Führt eine Verpackungssteuer dazu, dass weniger Einwegverpackungen genutzt werden? Oder, globaler gefragt: Können finanzpolitische Maßnahmen sozial erwünschtes ökologisches Verhalten herbeiführen? Dieser kniffligen Problemstellung ist ein Team aus Studenten des Fachgebiets für nachhaltige Entwicklung und Wandel an der Universität Hohenheim nachgegangen. Im Rahmen einer kleinen Beobachtungsstudie haben die jungen Leute das Konsumverhalten in Tübingen und Esslingen miteinander verglichen. Die Einwohnerzahl beider Städte liegt bei knapp 100 000, auch das Flair schien den jungen Leuten einigermaßen vergleichbar. Der entscheidende Unterschied: In Tübingen wurde im Januar 2022 eine Verpackungssteuer für Speisen und Getränke zum Mitnehmen eingeführt, in Esslingen gibt es dies nicht.
Beobachtet wurden jeweils drei Betriebe, ein Café und zwei Imbisse, über einen Zeitraum von jeweils einer Stunde. Die Kundschaft ahnte in beiden Städten nicht, dass sie unter Beobachtung stand.
Natürlich kann eine solche Alltagsbeobachtung nur ein einzelner Bestandteil einer wissenschaftlichen Untersuchung sein. „Hier spielen einzelne Beobachtungen, die wir subjektiv wahrgenommen haben, auch eine Rolle“, räumt Claudia Schulz ein, eine der vier Studierenden. Bestimmt wurden im Vorfeld vergleichbare Parameter. So fokussierte sich das Kleeblatt jeweils auf einen Beobachtungszeitraum von einer Stunde pro Betrieb, und zwar in den jeweiligen Stoßzeiten. „Die Imbisse haben wir zur Mittagszeit beobachtet, die Cafés am Nachmittag“, erläutert Lisa Burgstaller. Jeweils ein Befragungstandem aus zwei Personen war unterwegs. So sollte möglichst große Objektivität garantiert werden, da die Beobachtungen gegenseitig überprüft werden konnten.
Mehr Mehrweg in Tübingen
Hervorstechendes Ergebnis: Tatsächlich haben in Tübingen signifikant mehr Personen Mehrweg-Verpackungen genutzt als in Esslingen. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass sich die extrem von Studierenden geprägte Einwohnerschaft in Tübingen generell ökologischer verhalten könnte als die Esslinger Bürgerschaft.
Anders als zu Beginn vermutet, hatte weder das Alter noch das Geschlecht einen erkennbaren Einfluss auf nachhaltiges Verhalten. „Ursprünglich lautete die Hypothese, dass junge Erwachsene ein höheres Bewusstsein für Nachhaltigkeitsprobleme haben“, erläutert Jasmina David. Ebenso gibt es Studien, die nahelegen, dass Frauen generell eher zu nachhaltigem Verhalten neigten als Männer. Beides konnte vor Ort nicht bestätigt werden. Eher lässt sich vom Tübinger Beispiel ableiten, dass die Steuer unabhängig von Alter und Geschlecht gewisse Erfolge erzielte.
„Ergänzend haben wir auch Ladenbesitzer vor Ort befragt, um ein Gesamtbild der Meinungen über Wirkung und Akzeptanz der Verpackungssteuer zu erzielen“, sagt David Strifler. Die Gespräche wurden ohne Antwortvorgaben geführt. Die Befragung ergab speziell in Tübingens Imbissen eher Frustration aufgrund der Steuer. Vor allem deshalb, weil die Kundschaft offenbar ihren Unmut an den Verkäufern ausließen und nicht die Stadt als Initiatorin der Steuer erkannte. In den Cafés fiel die Zustimmung größer aus. Speziell das Recup-System für Kaffeebecher wurde als alltagstauglich bewertet. Zwar müssten die Becher gespült werden, was jedoch dank der Industriespülmaschinen ein vertretbarer Aufwand sei.
In Esslingen musste sich das Interview auf Verpackungsmüll durch Nutzung von To-go-Angeboten beziehen, da es hier keine Steuer gibt. In den Cafés war die Einstellung gegenüber dem Stadtbecher zur Wiederverwendung eher positiv und wurde auch als einigermaßen erfolgreich eingeschätzt. Den Becher gibt es seit 2018 in zwei Größen für zwei Euro Pfand. Ein Bäcker hatte selbstständig zusätzliche nachhaltige Systeme eingeführt wie etwa den Verkauf von Tüten mit Backwaren vom Vortag.
Mehrweg beschäftigt nicht alle
Die Befragung zweier Imbiss-Besitzer in Esslingen beschreiben die Studierenden allerdings als „ernüchternd“. Bei der Frage nach Mehrweg-Verpackungen wurden sie in einem Betrieb belächelt. Auf Mehrweg-Alternativen oder die Möglichkeit, eigenes Transportgeschirr mitzubringen, stießen sie nicht.
Die Studentengruppe kommt zu dem Schluss: „Tübingens Verpackungssteuer kann als positives Beispiel für den Einsatz finanzpolitischer Maßnahmen, um nachhaltigeres Verhalten zu bewirken, beurteilt werden.“ Finanzpolitische Maßnahmen haben nach Meinung des Teams durchaus Auswirkungen auf ressourcensparenden und bewussten Konsum. Sie können positiv zu nachhaltigem Wandel beitragen und sollten deshalb bundesweit umgesetzt werden, empfehlen die Studierenden. Um eine breitere Akzeptanz zu erreichen, sollten vergleichbare Maßnahmen immer in Kooperation mit der Bürgerschaft und den Ladenbesitzern erarbeitet werden. ist
Die Verpackungssteuer im Fokus
Ziel der Studie der Studenten Jasmina David, Lisa Burgstaller, Claudia Schulz und David Strifler ist es, die Auswirkungen finanzpolitischer Maßnahmen auf nachhaltigen Wandel zu untersuchen. Im Fokus steht die Steuer auf Einwegverpackungen, die Tübingen im Jahr 2022 eingeführt hat. Der Vergleich erfolgt mit Esslingen, wo keine Verpackungssteuer existiert.
Die Verpackungssteuer in Tübingen beinhaltet 50 Cent für Einweg-Verpackungen wie To-go-Becher oder Schalen sowie 20 Cent auf Einwegbesteck bei Verzehr außer Haus. Durch die Maßnahme sollen einerseits Ressourcen geschont werden, nicht zuletzt aber auch die Mülleimer in der Innenstadt entlastet werden, um Kosten für die Müllentsorgung zu sparen.
Nachhaltiger Konsum beruht, wie man heute weiß, auf vielen Aspekten. Eine zu hohe Verpackungssteuer kann das Gegenteil bewirken, nämlich dann, „wenn sich Menschen durch zu hohe Preise bevormundet fühlen“, sagt David Strifler. Der Einsatz kleiner Geldbeträge unterstrich die moralische Motivation, die wiederum das eigene Selbstbild positiv beeinflusst. ist