Plochingen. Kunstsinniger Feingeist, knitzer Schultes, Visionär mit Überzeugungskraft und bunter, humorvoller Kämpfer gegen das graue Einerlei: Der Plochinger Altbürgermeister Eugen Beck ist am Freitag im Alter von 82 Jahren völlig überraschend gestorben. Fast 40 Jahre lang hat er die Stadt am Neckarknie zu dem gemacht, was sie heute ist: ein Eingangstor zum industrialisierten Neckartal, das Arbeitsplätze und Lebensqualität, Gewerbe, Kultur und Natur gleichermaßen miteinander verknüpft.
Auf den ersten Blick hat der Schultes aus Berufung für seine 14 000-Einwohner-Stadt eigentlich immer ein paar Nummern zu groß gedacht. Trotzdem hat er sie alle bekommen: Den österreichischen Künstler Friedensreich Hundertwasser für das letzte große, aber problematisch gelegene Stadtsanierungsprojekt, dessen Innenhof samt Regenturm seit 1994 die Touristen ans Neckarknie zieht. Die Landesgartenschau 1998, mit der sich Plochingen als erste Kleinstadt in Baden-Württemberg den Zuschlag für so ein Event ergatterte. Und zuletzt den elsässischen Autor, Illustrator und Satiriker Tomi Ungerer, der seine bunten Toilettenanlage im Jahr 2007 direkt neben Plochingens ältestem Sakralbau, der Ottilienkapelle, hinsetzte. Und nebenbei hatte er in den 1970er-Jahren auch noch das Rathaus versetzen lassen.
Mit gerade einmal 29 Jahren hatten die Plochingerinnen und Plochinger den gebürtigen Bopfinger 1969 zu ihrem Rathauschef gewählt. Das blieb er bis 2008, als er sich als damals dienstältester Bürgermeister im Land in den Ruhestand verabschiedete. Als „liberaler Pragmatiker auf wertkonservativer Grundlage“ hatte der ehemalige Plochinger Stadt- und Kreisrat sowie Landtagsabgeordnete Gerhard Remppis (SPD) einmal Eugen Beck beschrieben, der fast 40 Jahre für die Freien Wähler im Kreistag saß. Als Visionär, der seine Vorstellungen auch umsetzen und andere davon überzeugen konnte, charakterisiert ihn sein Nachfolger im Rathaus, Frank Buß. Das war oft eine Kernertour: An Hundertwasser arbeitete sich Eugen Beck über Kontakte der niederösterreichischen Partnerstadt Zwettl heran. Ungerer wollte „les toilettes“ mit einem ebenso riesigen wie rosigen Hinterteil krönen. Was die Freigeister bejubelten, Anhänger verschiedener Glaubensgemeinschaften aber vor den Kopf stieß. Der Entwurf wurde entschärft. Beck war Gentleman, verletzen wollte er keinen.
Sein seinerzeit heftig umstrittenes Herzensprojekt, mit der Blümlesparade 1998 seine Stadt wieder an den Neckar zu bringen, ließ er sich über einen Bürgerentscheid absichern. Mittlerweile ist das Naherholungsgebiet Bruckenwasen fest in der Volksseele verankert. Dem Plochinger Beton-Dreieck und dem industrialisierten Fluss wieder ein bisschen Grün abgetrotzt zu haben – das ist der nachhaltigste kommunalpolitische Nachlass von Eugen Beck.
Umso mehr hat es den Plochinger Ehrenbürger getroffen, als der Gemeinderat vor drei Jahren auf dem Bruckenwasen ein siebenstöckiges Punkthaus durchwinken wollte. Das war das einzige Mal, dass er sich als Schultes a. D. in die aktuelle Rathauspolitik einmischte. Am Ende hat seine Überzeugungskraft aber immerhin noch dazu gereicht, dass der Investor auf ein Stockwerk verzichten musste. Claudia Bitzer