Nürtingen. Überhebliche Kommentare von Männern kennt Ronja Ester zur Genüge. „Die muss man sich ab und zu anhören“, sagt die 26-Jährige. Das sei wohl leider üblich, wenn Frauen plötzlich in männerdominierten Berufen auftauchen. Ob sie die Sprüche stören? „Ne, dann gibt’s halt einen blöden Spruch zurück.“
An Selbstbewusstsein fehlt es Ronja Ester sicherlich nicht. Die Nürtingerin ist Feuerwehrfrau, Rettungssanitäterin, Mechatronikerin und seit einiger Zeit auch Influencerin. „Ich selbst würde mich nie so bezeichnen, aber die Leute tun es“, sagt Ester und muss lachen. Wie sie zum Internet-Star geworden ist, weiß die gebürtige Riedericherin selbst nicht so genau: „Ich habe irgendwann angefangen, Bilder von dem zu machen, was ich so tue. Eigentlich nur für mein privates Instagram-Konto.“
Doch was Ronja Ester so tut, ist ziemlich außergewöhnlich: Sie posiert in voller Feuerwehrmontur, nimmt die Leute mit auf eine Fahrt im Rettungswagen oder zersägt mit einer riesigen Motorkettensäge einen Baum. Nur während eines richtigen Einsatzes wird nicht gefilmt: „Da muss ich mich auf andere Dinge konzentrieren.“
32 000 Abonnenten
Den Leuten gefällt es, die Fangemeinde von „firefighter_ronja“ – wie sich Ester auf Instagram nennt – wächst schnell. Mittlerweile hat sie fast 32 000 Abonnenten, die ihre Beiträge verfolgen. Dass sie sich mehr für schwere Maschinen als für Puppen interessiert, merkt Ester schnell: „Ich war schon von klein auf technikbegeistert und ein richtiges Papakind.“ Wenn sie nicht gerade mit Kettensägen oder Rettungsspreizern hantiert, fährt sie leidenschaftlich gerne Motorrad.
Die Faszination für die Feuerwehr liegt in der Familie. „Eigentlich bin ich durch meinen Onkel zur Feuerwehr gekommen.“ Bereits mit elf Jahren schließt sie sich der Jugendfeuerwehr in Riederich an. „Mir hat die Kameradschaft untereinander gefallen.“ Bei der Abteilung in Riederich ist sie nicht die einzige Frau – anders sieht das in Grötzingen aus. 2017 zieht Ronja Ester nach Aichtal und geht auch hier zur Feuerwehr. Dass sie die erste Frau in der Abteilung ist, stört sie nicht. Solche Situationen sei sie mittlerweile gewöhnt. Als erste weibliche Auszubildende fängt sie bei einer Nürtinger Firma eine Lehre zur Mechatronikerin an. Als sie anschließend zum Aichtaler Unternehmen Putzmeister wechselt, ist sie die einzige Frau in der Montagehalle – bis heute.
Und wie reagieren männliche Kollegen? „Anfangs sind einige skeptisch, aber wenn man seine Sache gut macht, dann bekommt man auch Anerkennung“, sagt Ester: „Man sollte natürlich nicht gleich am ersten Tag mit langen Gelnägeln auftauchen“, ergänzt sie lachend. Feuerwehr und Montagehalle sind ihr aber nicht genug.
In Aichtal schließt sich Ester den Maltesern an und wird First Responder. Die ehrenamtlichen Helfer sind bei Notfällen die Ersten am Einsatzort und überbrücken die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes. Da Ronja aber unbedingt selbst im Rettungswagen sitzen will, nutzt sie die Corona-Pause und absolviert eine Fortbildung zur Rettungssanitäterin. Heute ist sie nicht nur für die Malteser Neckar-Alb sondern auch für den DRK-Rettungsdienst Esslingen-Nürtingen unterwegs. Hier lernt sie während eines Einsatzes auch ihren Partner kennen und zieht 2022 von Aichtal nach Nürtingen.
Für die Einsatzkräfte ist Ronja Ester dank ihrer Popularität mittlerweile zu einem Aushängeschild geworden. „Ich bin regelmäßig als Messebotschafterin unterwegs, um für den Beruf zu werben.“ Auch andere Anfragen bleiben nicht aus. „Es kommen immer wieder Angebote für Werbepartnerschaften. Zum Beispiel für Einsatzkleidung“, sagt Ester.
Mittlerweile verdient sie sich als Influencerin ein wenig Geld dazu. „Wenn ich wollte, könnte ich wesentlich mehr Geld damit verdienen. Ich habe schon sehr viele Angebote abgelehnt.“ Werbung möchte sie in erster Linie für die Rettungskräfte selbst machen. „Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen für das Ehrenamt engagieren. Es wäre natürlich schön, wenn sich mehr Frauen trauen würden.“ Matthäus Klemke