Denkendorf. Eine 16-Jährige läuft im Mai des vergangenen Jahres mit ihrem 20-jährigen Freund durch Denkendorf. Aus einem Auto heraus werden sie vom Vater und dem Bruder des Mädchens gesehen. Das Mädchen läuft davon, Vater und Bruder stellen den jungen Mann zur Rede. Die Situation eskaliert, der 20-Jährige und der 24-jährige Bruder des Mädchens landen raufend auf dem Boden. Schließlich ruft die junge Frau die Polizei, Vater und Bruder ziehen sich in ihren Wagen zurück. Derweil kommt noch die Mutter dazu. Die folgende Polizeikontrolle läuft aus dem Ruder und endet erst, als zehn Polizisten vor Ort sind. Sie setzen Pfefferspray gegen den 24-Jährigen ein. Zuvor hatte er einer Polizistin mit dem Tod gedroht und sie und ihren Kollegen massiv beleidigt.
Der heute 25-Jährige aus Denkendorf stand nun wegen Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung in zwei Fällen sowie Bedrohung vor dem Esslinger Amtsgericht. Auch wegen Sachbeschädigung war er zunächst angeklagt, weil er im Juni vergangenen Jahres an 18 Autos in Denkendorf die Außenspiegel abgetreten haben soll. Von der Verfolgung dieser Tat sah das Gericht jedoch ab.
Die Versionen, die das Gericht zum Geschehen im Mai hörte, waren höchst unterschiedlich. Der Angeklagte räumte ein, er habe den damals 20-Jährigen geschubst, worauf dieser umgekippt sei. Ob er mit der Faust zugeschlagen habe, wie es in der Anklageschrift steht, wisse er nicht mehr. Auch einen Teil der Beleidigungen gab er zu. „Scheißbullen“ habe er gesagt, aber an Todesdrohungen erinnere er sich nicht.
Seine Mutter, die als Zeugin aussagte, sprach von einem unberechenbaren Verhalten der ersten Polizeistreife. „Wir haben nur versucht, die Polizisten zu beruhigen“, sagte sie. „Der männliche Polizist war völlig durchgedreht.“ Durch einen Polizeigriff sei sie verletzt worden. Den Polizisten habe sie angezeigt. Von Bedrohungen und Schlägen durch ihren Sohn wisse sie nichts. Auch der Vater beteuerte seine Unschuld.
Die Zeugenaussagen der beiden Polizisten deckten sich weitgehend mit der Anklageschrift. Während der Vater sich schnell ausgewiesen habe, sei der Sohn aus dem Auto gestürmt und habe sie verbal attackiert. Er sei so aggressiv gewesen, dass die Polizisten ihm Handschellen anlegen wollten. Die Eltern des jungen Mannes hätten die Arbeit der Polizei behindert, bestätigt wurde dies von einem Anwohner, der die Szene von seinem Balkon aus beobachtet hatte.
Nachvollziehbare Beweggründe
Der Staatsanwalt forderte eine Geldstrafe von 3900 Euro, für ihn hätten sich die Vorwürfe der versuchten Körperverletzung bestätigt. Der Verteidiger dagegen wollte nicht über 1200 Euro Strafe hinausgehen. Er kritisierte das Vorgehen der Polizei scharf. Man hätte sich zurückhalten und auf Verstärkung warten sollen, als klar geworden sei, dass der Angeklagte aufgebracht reagiert habe. Er warf auch die Frage auf, inwieweit der Pfefferspray-Einsatz gerechtfertigt gewesen sei. Zudem kritisierte er das Fehlen eines Vernehmungsprotokolls in der Akte. Der Zeuge soll allerdings ebenfalls die Version der Polizei gestützt haben.
Der Richter hielt sich in seinem Urteil an die Staatsanwaltschaft. „Es klang nach Aktenlage, als würde da ein junges Mädchen unterm Deckel gehalten“, sagte er. In der Verhandlung hätten die Eltern jedoch nachvollziehbare Beweggründe für ihr Verhalten genannt. Sie hätten nur wissen wollen, mit wem sich die minderjährige Tochter herumtreibt. „Ich habe erst überlegt, ob es möglich ist, dass der Polizei die Situation aus dem Ruder gelaufen ist und sie einem auffälligen Mann einen mitgeben wollten“, so der Richter. Dies habe sich jedoch nicht bestätigt. Die Polizei habe nichts falsch gemacht. „Ich bin überzeugt, dass hier kein unbescholtener Bürger in die Fänge von wild gewordenen Polizisten geraten ist.“ Julia Theermann