Zwischen Neckar und Alb
Für den Kreisbrandmeister gilt: Einsatz an allen Fronten

Feuerwehr 20 Jahre war Bernhard Dittrich Esslingens ranghöchster Feuerwehrmann. Nun geht er in den Ruhestand. Einige Brände vergisst er nicht. Von Matthäus Klemke

Auf dem Aktenschrank im Büro von Bernhard Dittrich in der Esslinger Innenstadt steht ein großer Geschenkkorb, daneben Grußkarten und andere kleine Andenken. Ein paar Kollegen haben sich von Bernhard Dittrich bereits verabschiedet. Seit 20 Jahren ist er nun als Kreisbrandmeister für 44 Gemeindefeuerwehren und sieben Werksfeuerwehren im Landkreis Esslingen zuständig. Seit 2011 ist er zudem Leiter des Amts für Katastrophenschutz und Feuerwehrlöschwesen im Landratsamt Esslingen. In wenigen Tagen geht Dittrich in den Ruhestand.

Der 61-Jährige blickt auf insgesamt 44 Jahre bei der Feuerwehr zurück. Ob er sich noch an seinen ersten Einsatz erinnern kann? Dittrich muss kurz überlegen. „Ein Autounfall mit einer eingeklemmten Person“, sagt er schließlich. Das war noch in Schorndorf. Hier beginnt seine Laufbahn mit einer Feuerwehrübung. „Die Feuerwehr war dabei, ein Gebäude zu löschen und ich habe mir das angeschaut. Damals wusste niemand, dass es nur eine Übung war.“ Die Probe stellt sich als Werbeaktion der Feuerwehr heraus. Unter den Zuschauern versuchen die Helfer, Freiwillige zu rekrutieren. Bei Dittrich sind sie erfolgreich.

 

Wenn Frauen dabei sind, verändert sich der Ton.
Bernhard Dittrich, Esslinger Kreisbrandmeister

 

Drei Jahre bleibt er bei den Rettungskräften in Schorndorf. „Dann habe ich mir gedacht, dass ich mein Hobby auch zum Beruf machen könnte.“ Bernhard Dittrich möchte den Schritt in die große Stadt wagen, auf eigenen Füßen stehen und etwas Neues erleben. „Deshalb bin ich zur größten Feuerwehr in Deutschland, nach Berlin, gegangen.“

1981 beginnt er dort seine zweijährige Ausbildung zum Berufsfeuerwehrmann. Insgesamt bleibt Dittrich 21 Jahre in Berlin. Dann lockt die Heimat. 2002 wird im Kreis Esslingen ein neuer Kreisbrandmeister gesucht – damals noch ein Ehrenamt. „Ein ehemaliger Kollege hat mich auf die Idee gebracht, mich zu bewerben.“ Dittrich bekommt den Posten, fängt im März 2002 zunächst als Brandschutzsachverständiger und einen Monat später schließlich als ehrenamtlicher Kreisbrandmeister an.

Über seinen ersten Einsatz im Landkreis Esslingen muss er nicht lange überlegen: „Das war direkt am ersten Tag, ich hatte noch nicht einmal meine Uniform bekommen“, erzählt Dittrich lächelnd. „Ein Chemiekalienunfall in Köngen.“

Seitdem folgten zahlreiche Einsätze. Einige sind Dittrich besonders gut in Erinnerung geblieben. Eine Gasexplosion in Kirchheim, zwei umgestürzte Tankzüge auf der B 10 und natürlich der Großbrand bei der Firma Bosch Thermotechnik in Wernau im vergangenen Jahr. „Der Brand mit dem höchsten Sachschaden in meiner Karriere.“

Doch als Kreisbrandmeister müsse „an allen Fronten gearbeitet werden – auch vom Schreibtisch aus“. Zu den Aufgaben gehört unter anderem die Verteilung der finanziellen Mittel an die Feuerwehren im Landkreis. Gerade in den ersten Jahren seiner Amtszeit sei es schwer gewesen, alle beantragten Zuwendungen abzudecken. In den vergangenen beiden Jahren konnten hingegen alle Anträge berücksichtigt werden.

Mehrere Kinderfeuerwehren

Auch die Personalsituation habe sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt, sagt Dittrich. Knapp 4000 Mitglieder haben die Feuerwehren im Kreis Esslingen. Grund sei die hervorragende Situation bei den Nachwuchskräften. Seit 2006 hat jede Feuerwehr im Landkreis eine Jugendabteilung. Im selben Jahr wurde die erste Kindergruppe in der Jugendfeuerwehr Notzingen gegründet. Mittlerweile gibt es mehrere Kinderfeuerwehren.

Nur mit der Frauenquote ist Dittrich noch nicht ganz zufrieden. Von den 4000 Mitgliedern sind nur knapp 300 weiblich. „Da muss noch etwas passieren. „Frauen tun der Feuerwehr gut“, sagt der 61-Jährige. Das hat Dittrich selbst bei Einsätzen miterlebt. „Wenn Frauen dabei sind, verändert sich der Ton. Sie wirken ganz anders auf die Menschen. Das ist besonders bei solchen Einsätzen wichtig, bei denen Kinder beteiligt sind.“

Auch wenn sich die Feuerwehren im Kreis in einem guten Zustand befinden – für Dittrichs Nachfolger Guido Kenner wird es genug zu tun geben, ist sich der scheidende Kreisbrandmeister sicher. „Es ist ein ständiger Prozess. Nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden könnte.“

Die Feuerwehr muss sich auf immer neue Aufgaben einstellen. Mehr Vegetationsbrände, mehr Hochwassereinsätze, Brände von Elektrofahrzeugen und Fotovoltaikanlagen. Sogar die Art der Hausbrände ist im Wandel. „Heute gibt es in den Wohnungen und Häusern viel mehr Kunststoff als früher. Dadurch entstehen bei Bränden gefährliche Gifte.“

Trotz des zweifellos hohen Risikos hat Dittrich seine Berufswahl nie bereut. Vor allem die Kameradschaft unter den Rettungskräften helfe über viele Erlebnisse hinweg. „Diese Einsätze machen etwas mit den Menschen“, sagt Dittrich. „Besonders wenn Kinder beteiligt sind. Es ist dann wichtig, dass man nach einem Einsatz zusammensitzt und drüber redet.“

Was ihn die ganzen Jahre motiviert hat weiterzumachen? „Das Gefühl, gebraucht zu werden“, sagt er ohne lange zu überlegen. „In der Regel sind die Menschen ja froh, wenn die Feuerwehr da ist. Deshalb sind die meisten Einsätze durchaus ein positives Erlebnis.“

Was ihm besonders fehlen wird? „Die Arbeit mit den Menschen. Als Einzelner richtest du nichts aus.“ Das gilt nicht nur für die Feuerwehrleute untereinander. „Auch die Arbeit unter den verschiedenen Blaulicht-Organisationen im Landkreis basiert auf Vertrauen.“ Das habe man besonders in der Pandemie gesehen. Als Beispiel nennt Dittrich die große Impfaktion in der Messehalle Ende 2021. „Diese vertrauensvolle Zusammenarbeit wird mir auch sehr fehlen.“

Doch nun macht er erst einmal den wohlverdienten Urlaub und geht seinem Hobby, dem Wassersport, nach. Dem Brandschutz wird er sich danach aber nicht ganz abwenden. Sein Fachwissen möchte Dittrich als Berater im Brandschutz weitergeben.