Im Herbst 2021 stürmten einige Dutzend erzürnte Streuobstwiesenbesitzer in die Oktober-Sitzung des Wendlinger Gemeinderats. Der Hintergrund: Sie hatten kurz zuvor Post von der beim Landratsamt ansässigen Unteren Naturschutzbehörde erhalten mit der Anweisung, illegale Bauten, darunter auch ihre Geräteschuppen, die sich auf ihren „Stückle“ im Landschaftsschutzgebiet befinden und die nach 1992 errichtet wurden, abzubauen.
Die verärgerten Wiesenbesitzer bündelten ihren Protest und gründeten die Interessengemeinschaft Streuobst (IGO), die Mitte Dezember vergangenen Jahres eine Petition gegen dieses ihrer Ansicht nach unerhörte Ansinnen beim Landtag einreichte. Unterschrieben hatten 45 Betroffene sowie 1166 Unterstützer. Das Thema betrifft aber eigentlich die ganze, von offizieller Seite gerne als „Schwäbisches Streuobstparadies“ vermarktete Region. Nun kommt ein bisschen Bewegung in die Sache.
So lud kürzlich die Kommission des Petitionsausschusses des Landtags unter dem Vorsitz des Kirchheimer Landtagsabgeordneten Andreas Kenner (SPD) alle Beteiligten zu einer Anhörung ein. „Es verlief erfreulich sachlich“, sagte Kenner, der seit 2016 stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses ist. Einer der Hauptkritikpunkte der IGO ist, dass die Politik den Menschen, die die Streuobstwiesen pflegen, zu wenig entgegen komme. Als Gegenleistung für das „Heidengeschäft“ lediglich ein paar Äpfel zu bekommen, sei zu wenig, bekräftigte Hermann Sommer, selbst Betroffener und von der IGO damit beauftragt, die Petition einzureichen. Es müsse auch drin sein, dass man sich nach getaner Arbeit gemütlich auf sein „Stückle“ setzen, eine Wurst grillen und ein Feierabendbier trinken könne.
Doch genau da liegt der Knackpunkt: Laut einer Verordnung sind in einem Landschaftsschutzgebiet alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Einige Beispiele: Das Lagern von Gegenständen und Abfällen, das Aufstellen von Wohnwagen oder Verkaufsständen oder die Errichtung von Einfriedungen und von baulichen Anlagen im Sinne der Landesbauverordnung – alles nicht erlaubt. „Ich hatte anfangs das Gefühl, dass bei uns in Wendlingen ein Exempel statuiert werden soll“, erklärte Sommer – deswegen reklamierte die Petition zudem auch eine Ungleichbehandlung: Denn nicht alle Wendlinger Stücklesbesitzer, die im Landschaftsschutzgebiet ansässig sind, seien angeschrieben worden. „Es gibt viel schlimmere Missstände als bei uns“, sagte Sommer.
Bleibt es bei den geltenden Regelungen, sieht Sommer schwarz für die Zukunft der Streuobstwiesen: „Viele überlegen schon, ob sie überhaupt noch neue Bäume setzen sollen. Sie sagen, ohne Hütte für Gerätschaften mache ich das nicht mehr.“ Immerhin: Nach der Anhörung zeigte sich Sommer zufrieden: „Es scheint etwas Bewegung in die Sache zu kommen.“
Andernorts wird die Situation in Wendlingen mit Argusaugen beobachtet. „Die Abmahnungen seitens des Landratsamtes waren sicher teilweise in Ordnung. Sie treffen aber auch Geräteschuppen, die ein bisschen zu groß geraten sind“, sagt Oliver Galle, der Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Ostfildern-Kemnat und selbst Stücklebesitzer. „Zur Pflege braucht man Equipment, und das immer von A nach B zu fahren, machen die wenigsten“, so Galle. Vor allem bei den jüngeren Leuten, die letztlich die Zukunft der Streuobstwiesen sichern müssten, sei dann jedes Engagement schnell verpufft. Viele wüssten zudem nicht, welchen rechtlichen Status ihre Wiese besitze. Oft gebe es bei der Übernahme von „Omas Wiesle“ ein böses Erwachen, wenn eine Schaukel an einen Apfelbaum soll.