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Fahrtauglichkeitscheck: Das Alter macht nicht fahruntüchtig

Verkehr Die EU plant eine Fahrtauglichkeitsprüfung für alle Menschen ab 70 Jahren. Doch wie mobil sind Senioren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln tatsächlich? Fahrlehrer Erwin Sekeres sieht das Vorhaben kritisch. Von Sylvia Horlebein

Schon dieses Jahr plant die EU eine Fahrtauglichkeitsprüfung einzuführen, die alle Menschen ab 70 Jahren absolvieren müssen. Im fünfjährigen Rhythmus gilt es dann die physische und mentale Fitness unter Beweis zu stellen. Nur dann darf der Führerschein behalten werden. Ein Vorstoß, der nicht nur bei den betroffenen Rentnern und Rentnerinnen auf Ablehnung stößt: Auch Fahrschulen und der ADAC stehen diesem Gesetzentwurf skeptisch gegenüber. Der ADAC nennt das Vorhaben sogar unverhältnismäßig, da die Rentnerinnen und Rentner laut Unfallstatistik nicht für die schweren Personenschäden verantwortlich sind. Auch Erwin Sekeres von „Erwin`s Fahrschule“ in Kirchheim ist dieser Meinung: „Rentner kompensieren die schwindende Reaktionsfähigkeit durch Erfahrung und stark vorausschauendes Fahren“. Diese Erfahrung haben die Senioren der Jugend voraus. Sekeres setzt auf Freiwilligkeit und den gesunden Menschenverstand.

 

 

Ich wollte vorbeugen, bevor etwas passiert.
Edelgart Vogt
erklärt, weshalb sie zu ihrem 91. Geburtstag den Führerschein abgegeben hat.

 

Tatsächlich gibt im Landkreis Esslingen durchschnittlich ein Rentner pro Tag freiwillig seinen Führerschein ab, sagt Andrea Wangner vom Landratsamt Esslingen. Im Gegenzug dazu erhalten die Senioren ein kostenloses VVS-Senioren-Jahresticket, durch das sie mobil bleiben können. Ein guter Gedanke, der aber mehr Herausforderungen bereithält, als auf den ersten Blick zu sehen sind. Edelgard Vogt aus Kirchheim kann darüber berichten. Sie ist eine der Seniorinnen, die freiwillig ihren Führerschein abgegeben hat. Pünktlich zu ihrem 91. Geburtstag am 31. Oktober wollte sie den Führerschein abgeben, nachdem sie 56 Jahre unfallfrei gefahren ist. „Ich wollte vorbeugen, bevor etwas passiert. Aber leicht gefallen ist mir die Entscheidung nicht“, sagt die Rentnerin.

Der Verwaltungsprozess stellt die willigen Rentnerinnen und Rentner vor ungeahnte Hürden: Der Führerschein kann nur in Plochingen abgegeben werden. Ohne Auto ist das eine sprichwörtliche Weltreise. Aber auch danach wurde es für Edelgard Vogt nicht einfacher, auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen. „Es war schon sehr schwierig für mich, den Fahrplan zu lesen und zu verstehen“, berichtet sie. Auch um die Tatsache zu akzeptieren, dass sie immer erst zum Busbahnhof fahren muss, um dann wieder dieselbe Richtung zurückzufahren, hat sie eine Weile gebraucht. Da war das Autofahren einfacher. Spontanität und die Freiheit, einfach so mal eine Freundin auf einen Kaffee besuchen zu können, hat sie mit dem Führerschein abgegeben. Ein Glück, dass sie in einem stabilen Familienumfeld lebt und ihre Söhne und Schwiegertöchter gerne bereit sind, sie zum Einkaufen oder zum Arzt zu fahren. Ohne diese Unterstützung wäre es schwierig. Ein Umstand, der es vielen Rentner schwer macht, auf den Führerschein zu verzichten. Gerade im ländlichen Bereich läuft man Gefahr sich zu isolieren und zu vereinsamen.

Sehschwäche kennt kein Alter

Kein Wunder also, dass es oft die Kinder sind, die den Vorstoß wagen und beherzt bei „Erwin`s Fahrschule“ anrufen, weil sie der Meinung sind, die Mutter oder der Vater könnten nicht mehr Auto fahren. Schmunzelnd erzählt Erwin Sekeres von einem Sohn, der unbedingt wollte, dass er sich mal die Fahrweise seiner Mutter ansieht. Der fahruntaugliche Vater wäre der Meinung, dass sie auf gar keinen Fall mehr fahren dürfte. Nach einer privaten Überprüfungsfahrt konnte Sekeres grünes Licht geben – die rüstige Dame sitzt bis heute hinterm Steuer. Ein gutes Beispiel dafür, dass niemand automatisch fahruntüchtig wird, nur weil er ein bestimmtes Alter erreicht hat. Im Gegenteil: Der Körper verändert sich ständig.

„Wissen sie, wie viele Menschen da draußen ohne Brille fahren, nur weil bei der Fahrprüfung keine benötigt wurde und sie jetzt zu eitel dafür sind?“, fragt Sekeres. Mit einer regelmäßigen Überprüfung der Augen könnten schon viele Unfälle verhindert werden, meint er. Die Ausgrenzung einer ganzen Gruppe, nur weil die Senioren ein gewisses Alter erreicht haben, findet er hingegeben nicht gut. Ebenfalls ein wichtiger Aspekt ist die ständige Änderung der StVO (Straßenverkehrsordnung). Zweimal im Jahr gibt es Neuerungen. Neue Schilder, neue Regeln und neue Bußgelder. Ein Umstand, der vielen Autofahrern nicht bewusst ist. Dabei hat jeder Fahrzeugführer die Pflicht, sich über die Neuerungen zu informieren. Das Bewusstsein dafür zu schaffen, würde ebenfalls schon eine Menge bringen.

 Info: Informationen über das Seniorenticket bei Führerscheinrückgabe finden Interessierte online unter www.landkreis-esslingen.de. Neue Regeln im Straßenverkehr sind aufgeführt unter www.stvo.de/strassenverkehrsordnung.