Die weißen Gardinen wehen leicht im Wind. Draußen hat es schon 35 Grad, irgendwo kräht ein Hahn. Fabian sitzt am Fenster seines Hauses auf Bali, die Reisfelder im Blick, Kaffee in der Hand. Heute steht kein Shooting an, später wird er mit dem Motorrad rüber ins Kaffeehaus fahren. Vor zehn Jahren lebte er noch in Kirchheim, aufgewachsen ist er in Brucken – ein Ort, an dem das Leben stiller war, geordneter. Heute ist alles anders. Und doch trägt er beides in sich: die schwäbische Disziplin und das kreative Chaos.
Was nach Traumstrand und Kokosnuss klingt, ist das Ergebnis von zehn Jahren harter Arbeit, mutiger Entscheidungen und unkonventioneller Wege. Fabian Mattner, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Fin Matson, lebt heute in Canggu auf Bali und arbeitet international. Er ist Fotograf, Gestalter und Unternehmer. Seine Projekte reichen von der Schmuckmarke Yoreh bis zum kreativen „Community-Space“ mit spezialisiertem Café, denn Fabian verbindet kreative Freiheit mit unternehmerischem Denken – und schafft Räume, die inspirieren und verbinden.

Schule ohne Stundenplan
Als Jugendlicher saß Fabian mit seiner Oma an der Nähmaschine. Er entwarf Pullis, Logos, experimentierte mit Stoffen. Der Wunsch zu gestalten war früh da, aber kein Weg fühlte sich wirklich richtig für ihn an. Die Ausbildung zum Erzieher, der Versuch an einer Kunsthochschule, der Job im Skateshop – alles begann, aber nichts blieb. Rot-Grün-Schwäche machte ihm einen Strich durch den kreativen Plan, die starren Strukturen im sozialen Bereich lähmten ihn. Er wusste, dass er mehr wollte, aber nicht, wie. Zwischen Schulwechseln, Abbrüchen und Bewerbungsgesprächen wuchs in ihm ein Gefühl von Enge. „Dass all das später einmal Sinn ergeben würde, konnte ich da noch nicht wissen“, erzählt er heute. „Nur, dass es so nicht weitergeht.“
Mit 21 geht er. 2016 startet sein Flug – erst Malediven, dann Thailand, später Neuseeland. Work and Travel, schlafen im Auto, Duschen mit Eimer. Er kann kaum Englisch, aber er hat diesen einen Gedanken: Wenn das nicht klappt, dann steht er ohne alles da. Und es klappt – weil es muss. Vier Jahre lang nimmt er jeden Job an, arbeitet sich von der 60-Dollar-Kamera bis zur Profiausrüstung hoch. Alles, was er weiß, bringt er sich selbst bei. Es gibt keine Webinare, keine aufschlussreichen YouTube-Tutorials, keine Instagram-Kanäle mit Tipps. Alles muss er sich zusammensuchen, ausprobieren, hinfallen, weitermachen. Eine echte Schule, nur ohne Stundenplan.

Und irgendwann beginnt jemand, hinzuschauen. Erste Jobs folgen, zum Beispiel für Travel New Zealand. Seine Reisefotos bekommen Aufmerksamkeit, Anerkennung, Reichweite. Zum ersten Mal wird seine Arbeit nicht nur gesehen, sondern gebraucht.
Die perfekte Kamera und das leere Bild
Fotografie war anfangs Technik, heute ist sie Gefühl für ihn. Ein besonders stiller Bruch, der vieles veränderte, kam mit der Kamera, auf die er jahrelang hingearbeitet hatte. Sie war technisch perfekt. Jedes Detail beherrschte er, jedes Bild war makellos bearbeitet. „Dann hab ich die Bilder angeschaut, und nichts mehr gefühlt.“ Heute arbeitet er mit einer analogen Contax aus den 90er-Jahren, fotografiert auf Film. Langsamer, ehrlicher, unmittelbarer. „Um wirklich gute Fotos zu machen, musst du ehrlich mit dir selbst sein. Fotografieren heißt, die Welt durch sich selbst zu sehen. Wer sich nicht zeigt, wird auch nichts sichtbar machen.“
Ich hab mir die Bilder angeschaut – und einfach nichts mehr gefühlt.
Fabian über die perfekt bearbeiteten Bilder, geschossen mit den teuersten Kameras und dem besten Equipment.
Doch Gestalten allein reicht nicht – nicht, wenn man davon leben will. Fabi musste lernen, wie man kalkuliert, verkauft, Netzwerke aufbaut. Es ist ein Spagat zwischen Kreativität und Kalkulation, zwischen Bauchgefühl und Businessplan. Viele Menschen, die er kennt, scheitern genau daran – großartige Künstler, die nie gebucht werden, oder erfolgreiche Unternehmer, deren Arbeiten leer wirken, wie er sagt.

