Die persönliche Widmung „Edwin Wächtler zur Erinnerung“ stammt von Helmut Rahn, der durch seinen Siegtreffer zum 3:2 im Fußball-WM-Finale 1954 gegen Ungarn weltberühmt wurde. Und: „Für Edwin Wächtler in sportlicher Verbundenheit“ schrieb Fritz Walter, erster Ehrenspielführer der Nationalelf, zu seinem eigenen Namenszug dazu. Edwin Wächtler, gebürtiger Esslinger, der seit sieben Jahren in Nürtingen lebt, sammelt seit Anfang der 50er-Jahre Autogramme, die er in mehreren dicken Alben hütet, feinsäuberlich eingeklebt und beschriftet. Sein Schwerpunkt liegt auf Fußballspielern, aber auch Schwimm-Olympiasieger Mark Spitz, Boxweltmeister Max Schmeling und Langstreckenläufer Emil Zátopek sind darunter. Später kamen auch Politiker, Sänger und Filmschauspieler wie Heinz Erhardt, Jean Marais, Heinz Rühmann und Charles Bronson hinzu.
Als 13-jähriger Schüler hat Edwin Wächtler mit dem Sammeln von Autogrammen begonnen: Gemeinsam mit einem Schulkameraden ging es damals mit dem Fahrrad von Esslingen zum VfB Stuttgart ins Neckarstadion oder zu den Stuttgarter Kickers nach Degerloch, um Autogramme der Spieler der damaligen Fußball-Oberliga (die heutige Bundesliga startete erst mit der Saison 1963/64) zu ergattern. Die Jungs schauten, dass sie immer erst kurz vor der Halbzeit im Stadion ankamen: „Dann waren die Kassenhäuschen nicht mehr besetzt, und wir durften ohne Eintrittsgeld hinein“, erzählt Wächtler. Nach den Spielen ging es in die Umkleidekabine der Gastmannschaft, anschließend ins Clubhaus. „Wir bekamen immer mit ein paar freundlichen Worten unsere Autogrammwünsche erfüllt“, erinnert sich der heute 76-Jährige. Mehrfach habe auch Sepp Herberger vorbeigeschaut: „Für uns Kinder war es natürlich etwas ganz Besonderes, mit dem Bundestrainer zu sprechen und ein Autogramm von ihm zu bekommen.“ Damals sei es problemlos möglich gewesen, die Spieler am Spielfeldrand oder in der Kabine anzusprechen oder gar vor der Abfahrt noch kurz in den Gäste-Bus einzusteigen und sich Unterschriften zu holen: „Das ist heute mit all den Sicherheitsvorkehrungen völlig undenkbar“, weiß Wächtler.
Ganz besonders stolz ist der Sammler auf seine Autogramme der Weltmeister-Mannschaft von 1954. Vom damaligen Endspielgegner Ungarn unterschrieben ihm Kapitän Ferenc Puskás, Mittelstürmer Nándor Hidegkuti und Torwart Gyula Grosics ein Foto als Erinnerung. „Damals hatte man als junger Kerl nichts anderes als den Sport und dieses Hobby. Keine Disco, kein Fernsehen. Ich weiß noch, wie ich 1954 im Saal des Waldheims bei meinem Vater auf den Schultern saß und auf einem kleinen Fernseher das Endspiel angeschaut habe.“
1955, vor dem Länderspiel Deutschland gegen Italien in Stuttgart, fuhr Wächtler mit dem Fahrrad zum Flughafen, wo ihm gleich nach der Landung Spieler und Trainer der italienischen Mannschaft in seinem Autogrammbuch unterschrieben: „Ich hatte vorher extra meine Bitte um eine Unterschrift auf Italienisch auswendig gelernt“, erzählt er lachend. In den Nachkriegsjahren, als sonntags kurz nach 17 Uhr der „Grüne Sportbericht“ als Zeitung mit Reportagen von den Oberligaspielen erschien, schnitt Edwin Wächtler nach der Lektüre die Fotos aus. So konnte er 1956 vor dem Spiel Deutschland gegen die UdSSR Bilder der russischen Spieler nach Hannover ins Mannschaftshotel schicken - und erhielt sie postwendend handsigniert zurück. Heute zählen sie zu den besonderen Schmuckstücken seiner Sammlung. Ebenfalls eine Rarität sind die Unterschriften von Franz Beckenbauer und seinen internationalen Mitspielern vom Freundschaftsspiel des VfB gegen Cosmos New York - und zwar auf einer Postkarte mit dem Poststempel vom 7. 7. 77 vom Postamt aus 7777 Salem.
Dem höflich fragenden Jungen konnte zu jener Zeit keiner den Wunsch nach einem Autogramm abschlagen. In späteren Jahren gab Edwin Wächtler, dessen Vater Rolf ein begnadeter Mittelstürmer war und der selbst in der Jugend bei den Sportfreunden Esslingen im Sturm spielte, die Jagd nach immer neuen Autogrammen auf. Seine Sammlung freilich hütet er nach wie vor, und noch immer ist er ein wandelndes Lexikon für Fußballdaten und -fakten und verfolgt die Entwicklung des Fußballs aufmerksam: „Früher war es selbstverständlich, dass die Spieler einen Beruf hatten.“ So wie der in Esslingen wohnende VfB-Spieler Erich Retter: „Der hat bis eine Stunde vor Spielbeginn in der Tankstelle vor dem Neckarstadion gearbeitet. Dann ging es direkt zum Spiel auf den Rasen.“ Stolz ist Edwin Wächtler darauf, dass er nie für ein Autogramm bezahlt hat. Im Internet schaut er immer mal wieder nach, was einzelne Stücke aus seiner Sammlung wert sind. Zu Geld machen will er seine Schätze jedoch nicht: „Die Sammlung wird vererbt, ich habe vier sportbegeisterte Enkelkinder“, erzählt er.