Roswitha Boiger strahlt. Die Überraschung ihrer Freundinnen ist gelungen. Anlässlich des 84. Geburtstags der Wernauerin vor wenigen Tagen steht an diesem sonnigen Nachmittag ein besonderer Ausflug an: Es geht ab Notzingen auf eine Esel-Kutschfahrt mit Helena Hoss, ehemals Kiltz. „Das wollte ich schon immer mal machen, das ist doch was Besonderes mit den Eseln. Bisher habe ich höchstens eine Kutschfahrt mit Pferden gemacht", erzählt die Wernauerin, die für die beiden vierbeinigen Hauptakteure des Ausflugs, die Esel Siri und Pedro, extra zwei Karotten zur Belohnung mitgebracht hat.
Die illustre, internationale Damenrunde – mit Roswitha Boiger, Katharina Kiss-Müller, Ludmila Horak, Helena Sommer und Ursula Strate sind es fünf von eigentlich neun Damen an diesem Nachmittag – bezeichnet sich selbst als die „Galerie-Damen“. „Wir kennen uns seit 1980. Der Name kam zustande, weil uns von Anfang an unser gemeinsames Interesse für Kunst und Kultur verbunden hat. Wir haben schon viele Ausstellungen gemeinsam besucht und auch bei der Volkshochschule an Vorträgen zu Malern und der Malerei an sich teilgenommen", erklärt Katharina Kiss-Müller aus Kirchheim, die die Kutschfahrt federführend organisiert hat.
Internationale Frauen-Runde
Sie selbst stammt aus Budapest und hat als Diplom-Ingenieurin gearbeitet, weitere Mitglieder der Gruppe stammen ursprünglich ebenso aus Ungarn, aus Rumänien, Tschechien und Kroatien und haben als Ingenieurinnen, Künstlerin, Kunsthistorikerin, Übersetzerin, Architektin und Lehrerin gearbeitet. „Zu uns gehörte auch eine Französin aus Paris, die Fotografin war. Sie ist leider bereits verstorben“, ergänzt Katharina Kiss-Müller. Man habe sich Anfang der 80er-Jahre über verschiedene Ebenen kennengelernt, sei es das berufliche Umfeld, über die Kinder, den Sport oder eben jenes große Interesse für Kunst und Kultur. Daraus ist eine Freundschaft entstanden, die bis heute anhält.
Seither sind die „Galerie-Damen“, die mittlerweile alle im Rentenalter sind, regelmäßig miteinander unterwegs. Ob auf Ausstellungen innerhalb Deutschlands oder zu Besuch in den Heimatstädten und -ländern der Gruppenmitglieder. Das Faible der Stuttgarterin Ursula Strate ist die Musik. Sie war viele Jahre Vorstandsmitglied beim „Stuttgarter Liederkranz“ und singt seit 50 Jahren im Chor.
Gemeinsam mit Katharina Kiss-Müller hat sie in deren Heimatstadt Budapest ein Wohltätigkeitskonzert in der Mátyás Templom, der Matthiaskirche, organisiert. „Das ist die Kirche, in der die Krönung des österreichischen Kaiserpaars Franz Josef I. und Elisabeth – Sisi – zum ungarischen Königspaar stattfand", erzählt Ursula Strate. Die Einnahmen des Wohltätigkeitskonzerts spendeten die Damen für die Renovierung der Kirche.
Die Kunst ist es auch, die das Geburtstagskind Roswitha Boiger beruflich und bis heute privat immer begleitet hat: „Ich habe früher unter anderem ein Jahr lang Vorlesungen der Kunstgeschichte an der École du Louvre in Paris besucht, der Schwerpunkt war die Europäische Malerei des 18. Jahrhunderts. Zwei Jahre lang habe ich dann auch in Venedig gelebt und dort Führungen zur Kunstgeschichte gemacht“, erzählt die 84-Jährige, die in Esslingen geboren und aufgewachsen ist.
Lehrerin mit Faible für Esel
Auf die Idee, eine Esel-Kutschfahrt zu machen, kam Katharina Kiss-Müller durch ihre Enkelinnen, die bei Helena Hoss und ihren vier Eseln mithelfen und reiten. Eine der beiden hat selbst den Kutsch-Führerschein gemacht, denn Helena Hoss hat seit sechs Jahren einen Trainerschein. Die 28-Jährige ist Gymnasiallehrerin in Backnang und dennoch täglich bei ihren vier Eseln in Notzingen beschäftigt.
Wenn nicht gerade Kinder oder Erwachsene zu einer Kutschfahrt vorbeikommen, ist Helena Hoss selbst mit Pedro, Siri, Artus und Lora auf Tour, immer wieder auch in der Region. „Wir waren zum Beispiel schon beim Pferdemarkt in Bernhausen und Geislingen oder auf einem Wanderritt zur Zachersmühle in Adelberg im Kreis Göppingen. Dort hat es auch Esel und es gibt sogar ein Esel-Trekking-Angebot", erzählt die 28-Jährige. Mit der bestens gelaunten Damenrunde geht es an diesem Tag auf eine gut einstündige Fahrt von Notzingen über die Felder in Richtung Wernau und wieder zurück.