Rückkehr zu Kindheitsträumen
Parallel begleitet ihn der Traum, der ihn schon als Teenager nicht losgelassen hat. Vor drei Jahren kam er nach Bali. Genug Zeit, genug Geld, die perfekte Konstellation. Er gründet „Yoreh“, eine Schmuckmarke, die in der lokalen Silberschmiede verwurzelt ist. Aus dem Wunsch zu gestalten wird ein ganzes Haus: das House of Yoreh. Spezialisierter Café aus lokalen Bohnen, buchbarer Galerie, Schmuckstudio, Podcast-Raum, bald ein Fotolabor. Zusammen mit Geschäftspartner Max erschafft er einen Ort für Künstler, Träumer, Macher, für Community.

Seine Reisen und seine Arbeit haben ihn verändert. Die Kamera in der Hand, die Verantwortung für ein Team, das Leben zwischen Kulturen – all das hat Spuren hinterlassen. Nach vielen Jahren auf Reisen war er nur selten in Deutschland. Doch als er nach längerer Zeit zurückkam, wurde ihm klar, wie sehr sich etwas verschoben hatte. Routinen, Gespräche, Erwartungen, vieles fühlte sich fremd an, obwohl es einst vertraut war. „Wegzugehen und jemand anders zu sein, das ist einfach“, sagt er. „Aber zurückzukommen und derjenige zu bleiben, das ist schwer.“
Heute lebt Fabian mit Freundin, Hund und Katze in Bali. Sesshaft? Vielleicht ein bisschen. Zumindest für den Moment. Er fährt mit dem Motorrad zur Arbeit, leitet ein Team aus zwölf Mitarbeitenden, ist Creative Director bei der Stock-Plattform Filmcuts, plant die Expansion seiner Marke nach Europa und in die USA. Mercedes, Porsche, Dior – große Namen gehören längst zu seinem Portfolio. Doch sein Alltag ist oft einfach: mal Homeoffice, mal Shooting, mal Event. Und das ist gut so, findet er.

Stuktur für die Freiheit
Was ihn früher eingeengt hat, feste Abläufe, Genauigkeit, der Anspruch, Dinge richtig zu machen, ist heute Teil seines Fundaments. Gerade in einem Umfeld wie Bali, wo vieles entspannter läuft, ist diese Mischung aus schwäbischer Struktur und kreativer Freiheit genau das, was sein Leben für ihn so besonders macht.
Niemand kann dir geben was du willst, außer dir selbst.
Fabian Mattner weiß heute, dass alles genau so kommen musste.
Fragt man ihn, was er beruflich macht, sagt er nach kurzem Zögern: Unternehmer. Ein Begriff, den er inzwischen verstanden hat – und lebt. Auch wenn sein kreativer Freigeist sich innerlich manchmal dagegen sträubt. Kreativität allein reicht eben nicht, wenn man sie auf Dauer leben will. Wer gestalten will, muss Strukturen schaffen, Verantwortung übernehmen, Rechnungen schreiben, Entscheidungen treffen. Es braucht Haltung und Handwerk. Für ihn ist Unternehmertum kein Etikett, sondern ein Schutzmantel – einer, der die kreative Welt, die er sich aufgebaut hat, zusammenhält. Er hat verstanden, dass man diese Welt nur halten kann, wenn man sie auch tragen kann.
„Niemand kann dir geben, was du willst, außer dir selbst“, sagt er. Vielleicht ist das sein größter Erfolg: Dass er sich selbst erlaubt hat, es zu versuchen, und geblieben ist.

Mehr von Fin Matson
Weitere Informationen zu Fabians Projekten gibt es unter www.yoreh.co, Einblicke in seine fotografische Arbeit auf Instagram unter @finmatson.





