingen-Wellingen als einjähriges Projekt ins Leben gerufen hat. Mit der Notzinger Grundschule kooperiert der Musikverein seit Längerem für eine Bläserklasse in den Klassenstufen drei und vier. Jetzt haben auch Erwachsene die Gelegenheit, endlich das Instrument zu lernen, das ihnen teils schon seit der Jugend im Kopf herumspukt. Manche aus der Gruppe beherrschen bereits weitere Instrumente, für andere ist es das erste überhaupt.

Koordination will gelernt sein

Ein blutiger Anfänger ist Markus Wehrend aus Notzingen. Der 44-Jährige hat sich für das Saxophon entschieden. „Als Kind habe ich mal auf dem Glockenspiel herumgeklimpert, das war es dann aber auch schon. Ich fange von Grund auf an, muss erstmal die Noten lernen und das mit der Koordination beim Umgreifen auf dem Saxophon hinbekommen“, sagt Markus Wehrend und lacht. „Das ist ein bisschen wie beim Jive tanzen mit meiner Frau, da war die Koordination bei den Schrittfolgen auch nicht so leicht.“ Die Töchter des 44-Jährigen spielen im Musikverein und helfen dem Papa bei seinen ersten musikalischen Schritten, die Söhne sind in der Grundschule in der Bläserklasse: „Ich finde es schön, jetzt auch ein Instrument zu lernen und irgendwann mit ihnen zusammen spielen zu können.“

Auf den Notenständern steht die Probenlektüre. Tonfolgen im Fünf-Ton-Bereich stehen auf dem Programm, die nach und nach vom Umfang und der Schwierigkeit her gesteigert werden. Dazwischen klingt es auch mal etwas schief, insgesamt schlagen sich Thomas Ringhoffers Schülerinnen und Schüler aber schon richtig gut. Vertreten ist eine große Bandbreite an (Holz-)Blasinstrumenten von der Querflöte und Klarinetten über Saxophone, Oboe und Fagott bis hin zur tiefen Tuba. Dabei sind außer der Reihe ein Cello, ein Schlagzeug und ein E-Bass, ausgewählt und ausprobiert am Infoabend für die Bläserklasse. Deren Mitglieder stammen zum Großteil aus dem Ort, kommen aber auch aus umliegenden Städten und Gemeinden wie Ötlingen, Owen, Weilheim, Schlierbach, Dettingen oder sogar Göppingen nach Notzingen. Weil es Angebote dieser Art für Erwachsene nicht so häufig gibt. 

„Die Idee, eine Bläserklasse für Erwachsene anzubieten, kam über Tobias Wegele, den Dirigenten unseres Stammorchesters. Er hat das vor mehreren Jahren schon mal in Ottenbach als Projekt umgesetzt“, erzählt Thomas Ringhoffer. Auch in Esslingen gäbe es die Option, „aber nicht wie bei uns über ein ganzes Jahr.“ Bei Erwachsenen erhöhe sich das Instrumenten-Spektrum für die Bläserklasse, „weil sie zum Beispiel von der Körpergröße her mehr Auswahl haben als Kinder“, so der Dirigent. Zusätzlich zur wöchentlichen gemeinsamen Probe steht der Instrumentalunterricht einzeln oder in Kleingruppen an. „Das Projekt war wirklich ein Schuss ins Blaue, mit so einer hohen Resonanz hätten wir nicht gerechnet.“

Instrument im Ruhestand lernen

Franz Aschenbrenner kommt mit seiner Tuba, dem tiefsten der Blechblasinstrumente, extra aus Göppingen nach Notzingen. Der 68-Jährige hat früher Harmonika und Horn gespielt: „Das war vor 45 Jahren. Im Berufsalltag ist das dann in den Hintergrund gerückt. Jetzt habe ich die Zeit und die in der Gruppe die Gelegenheit, endlich Tuba spielen zu lernen. Damit habe ich schon lange geliebäugelt.“ Für die tiefen Töne müsse er die richtige Atmung noch üben. Die gleichaltrige Anita Dotschkal aus Owen hat sich für die Klarinette entschieden, in der Kindheit und Jugend hat sie Flöte und Gitarre gelernt. „Ich mache das für mich, weil ich Zeit habe und es richtig Spaß macht.“ Das bestätigt Petra Einwachter aus Ötlingen, die sich mit dem Saxophonunterricht einen lang gehegten Traum erfüllt hat: „Mir gefällt der Klang richtig gut, ich finde das Saxophon cool und höre die Musik gerne. Fagott hatte ich mir auch überlegt, dafür sind meine Finger aber irgendwie zu kurz“, so die 52-Jährige lachend, „man lernt hier auch neue Leute kennen, das ist toll.“ 

Das Fagott wurde es bei Regina Prell (51) aus Notzingen: „Es hat einen großen Tonumfang. Dadurch sind viele Griffe zu üben, das ist schon eine Herausforderung. Nach der Blockflöte wollte ich früher eigentlich Oboe spielen, habe es dann aber nicht gemacht.“ Das Orchester sei wieder ein bisschen „Schulklassen-Feeling“, findet die Lehrerin. Ebenso wie Bettina Bosch (Schlagzeug) und Anke Friederich (Trompete), ebenfalls aus Notzingen. Letztere hat Musik auf Lehramt an der PH studiert und beherrscht verschiedene Instrumente. „Meine Tochter spielt Trompete, da dachte ich, das wäre mal was“, sagt die neu gewählte Gemeinderätin. Bei Bettina Bosch steht das Schlagzeug der Söhne zum Üben zuhause bereit: „Für mich war klar, dass es das wird.“