Zwischen Neckar und Alb
Fischtreppe bei Wendlingen: Den Fischen auf die Sprünge helfen

Umweltschutz Die Firma HOS modernisiert derzeit die Wasserkraftanlage auf dem Areal der Neckarspinnerei. Zentraler Bestandteil der Arbeiten ist eine Fischauf- und -abstiegshilfe. Von Sylvia Gierlichs

Die Wasserkraft hat in Wendlingen eine lange Tradition. Das hat viel mit der Familie Otto zu tun, die die Wasserkraft nutzte, um auf den Firmengeländen, der Spinnerei in Unterboihingen und in der Weberei in Wendlingen, die Maschinen anzutreiben. Diese Tradition, das Wasser des Neckars zu nutzen, soll auf beiden Arealen fortgesetzt werden, auch wenn heute die Maschinen der Firma Otto stillstehen.

Die Anlage auf dem Areal der Neckarspinnerei ist aus dem Jahr 1936. Sie erzeugt bis heute Strom. Das zeigt, ein Wasserkraftwerk ist kein Wegwerfprodukt, es verrichtet seine Arbeit über lange Jahre zuverlässig. Doch die Anforderungen an die Wasserkraft sind gestiegen und so stehen derzeit auf dem Areal Umbauarbeiten an, die vor allem der Ökologie und dem Fischschutz dienen. Mit einem Fischaufstieg und einem separaten Fischabstieg sowie einer Rechenanlage, deren horizontale Durchlässe klein genug sind, dass kein Fisch mehr in die Wasserkraftanlage hineinkommt, wird die Anlage noch bis Februar 2023 nach den neuesten technischen Richtlinien optimiert.

 

Die Tiere suchen aktiv einen Durchgang und orientieren sich an der Strömung.
Peter Fix
Der Architekt über das Verhalten der Fische bei Hindernissen
 

Neu gebaut wird auch ein Einlaufschütz, der die Wassermenge im Kanal reguliert. Der ist bisher aus Holz, wie HOS-Architekt Peter Fix erklärt. Hoch- und runtergefahren wird er mittels Zahnstangen. Und auch dieser Einlaufschütz soll erneuert werden und wird künftig aus Cortenstahl sein. „Das unterstreicht noch einmal den Industriecharakter des Quartiers“, sagt der Kaufmännische Leiter der HOS-Gruppe, Frank Reiner.

Investition ist ein Kraftakt

Knapp drei Millionen Euro inves­tiert die Firma in diesen Umbau. „Für uns ein Kraftakt“, wie Reiner sagt. Dafür liefert die Anlage rund drei Millionen Kilowattstunden Strom. „In einem guten Jahr“, wie Reiner sagt. Strom, der früher die Spinnerei versorgt hat, der jedoch nun, da die Maschinen stillstehen, ins öffentliche Netz eingespeist werden soll. Zwölf Cent beträgt die Vergütung pro Kilowattstunde. In einem Jahr, in dem die Leistung gut ist, also das Wasser des Neckars eine konstante Höhe hat, können so 360 000 Euro erwirtschaftet werden. Rechnet man den Betrieb der Anlage, Reparaturen und Personalkosten dagegen, wird klar: Es wird ein paar Jahre dauern, bis der Invest ausgeglichen ist. Das wichtigste Bauwerk, das in Unterboihingen entsteht, ist die Fischaufstiegshilfe. Denn die Fische erhalten ihren eigenen kleinen Kanal, in dem sie über sogenannte Kaskadenbecken die Höhendifferenz überwinden können und nicht Gefahr laufen, in den Rechen zu geraten. Doch wie findet der Fisch zu den Hilfen? „Die Tiere suchen in den Gewässern aktiv einen Durchgang und orientieren sich dabei an der Strömung“, erläutert Peter Fix. Mit einer sogenannten Leitströmung am Fuße des Hindernisses kann man die Fische in das für sie errichtete Bauwerk locken.

Die Hochwasserschutzmauer, die derzeit am sogenannten Pentagongebäude entlangläuft, hat ebenfalls ausgedient und wird abgebrochen. „Der Hochwasserschutz soll auf die Neckarinsel transferiert werden“, erklärt Fix. Der so gewonnene Freiraum vor dem Pentagon-Gebäude könnte dann beispielsweise als Biergarten genutzt werden.

Die Neckarspinnerei ist eine klassische Industrieanlage, die wegen der Energiegewinnung an den Neckar gebaut wurde. Mit ihren historischen Gebäuden strahlt das Areal, das ein Projekt der Internationalen Bauausstellung (IBA) ist, einen ganz besonderen Charme aus. Hier soll ein Quartier entstehen, in dem gearbeitet und gewohnt wird. „Eigentlich eine Nutzung, die hier schon immer exis­tiert hat“, wie Frank Reiner sagt. Das IBA-Motto „Wohnen und Arbeiten am Fluss“ ist hier bestens verankert.