Seit Ende vergangenen Jahres steht der ehemalige stellvertretende Landrat Matthias Berg vor einer mehr als kniffligen Aufgabe: Als Mediator soll er die Wogen zwischen Feuerwehr, Gemeinderat und Stadtverwaltung glätten. Der Streit um die Zusammenlegung der Feuerwehrabteilungen hatte das Verhältnis zwischen allen Parteien zerrüttet. Mit dem erklärten Rückzug von Bürgermeister Sebastian Kurz aus der Mediationsrunde scheint eine baldige Lösung in weite Ferne gerückt zu sein. Kurz warf der Feuerwehr vor, nicht kompromissbereit zu sein, die Mediationsrunde bezichtigte den Bürgermeister daraufhin der Lüge.
Mediator geht an die Öffentlichkeit
Am Mittwoch wandte sich Mediator Berg in einer E-Mail direkt an die Stadträte und die Presse. Er müsse diesen Weg gehen, da sich der Bürgermeister weigere, eine Pressemitteilung der Mediations-Teilnehmer auf der Internetseite der Stadt, im Amtsblatt und auf der Seite der Feuerwehr zu veröffentlichen. In dem Schreiben kritisiert er das Verhalten des Bürgermeisters scharf. Erneut beschuldigt er Kurz, Falschaussagen getätigt zu haben. Der Bürgermeister hatte behauptet, die Feuerwehr habe seinen Kompromissvorschlag, nur zwei anstatt drei Abteilungen zusammenzulegen, abgelehnt. Das sei falsch, sagt Berg. Der stellvertretende Feuerwehrkommandant Christian Wahl hätte den Vorschlag ausdrücklich begrüßt. Auch die Behauptung, es habe keine Annäherung der Parteien gegeben, sei nicht richtig. „Es gab nicht nur Annäherungen, sondern eine Vielzahl von konkreten Einigungen zwischen Stadtverwaltung und Feuerwehr“, so Berg. Kurz habe sich zudem „rigoros geweigert“, ein klärendes Gespräch mit dem freigestellten Feuerwehrkommandanten Peter Flamm zu führen. Der war im Zuge des Dauerstreits im Oktober 2023 von seinem Posten zurückgetreten. „Auch die Vertreter des Gemeinderats in der Mediation und die Vertreter der Feuerwehr haben Herrn Bürgermeister Kurz gebeten, zu einem Gespräch mit Herrn Flamm bereit zu sein“, so Berg. Dieser sei bei seiner „Gesprächsverweigerung“ geblieben. „Die Aussage des Herrn Bürgermeister Kurz, er stehe für eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Feuerwehr zur Verfügung, ist also schlicht falsch.“
Berg wirft Kurz Verbreitung „unwahrer Fakten“ vor
Berg spricht von „unwahren Fakten“, die Kurz verbreitet habe. Im Rathaus werde Zensur betrieben, so Berg weiter: „Herr Bürgermeister Kurz entscheidet nach eigenem Ermessen, ob und wie Pressemitteilungen auf der Homepage und im Amtsblatt und auf der Seite der Feuerwehr veröffentlicht werden.“ Es wäre für alle Beteiligten viel gewinnbringender, wenn man miteinander sprechen würde und nicht, wie der Bürgermeister, über Pressemitteilung und öffentliche Aussagen, „die unabgestimmte und falsche Details enthalten“.
