Zwischen Neckar und Alb
Familienplanung hoch vier

Kuriosität Wickeln und Füttern im Akkord: Annabel und Nikolaos Tsavlidis haben in zwei Jahren zweimal Zwillinge bekommen. Einblicke in einen turbulenten Alltag. Von Petra Pauli

Die meisten werdenden Mütter müssen wahrscheinlich erst mal schlucken, wenn ihnen ihr Frauenarzt verkündet, dass Zwillinge im Anmarsch sind. Zwei Säuglinge parallel zu versorgen, ist schließlich nicht ohne. Anders war das bei Annabel Tsavlidis. „Ich habe es mir immer sehr gewünscht“, sagt die 31-Jährige, „und ich habe mich mega gefreut, als auf dem Ultraschall klar war, dass es da noch etwas Zweites gibt.“ Sie ist selbst Zwilling und hat diese innige Nähe erlebt. „Es ist einfach schön, wenn man immer jemanden an seiner Seite hat“, sagt sie über sich und ihre Schwester. Inzwischen sind ihre Zwillings-Töchter Christina und Eleni, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen, bald zwei Jahre alt. „Ich hatte mir dann noch einen Jungen gewünscht“, erzählt die junge Mutter. „Als mir beim Arzt gesagt wurde, dass es wieder zwei sind, da war aber auch ich ganz schön platt“, erinnert sie sich. Jordanis und Leonidas sind jetzt drei Monate alt und schlafen seelenruhig nebeneinander im Laufstall, während die Schwes­tern um sie herumwirbeln und der Familien-Hund kläfft.

Zwillinge im Doppelpack – das habe selbst ihr Frauenarzt noch nie erlebt. Gezeugt wurden sie übrigens auf natürlichem Weg, stellt Annabel Tsavlidis klar. „Meistens ist das die erste Frage von Außenstehenden“, erzählt die 31-Jährige. Aber Zwillinge liegen in der Familie. Auch in der Verwandtschaft ihres Mannes Nikolaos gibt es mehrere. Eine kleine Sensation war es, dass sich die Mädchen im Mutterleib Plazenta und Fruchtblase geteilt haben. Bei Schwangerschaften mit eineiigen Zwillingen, so wie Christina und Eleni, liegt die Wahrscheinlichkeit dafür bei weniger als einem Prozent. Die Jungs sind zweieiig und sich genetisch damit nicht ähnlicher als normale Geschwister.

Alle Kinder waren Frühchen, die Mädchen kamen in der 33. Schwangerschaftswoche, die Buben in der 34. Woche per Kaiserschnitt auf die Welt. Die ersten Wochen mit den vier Kindern waren ein Ausnahmezustand. Die Zweijährigen kämpften mit einer heftigen Magen-Darm-Infektion und die Neugeborenen hatten sich mit dem RS-Virus angesteckt, der Atemwegsinfektionen hervorruft. Deshalb mussten sie im Olgäle-Krankenhaus behandelt werden. Bei der jungen Mutter war die Kaiserschnittnarbe geplatzt und Wochenbettdepressionen machten ihr zu schaffen. „Es kam einfach alles zusammen.“ Seitdem bekommt sie Unterstützung von der Familienpflege Esslingen, die Montag bis Freitag für acht Stunden in die Wohnung nach Scharnhausen kommt und bei allem hilft, was gerade ansteht. „Ohne diese Unterstützung ist es fast nicht zu schaffen“, sagt die 31-Jährige, auch wenn sie mit ihren ersten Zwillingen schon gelernt hatte, sich gut zu organisieren. Große Sorge macht ihr deshalb, wie es weitergeht, wenn die Familienpflege nicht mehr da ist. Vorerst zahlt die Krankenkasse diese Hilfe nur noch bis Mitte März. Auch für Familienpflegerin Eva Harsch ist es ein besonderer Auftrag. „Zwei Zwillinge – ich konnte das gar nicht glauben und dachte anfangs, das ist nur der übliche Versprecher, mit dem eigentlich ein Paar gemeint ist“, sagt sie und lacht. Der Tag mit den vier Kindern muss zwar gut geplant sein. „Gleichzeitig darf man sich nicht zu sehr darauf versteifen, dass alles klappen muss“, sagt die Mutter. Die Kunst bestehe darin, die Gunst der Stunde zu nutzen und flexibel zu bleiben. „Mit nur einem Pärchen unterwegs zu sein, ist für mich wie Luxus“, scherzt sie. Wenn es irgendwie geht, widmet sie sich exklusiv nur einem einzigen Kind. Trotz der Unterstützung durch die Familienpflege bleibt der Alltag aber oft eine Zerreißprobe. „Wenn Christina eine Knuddeleinheit braucht und gleichzeitig die Jungs versorgt werden müssen, ist es schwierig. Es tut mir oft im Herzen weh.“ Gewickelt wird im Akkord, meist alle nacheinander. Das Fläschchen bekommen die Jungs oft parallel.

Waschmaschine läuft täglich

Auch wenn sie zum Glück keine Spuckkinder sind, läuft die Waschmaschine bei so vielen Kindern täglich. „Nur sonntags versuche ich, keine Wäsche zu machen“, sagt Annabel Tsavlidis. „Unsere Tage sind turbulent und immer ein Abenteuer“, berichtet die Mutter. Aber in manchen Dingen sind ihre Kinder unkompliziert. Jordanis und Leonidas haben die Ruhe weg und schlafen nachts fast durch. Christina und Eleni spielen auch mal für sich und lieben es, im Haushalt zu helfen. Eine zusätzliche Herausforderung ist es, dass die Familie im fünften Stock wohnt, in den Aufzug aber nur einer der Kinderwagen passt. Seit Langem sucht die Familie, die in einer Drei-Zimmer-Wohnung lebt, eine größere Wohnung oder ein Haus. Aber eine bezahlbare Bleibe auf den Fildern zu finden – das scheint fast noch unwahrscheinlicher zu sein, als doppelt Zwillinge zu bekommen.

 

Mehrlingsschwangerschaften nehmen zu

Wahrscheinlichkeit Statistisch gesehen gibt es deutlich häufiger Mehrlingsgeburten als noch vor einigen Jahrzehnten. Eine Rolle dabei spielt, dass Frauen heutzutage später schwanger werden. Mit zunehmendem Alter kommt es häufiger zu einem doppelten Eisprung. Ein weiterer Grund ist, dass in der heutigen Zeit eine Fruchtbarkeitsbehandlung häufiger in Anspruch genommen wird. Die Wahrscheinlichkeit, zwei Mal Zwillinge zu bekommen, ist noch mal weitaus geringer und liegt bei etwa eins zu 10 000.
Vererbung Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau Zwillinge bekommt, erhöht sich, wenn es in der Familie schon Zwillinge gibt. Eineiige Zwillinge haben jedoch nichts mit familiärer Veranlagung zu tun. Am Sonntag, 10. April, ist übrigens Tag der Geschwister. pp