Im Garten zu sitzen war für Familie Goedeckemeyer in Oberlenningen in den vergangenen Wochen unmöglich. Schuld daran war nicht nur das miese Wetter. „Es hat oft so gestunken, dass man es nicht ausgehalten hat“, sagt Klaus Goedeckemeyer. „Unserem Nachbarn ist es bei der Gartenarbeit einmal richtig schlecht geworden.“ Auch Leute, die in der Ortsmitte einkaufen waren, beschreiben den an Silofutter erinnernden Geruch als unangenehm süß-säuerlich. Inzwischen ist klar: Die Ursache liegt bei Silphie-Paper - der Firma, die sich im Juli 2019 auf dem Gelände der Papierfabrik Scheufelen angesiedelt hat. Hergestellt wird in dem Nachfolgeunternehmen ökologisches Papier aus Fasern der „Durchwachsenen Silphie“.
Klaus Goedeckemeyer, der rund einen Kilometer von der Fabrik entfernt wohnt, hatte sich wie andere Bürger nicht nur ans Rathaus gewandt, sondern seine Beobachtungen auch der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg gemeldet. Inzwischen ist das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart als Genehmigungsbehörde auch auf Betreiben der Kommune mit dem Thema befasst. Vergangene Woche wurde der Betrieb aufgefordert, bis Mittwoch Maßnahmen gegen die Geruchsbelästigung zu ergreifen und einen Bericht vorzulegen. „Wir stehen in engem Kontakt mit der Gemeinde, einzelnen Bürgerinnen und Bürgern sowie der Firma“, so lässt die Pressestelle des RP verlautbaren. Ursächlich für die Gerüche seien gemäß dem Unternehmen die Silphiefasern. „Deren Einsatz wurde deshalb gestoppt“, heißt es vonseiten der Behörde. Eine Wiederaufnahme sei erst vorgesehen, wenn der Lieferant die Faseraufbereitung verbessert habe.
Geschäftsführer Stefan Radlmayr kann sich die Geruchsbildung tatsächlich nur durch die Aufbereitung der Pflanzenfaser im Energiepark „Hahnennest“ in Ostrach erklären. Dort wird in einem Modellprojekt die Silphie gekocht, gewaschen und die Faser getrennt, die als Rohstoff zur Papierherstellung dient. „Wir sind noch in einem Entwicklungsstadium“, betont Stefan Radlmayr. Dass es zu den unangenehmen Gerüchen gekommen sei, könne am Rohmaterial liegen, genauso aber an der geänderten Prozesssteuerung des Zulieferers. So wirkten sich Temperatur und Druck auf die Qualität der Faser aus. „Wir stehen zu unserer Verantwortung, und nehmen die Beschwerden ernst“, betont er.
Bis Ende kommender Woche stehen bei Silphie-Paper die Räder erst einmal still. Ein zusätzlicher Waschvorgang in Ostrach und die Rückkehr zur früheren Aufbereitung sollen helfen, den störenden Geruch in Lenningen gar nicht erst entstehen zu lassen. „Zusätzlich werden wir intern sehen, was wir im Abluftsystem tun können“, kündigt der Geschäftsführer an. In der Maschinenhalle habe man in den vergangenen Wochen wie sonst auch lediglich einen an Tabak erinnernden Geruch wahrgenommen. Nach wie vor ist der Firmenchef von der Silphie überzeugt: „Wir machen das Papier komplett chemiefrei“, sagt er. Produziert werden im Normalbetrieb pro Tag 20 Tonnen des bräunlichen Ökopapiers.
Klaus Goedeckemeyer ist derweil froh, dass er seit ein paar Tagen draußen wieder durchatmen kann. Ließe sich der Gestank allerdings nicht dauerhaft abstellen, würden auch die Grundschüler leiden, die auf halbem Weg zwischen der Firma und seinem Haus die Schulbank drücken. „Sie müssen alle 20 Minuten die Fens- ter aufmachen. „So wie das gerochen hat, ist das nicht tragbar.“