Bezahlbarer Wohnraum
Esslingen will künftig eigene Wohnungen bauen – „Situation ist sehr angespannt“

Der Bedarf an günstigem Wohnraum steigt stetig, doch das Angebot sinkt. Mit dem Bau städtischer Wohnungen will man in Esslingen die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt abmildern.

In der Esslinger Alleenstraße hat die EWB vor wenigen Jahren insgesamt 70 günstige Mietwohnungen gebaut. Der Bedarf an Sozialwohnungen ist aber weiterhin hoch.  Foto: Roberto Bulgrin

Wer in Esslingen eine günstige Wohnung sucht, hat schlechte Chancen. Bezahlbaren Wohnraum gibt es hier viel zu wenig – und das, obwohl der Bedarf stetig steigt. Seit Jahren schon ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt sehr eng, eine Entspannung ist nach wie vor nicht in Sicht. Nun will sich die Stadt neu organisieren, um künftig mehr städtische Wohnungen bauen und zu günstigeren Preisen vermieten zu können. Einer städtischen Wohnbaugesellschaft erteilt sie jedoch eine Abfuhr.

Dabei kommt im Esslinger Gemeinderat immer wieder mal der Wunsch auf, die Wohnbau Stadt Esslingen GmbH (WSE) zu reaktivieren. Diese existiert seit Anfang der 1990er, ist aber laut Stadtverwaltung seit Jahren faktisch inaktiv und hält lediglich einen Restbestand von sechs Wohnungen. Ende des vergangenen Jahres hatte die Fraktion der Grünen beantragt, die brachliegende WSE wieder aufzupäppeln zu einer funktionierenden Wohnbaugesellschaft, die den städtischen Wohnungsbau vorantreiben solle. Im Rathaus hält man jedoch nicht viel davon.

Sozialwohnungen unter dem Dach eines Eigenbetriebs

Stattdessen schlägt die Stadtverwaltung eine andere Lösung vor. So sei eine eigene Abteilung innerhalb des Eigenbetriebs Städtische Gebäude Esslingen (SGE) viel geeigneter als eine Wohnbaugesellschaft, um den Bestand an städtischen Wohnungen auszubauen. Denn eine GmbH bedeute einen höheren Verwaltungsaufwand, weil etwa eine eigene Geschäftsführung, eine Buchhaltung und ein Wirtschaftsprüfer notwendig seien. Zudem müsse ein eigener Personalbestand für die Gesellschaft aufgebaut werden – und die Förderquoten für Wohnbauprojekte seien geringer als bei kommunalen Eigenbetrieben.

Mehr städtische Wohnungen auf dem Esslinger Wohnungsmarkt hingegen hält man auch im Rathaus für sinnvoll. Gunnar Seelow, Leiter der Stabsstelle Wohnen, betonte in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Kultur, Sport und Soziales (KSA): „Die Situation ist sehr angespannt.“ Die Zahl der Haushalte in der Notfallkartei, also die Liste der Haushalte mit Wohnberechtigungsschein, sei innerhalb eines Jahres um 25 Prozent gestiegen – nämlich von 357 im Jahr 2023 auf 446 in 2024. „Und es ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen“, so Seelow. Zumal die Zahl der günstigen Wohnungen mit Sozialbindung permanent abnehme. „Die Schaffung von städtischem Wohnungsbestand ist ein ganz wichtiges Element für mehr bezahlbaren Wohnraum“, glaubt Seelow.

Eigenbetrieb verwaltet bereits 145 Wohnungen

Allerdings sei es am sinnvollsten, die städtischen Wohnungen in der SGE anzusiedeln, so der Leiter der Stabsstelle Wohnen. Auch, weil der Gesetzgeber Kommunen mit dem Förderprogramm „Wohnungsbau BW – kommunal“ dazu bringen wolle, eigenen Wohnungsbestand aufzubauen – den höchsten Fördersatz gebe es aber nur für hundert Prozent kommunale Betriebe. Im Übrigen verwalte die SGE bereits etwa 145 Wohnungen und verfüge daher über alle notwendigen Kompetenzen, etwa in Sachen Mietrecht, Vertragsmanagement oder Nebenkostenabrechnungen.

Zudem könne man über eine sogenannte Spartenrechnung „Wohnen“ innerhalb der SGE Zuschüsse und Förderprogramme zielgerichtet verbuchen und transparent darstellen, welche Erträge und Aufwendungen für den Wohnungsbestand notwendig sind. Und über den Wirtschaftsplan der SGE habe der Gemeinderat weiterhin die Hoheit über den möglichen Bau weiterer städtischer Wohnungen. „Für die Stadt wären eigene Wohnungen besonders gut, weil sie dann bestimmte Gruppen wie etwa Haushalte aus der Notfallkartei direkt bedienen könnte“, betonte Seelow.

Stadträte begrüßen Vorschlag der Stadt

Bei den Mitgliedern des KSA kam der Vorschlag der Verwaltung durch die Bank gut an. „Bezahlbarer Wohnraum ist elementar für das soziale Gefüge in der Gesellschaft“, erklärte etwa Ursula Hofmann, Stadträtin der Grünen. Sie sei dankbar für den kreativen Ansatz der Stadt, mit der neuen Abteilung im Eigenbetrieb SGE eine schlanke Organisation für den Wohnungsbau einzurichten, die hundert Prozent städtisch und hundert Prozent transparent sei. Mit ähnlichen Argumenten lobten auch die Vertreterinnen und Vertreter der anderen Fraktionen und Gruppen das Vorhaben und segneten es einstimmig ab.

Allerdings kam die Frage auf, ob der KSA der richtige Ausschuss für das Thema Wohnbau sei. Auf Antrag der FDP-Fraktionsvorsitzenden Rena Farquhar beschloss das Gremium mehrheitlich, das Thema noch einmal im Ausschuss für Bauen, Mobilität und Klimaschutz vorstellen zu lassen und allumfassend in einer Klausurtagung zu bearbeiten. Wann die Stadt dann tatsächlich weitere Wohnungen baut, ist aber weiter unklar. „Heute geht es nicht um konkrete Wohnbauprojekte, sondern nur um die rechtliche Form für den städtischen Wohnungsbau“, erklärte der Erste Bürgermeister Ingo Rust. „Ob und was genau gebaut wird, entscheiden dann wieder Sie im Gemeinderat“, so Rust.

 

Das Auf und Ab der Wohnbau Stadt Esslingen

Niedergang: Die Wohnbau Stadt Esslingen GmbH (WSE) wurde 1991 gegründet. Geschäftsziel war es, den städtischen Immobilienbesitz zu ordnen und zu entwickeln. Doch im Jahr 2005 war die zu 98 Prozent städtische Tochter zu Grabe getragen worden, weil sie ihren Bestand nicht mehr unterhalten konnte. Die Immobilien der WSE waren an die Esslinger Wohnungsbau (EWB) verkauft worden, die zur Hälfte der Stadt und zur Hälfte der lokalen Wirtschaft gehört.

Wiederbelebung: Obwohl sie faktisch kaum noch aktiv ist, existiert die WSE seit Jahren als rechtliche Hülle weiter. Immer wieder war aus Reihen des Gemeinderats der Wunsch geäußert worden, die WSE als kommunale Wohnbaugesellschaft zu reaktivieren, um die dringend benötigten Sozialwohnungen zu bauen. Von der Stadtverwaltung wurde dies nun erneut abgelehnt.