Kurz antwortet prompt und deutlich
Die Antwort von Sebastian Kurz auf die deutliche Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Nur einen Tag später bezog er auf vier Seiten Stellung zu den Vorwürfen. „Meinen Vorsatz, mich zurückzuhalten, kann ich nun nicht länger aufrechterhalten“, heißt es dort zu Beginn. Mit dem Schritt an die Öffentlichkeit habe Berg das Mediationsverfahren in eine „öffentliche Schlammschlacht verwandelt“, so Kurz: „Herr Berg schädigt meiner Ansicht nach durch sein Vorgehen das Ansehen der Stadt Aichtal.“
Berg sei die Mediation zunehmend entglitten. „Insgesamt war mein Eindruck, dass der Mediator den Grundsatz der Neutralität und Allparteilichkeit vollkommen aus den Augen verloren hat.“
Kurz schaltet Rechtsanwalt ein
Berg erhebe „unwahre Vorwürfe“ in der Öffentlichkeit gegen ihn. „Ich habe den Vorgang bereits an einen Rechtsanwalt weitergeleitet“, so Kurz. Dass der Mediator behauptet, Kurz sei zu einer Zusammenarbeit mit der Feuerwehr nicht bereit, sei eine „grobe Verzerrung der Tatsachen“. Kurz erinnert daran, dass in einem Mediationsverfahren das Prinzip der Freiwilligkeit herrscht. „Wenn Herr Berg einzelne Teilnehmer zu einem bestimmten Handeln drängen will, verstößt er gegen dieses Prinzip.“ Richtig sei hingegen, dass sich Kurz weigert, mit dem zurückgetretenen Feuerwehrkommandanten Peter Flamm zu reden. „Das Vertrauensverhältnis zu Herrn Flamm ist aufgrund zahlreicher Vorkommnisse zerstört“, schreibt Kurz.
Auch dass er sich weigert, eine Pressemitteilung der Mediationsrunde im Amtsblatt und auf der Internetseite der Stadt zu veröffentlichen, bestreitet Kurz nicht. Der Text werde nicht freigegeben, weil er „unwahre Tatsachenbehauptungen“ enthielte. Aufgrund zahlreicher Verstöße behält er es sich als Bürgermeister vor, den Auftrag an Berg mit sofortiger Wirkung zu kündigen.
Kurz kommt zu folgendem Schluss: „Aus einem Mediationsprozess, in den ich sehr hoffnungsvoll gestartet bin, ist eine öffentliche Auseinandersetzung geworden, obwohl ich mich lange zurückgehalten habe.“
Schwere Anschuldigungen gegen Feuerwehr
Diese anfängliche Zurückhaltung wirft er im selben Schreiben komplett über Bord und veröffentlicht pikante Details rund um die Aichtaler Feuerwehr. So sei bei einer Budgetprüfung ans Licht gekommen, dass die Feuerwehr ohne Absprache mit der Stadt ein Vier-Sterne-Hotel für einen Wettkampf gebucht hatte und die Stadt die Kosten für Personen übernehmen sollte, die nicht zur Feuerwehr gehören. Die Leiterin der Jugendfeuerwehr habe die Stadtverwaltung um Freistellung für zwei Veranstaltungen gebeten und vorgeschlagen, diese als Fortbildung zu deklarieren. Dies habe die Stadtverwaltung abgelehnt, da es als Arbeitszeitbetrug gewertet würde. „Unkoordinierte Anschaffungen“ hätten dazu geführt, dass das Budget der Feuerwehr in den letzten Jahren um mehr als 200.000 Euro überschritten wurde. Kommandant Flamm habe unautorisierte Beschaffungen getätigt und Rechnungen nachträglich geändert, was als Betrug zu werten sei. „Eine Zusammenarbeit mit dem Kommandanten und seinem Stellvertreter ist unter diesen Umständen nahezu unmöglich“, so Kurz. Der stellvertretende Kommandant Christian Wahl – mittlerweile Gemeinderat – habe versucht, Feuerwehrangehörige, die sich für ein gemeinsames Feuerwehrhaus aussprechen, disziplinarisch mundtot zu machen. Dies habe zu einem Rechtsstreit zwischen dem Kommandanten und einem Feuerwehrangehörigen geführt.
Wie geht es nun weiter?
Auf die zwei drängendsten Fragen gibt es weiterhin keine Antwort: Wer wird Aichtals neuer Feuerwehrkommandant und kommt es zu einer Fusion der Feuerwehrabteilungen, damit verbunden die Frage nach einem Standort für das neue Feuerwehrhaus. Für Oktober und November waren vier weitere Sitzungen der Mediationsrunde geplant, um Antworten zu finden. „Aus meiner Sicht sollte der Gemeinderat möglichst rasch eine Entscheidung treffen, um für alle Beteiligten Klarheit zu schaffen“, so Kurz. Eine Rückkehr des Bürgermeisters in die Mediationsrunde scheint ausgeschlossen.