Begeisterung
Für die Schule nehmen sie auch mal frei

Die Nürtinger Philipp-Matthäus-Hahn-Schule ermöglicht zwölf Schülern und Schülerinnen, in die ­Technik historischer Autos einzutauchen. Die Oldtimer-Fans zahlen es mit Enthusiasmus zurück.

Lukas Alber (links) und sein Mitschüler testen ihren zusammengebauten Vergaser an einem Motorblock. Fotos: Johannes Aigner

Wenn ich alles richtig gemacht habe, müsste sich diese Stange hier bewegen“, sagt Lukas Alber und starrt auf den Vergaser, den er in den Händen hält. Gerade hat er die Komponente eines alten Käfers einmal auseinander- und dann wieder zusammengebaut. Offenbar ist ihm dabei ein kleiner Fehler passiert. „Aber ich hab ihn gleich gefunden“, sagt Alber und stöpselt den Vergaser an einem Schlauch an, der aus der Werkbank kommt. Ein leises Brummen ertönt. Dann wird Albers Vorhersagung wahr: Die kleine Metallstange bewegt sich. Auf Albers Gesicht macht sich Zufriedenheit breit.

Lukas Alber ist einer von zwölf Schülern und Schülerinnen der Nürtinger Philipp-Matthäus-Hahn-Schule, die sich in einem besonderen Kurs historischen Autos widmen. Mehrere Wochen lang, immer montags, lernen sie bei Thorsten Kern in Neuffen, wie die Technik von einst funktioniert. In der Region ist der Kurs einzigartig.

„Einmal das ganze Auto durch“, beschreibt Kern den Kursaufbau. An diesem Montag steht das Thema Vergaser auf dem Lehrplan. Auf einem Tisch liegen zahlreiche verschiedene Modelle als Anschauungsmaterial. Daneben bücken sich Schüler und Schülerinnen konzentriert über die Werkbank. Dort bauen sie jeweils einen Vergaser auseinander, setzen ihn zusammen und anschließend auf einen Motorblock. Dann nehmen sie die Grundeinstellung vor. In einer Ecke stehen drei Schüler vor einem großen Monitor. Was dort über den Bildschirm flimmert, erinnert ein wenig an die Messwerte eines menschlichen Herzschlags. Es ist aber das Signal einer L-Jetronic, einem Einspritzsystem aus den 70er-Jahren.

„Die Teile mal wirklich auseinanderzubauen und dann wieder zusammenzusetzen, das lernen viele heute in den Werkstätten leider gar nicht mehr“, sagt Kern. Der Tüftler weiß, wovon er spricht. In seiner Neuffener Motorenmanufaktur baut er historische Fahrzeuge nach. Und mit „historisch“ ist wirklich historisch gemeint: nämlich Gottlieb Daimlers Motorenkutsche und sein Reitwagen. Also das erste Auto und das erste Motorrad der Welt, die absoluten Anfänge der Fahrzeuggeschichte. Auch das ist einzigartig. Im Rennsport war der Neuffener ebenfalls aktiv. Das Kern-Motorsport-Team fuhr etwa in der Formel Renault.

Das alles stellt Kern aber schnell in den Hintergrund. Spricht man mit ihm über die Schätze, die da in seiner Garage schlummern, winkt er ab. „Ich sehe mich zuallererst als Lehrer“, sagt er. Er brennt für seine Schüler, das merkt man, wenn er von ihnen erzählt. Im ganzen Land habe er etwa Berufsschulen leer gekauft, um ihnen die nötigen Maschinen und Teile zu besorgen, berichtet er.

Schon als Kind in der Werkstatt

Kerns Enthusiasmus wird zurückgezahlt. Zum Beispiel von Stephan Keller. Schon als Kind stand er öfter in der Werkstatt seines Vaters. „Es ist auch einfach Kulturgut“, sagt Keller und fügt hinzu: „Es ist total interessant, zu verstehen, wie die Technik von damals funktioniert.“ Wie alle Teilnehmer ist auch er im dritten Lehrjahr. Erst durch seinen Betrieb wurde er auf den Kurs aufmerksam.

Trotzdem wurde er nicht für alle Tage freigestellt. „Aber ich habe so viel Urlaub und ich wollte einfach unbedingt mitmachen“, erzählt Keller. Also nahm er kurzerhand zehn Montage frei. Urlaub nehmen, um in die Schule zu gehen. So viel Begeisterung löst wohl nicht jeder Kurs aus. „Wir haben wunderbare Fachkräfte im Land, wir müssen sie nur fördern“, sagt Wilhelm Supper von der Kfz-Innung Stuttgart.

Die Innung ist Initiator der Schulung. Und Supper zeigt sich begeistert: „Von den besten Absolventen des Jahres hat meist ein großer Teil diese Zusatzqualifikation besucht.“

Supper ist überzeugt, dass die Oldtimer-Gemeinde wachsen wird. „Schauen Sie den Bergpreis an, ein absoluter Publikumsmagnet. Auch das Solitude-Revival wird immer größer“, sagt er. Etwa 850.000 Oldtimer mit H-Kennzeichen verzeichnete das Kraftfahrzeug-Bundesamt 2024. Die Tendenz steigt stetig. Gleichzeitig können aber immer weniger Mechaniker die Klassiker reparieren. Das liegt oft auch an der fehlenden Schulung. Denn in den Lehrplänen der Auszubildenden kommt das Wissen kaum mehr vor. „Es ist einfach noch viel mehr Mechanik als heute“, sagt Lukas Alber, wenn man ihn fragt, was die alte Technik für ihn ausmacht, und er führt aus: „Man sieht, was man macht. Man sieht: Wenn ich hier Unterdruck anlege, bewegt sich dieses Teil.“ Bei modernen Wagen „geht irgendwas ins Steuergerät, irgendwas wird ausgespuckt. So richtig schlau wird man aber nicht daraus.“

Moderne Autos seien oft eine Art Blackbox. Nachvollziehen lasse sich da nicht immer alles. „Man kann an den alten Geräten besser nachvollziehen, wie die Ingenieure damals auf die Idee gekommen sind, bestimmte Dinge zu entwickeln. Das ist faszinierend“, sagt Alber.