Am Bruckenwasen hat einer kräftig genagt: nicht etwa der Zahn der Zeit, sondern der von einem oder sogar zwei Bibern. Sie haben sich schon länger auf dem einstigen Gartenschaugelände niedergelassen, aber in den vergangenen Wochen besonders viele, unübersehbare Spuren hinterlassen. Die verstärkten Biber-Aktivitäten überraschen Harald Brandstetter nicht: „Solche Schäden wird man hauptsächlich in den Wintermonaten feststellen, zwischen November und Februar.“ Dann finden Biber wenig andere Nahrung, verspeisen Baumrinde und fällen auch Bäume, um ans zartere Geäst zu gelangen. In der wärmeren Jahreszeit futtert der reine Vegetarier dagegen gern Grünpflanzen, Schilf, Obst oder Feldfrüchte.
Brandstetter gehört zu der Handvoll Biberberatern im Kreis Esslingen, ausgebildet in einem Programm des Umweltministeriums. Dessen Ziel ist, fachkundige Ansprechpartner zu haben, die bei Konflikten mit Bibern vermitteln können. Deren Zahl wird auch im Kreis Esslingen zunehmen, ist sich Brandstetter sicher. Allein im Bereich der Wernauer Baggerseen und am Plochinger Bruckenwasen weiß er von drei Vorkommen, bei denen es sich auch um Paare handeln könnte. Schließlich haben sich die Tiere Bauten, die Biberburgen, angelegt: Vom Zugang, immer unter dem Wasserspiegel gelegen, führt eine Röhre zum „Wohnkessel“, der rund einen Meter breit und bis zu einem halben Meter hoch in den Boden eingegraben ist. Oben drüber bleiben oft nur zehn oder 20 Zentimeter Erdreich - das kann schon mal einbrechen, wenn Menschen drüber gehen. So geschehen am „Holzplankenweg“ entlang der Bahnlinie in Plochingen. Aus Sicherheitsgründen hat der Bauhof das Erdloch mit Schotter verfüllt, mittlerweile drei Mal, denn jedes Mal gräbt der Biber unbeirrbar daneben einen neuen Bau.
Auf einer Runde am Neckarufer zeigt Harald Brandstetter immer wieder auf „Biberrutschen“, kleine Trampelpfade an der Böschung. Spektakulärer sind die angenagten Bäume, sie stehen manchmal nur noch auf einer Wespentaille. Auch mehr als einen halben Meter dicke Stämme bekommt das Nagetier locker durch, in „Sanduhrtechnik“ immer rundum. Biber-Zähne sind ein effizientes, stetig nachwachsendes Werkzeug. Ihre Orangefärbung auf der Außenseite „entsteht durch die Einlagerung von Eisen“, erklärt Brandstetter. Dieses härtet die Zähne, die jedoch innen aus weicherem, normalen Zahnschmelz bestehen. Weil dieser sich schneller abnutzt, bildet sich immer eine sehr scharfe Schneide. Dennoch fressen Biber am liebsten weiches Holz wie Weiden und Eschen, auch wegen deren Inhaltsstoffen. Die in Weidenrinde enthaltene Salicylsäure reichert sich im Bibergeil an, einem Sekret, mit dem sie ihr Revier markieren oder Weibchen anlocken - dem Biberduft. Die Redewendung, „stinkt wie Biber“, kommt nicht von ungefähr.
Am Bruckenwasen hat der Bauhof mittlerweile einige Bäume aus Sicherheitsgründen gefällt und das Holz liegen gelassen, damit die Tiere die Rinde abnagen können. Einige Stämme am Wasser und die Obstbäume bei der Fischerhütte wurden mit einem Maschendraht gegen Verbiss geschützt, der Filshechtkopf ist wegen eines nicht mehr standsicheren Baumes momentan abgesperrt. Weiter als rund 20 Meter vom Ufer entfernen sich Biber normalerweise nicht, erklärt Brandstetter. Spannend wird es, wenn Junge aufwachsen und sich auf Wanderschaft begeben, um ein eigenes Revier zu suchen. „Unsere Gegend ist noch lange nicht ausgereizt, was Biberbestände betrifft“, sagt der Biber-Experte. Neckarabwärts wird nicht mehr viel gehen, denn mit den Spund- und Betonwänden im Hafenbereich können die Nager nichts anfangen. Aber Fils, Körsch, Aich oder Lauter böten noch einiges Potenzial.