Aichelberg. Die Interessengemeinschaft „Kein Gewerbegebiet Aichelberg“ hatte zu einer Infoveranstaltung ins Bürgerhaus Aichelberg geladen. Ziel war es, die Bürgerinnen und Bürger bei ihrer Meinungsbildung zur Bebauung einer rund 14 Hektar großen Fläche an der Autobahn A 8 zu unterstützen, bevor sie am 21. Mai über ein neues Gewerbegebiet in Aichelberg abstimmen dürfen.
Noch seien die Felder nicht komplett im Eigentum der Kommune. Landwirt Michael Gölz aus Eckwälden empfand das grotesk, weil man im Mai über sein Eigentum abstimme. Eine Eigentümerveranstaltung galt der Verwaltung als Stimmungstest, bei der sich anonym zehn Personen von 15 gegen das Gewerbegebiet ausgesprochen hatten. Die Verwaltung versprach, bei einer Ablehnung die Sache auf sich beruhen zu lassen. Genau das Gegenteil sei passiert, man spüre jetzt den sozialen Druck.
Neben Lärmbelästigung, Luftverschmutzung, Flächenversieglung und dem Verlust bedrohter Tierarten stehe der Gewinn der Steuereinnahmen von gerade mal rund 100 000 Euro im Jahr, wie Gastredner, Dr. Thilo Sekol den Anwesenden später vorrechnete, in keinem Verhältnis. Diese Planung entspreche nicht dem langfristigen Allgemeinwohl. Sie reihe sich ein in eine verfehlte Politik, die seit 70 Jahren auf die gleiche Weise wirtschafte: „Unendliches Wachstum in einer endlichen Welt“. Klar behaupte die Verwaltung, dass 13,7 Hektar in Aichelberg den „Kohl nicht fett machten“, aber bei 1100 Kommunen im Land laufe überall ein ähnliches Programm ab, so Thilo Sekol. 17 Hektar in Schwieberdingen bekam Porsche, bei Mundelsheim an der A 81 wurden 20 Hektar bebaut. Auch das neue „Utopia“ bei Korntal/Münchingen sei ein Beispiel für großzügige Flächenversieglung. Das Schlagwort „neue Arbeitsplätze schaffen“ laufe ins Leere bei einem riesigen Arbeitskräftemangel. Zudem gebe es in Weilheim ein großes Gewerbegebiet, da sei eine Konkurrenzsituation vorstellbar. Für ihn sei ein weiteres Gewerbegebiet überflüssig, denn im Landkreis gebe es genug freistehende oder brachliegende vorhandene Flächen, bei denen politische Initiativen gefragt und sinnvoll seien, um die Verfügbarkeit zu erhöhen, bevor man neues Gelände sinnlos versiegle.
Dr. Thilo Sekol, promovierter Betriebswirt und Fachexperte für Wirtschaftlichkeit, untermauerte mit Zahlenbeispielen die Fragwürdigkeit des geplanten Gewerbegebiets. Bei seinem Beispiel von exemplarisch gerechneten Einnahmen von einer Million Euro blieben der Gemeinde nach Abzug aller Kosten und Rücklagenbildung effektiv nur 100 000 Euro netto pro Jahr. Auch der Ankauf von Grund und Boden hinterlasse den Eindruck, als ob die Kommunen „Maklertätigkeiten“ nachgingen, was nicht zu deren originären Aufgaben gehörte. Die Verwaltung konterte, dass man damit Erschließungskosten bezahle.
Wolfgang Daiber, Uhinger Landwirt aus Leidenschaft und früherer Kreisvorsitzender des Bauernverbands, prägte als dritter Redner an diesem Abend den Leitspruch: „Wenn die Landwirtschaft stirbt, stirbt die Landschaft.“ Die Landwirte sicherten eine Nahrungsmittelversorgung. „Auf einer Fläche von 13,7 Hektar wächst das Korn für 14 Millionen Brötchen oder 170 Tonnen Zucker aus Zuckerrüben“, sagte er. Eine Reduktion der Anbaufläche ziehe eine intensivere Nutzung der übrigen Flächen nach sich, was keiner richtig wolle.
Für die Verwaltung hat das Projekt dennoch „Leuchtturmcharakter“. Sie sieht sich in einer „Vorreiterrolle“, denn die Gewerbe seien zur Einhaltung aller Nachhaltigkeitsregeln verpflichtet. Dennoch blieb Dr. Thilo Sekol skeptisch, weil Logistik anders gedacht werden könne, sagte er. Für ihn ist in der Kommunikation etwas falsch gelaufen. Deshalb gebe es eine solche Veranstaltung der Interessengemeinschaft. „Eine genaue Aufstellung ohne Schönfärberei mit Transparenz wäre da wichtig.“ Wolfgang Daiber ergänzte, dass eine kleine Kommune wie Uhingen alles sauber aufgearbeitet habe, als es um das Gewerbegebiet Ebersbach-Uhingen gegangen sei. Die Uhinger Bürger seien immer zeitnah informiert gewesen und entschieden sich zu 73 Prozent schließlich dagegen. Bürgermeisterin Heike Schwarz ließ das nicht auf sich sitzen und fand, dass gerade in Sachen Kommunikation viel gelaufen sei. Helga Single
Info Am Freitag, 28. April, um 18.30 Uhr nimmt die Verwaltung im Bürgerhaus Stellung.