Verkehr
Flugsicherung setzt sich über Votum der Fluglärmkommission hinweg

Die neue Flugroute in Richtung Süden ist seit Donnerstag im Regelbetrieb. Die Gegner sind empört über den Beschluss der Flugsicherung. Im Neckartal herrscht dagegen Erleichterung.

Teile Nürtingens und die Filderkommunen werden durch die neue Flugroute stärker belastet. Foto: Carsten Riedl

Das verkürzte Abflugverfahren für Flüge von Stuttgart in Richtung Süden ist seit Donnerstag im Regelbetrieb. Nachdem die Gegner der neuen Flugroute ihre Klagen beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim kurzfristig zurückgenommen hatten, stehe „nach übereinstimmender Rechtsauffassung der Deutsche Flugsicherung (DFS) und des Bundesamts für Flugsicherung (BAF) der regelhaften Nutzung der TEDGO-Verfahren kein Sachgrund mehr entgegen“, teilt die DFS mit.

Die Gegner der neuen Strecke kritisieren diese Entscheidung der Behörden scharf. Sie verweisen auf die Abstimmung in der Fluglärmkommission vom 6. Mai, die mit sechs Nein-Stimmen, fünf Enthaltungen und fünf Ja-Stimmen gegen die neue Route ausfiel. Seit Donnerstag wird die neue Route nun nicht mehr im Probebetrieb geflogen. Das bedeutet, die Deckelung auf ein bis zwei Flüge pro Stunde entfällt. „Wie viele Flüge in der Stunde genau geflogen werden, lässt sich nicht voraussagen“, sagt Robert Ertler, der Pressesprecher der DFS. Die neue Route wird nur an Tagen mit Ostwind geflogen. „An 196 Tagen erfolgte auf der neuen Route kein Betrieb“, fasste der Gutachter Markus Petz vom Büro Accon in seinem ausführlichen Lärmgutachten zusammen, das den einjährigen Probebetrieb begleitet hat. Die Expertise wurde in der Fluglärmkommission vorgestellt.

„Ausführliche Lärmmessungen waren wichtig“

„Die ausführlichen Lärmmessungen waren wichtig, um den Probebetrieb beurteilen zu können“, sagt Ostfilderns Oberbürgermeister Christof Bolay, der Vorsitzende der Kommission. Aus seiner Sicht „sprechen die Sachargumente für die neue Flugroute.“ Diese Expertise hat die Kommission öffentlich gemacht. Auf Basis der Messwerte habe man die Flugroute bewertet. Bolay betont, dass zwei Vertreter der Bundesbehörde in der Sitzung anwesend waren. „Fluglärmkommissionen haben kein Veto“, sagt Robert Ertler. In diesem Fall sei man „dem knappen Votum nicht gefolgt, weil die Sachargumente für die neue Route sprachen“. Das sind für ihn die Lärmwerte und die Ersparnis von CO2.

Bürgermeister der neu betroffenen Fildergemeinden hatten in der Sitzung der FLK den Antrag gestellt, über die Flugroute abzustimmen und ihre Argumente in einem Schreiben an das BAF zusammengetragen. „Ich bin baff, dass das BAF nun trotz unseres Beschlusses in unserem Gremium so entschieden hat“, sagte Neuhausens Bürgermeister Ingo Hacker. Er und seine Kollegen waren davon ausgegangen, dass es Gespräche geben werde, bevor endgültig über die Flugroute entschieden wird. „Mein Verständnis von Demokratie ist ein anderes“, sagt Hacker mit Blick auf die Mitteilung der Flugsicherung, die den Übergang in den Regelbetrieb ankündigt. „Wir werden das Protokoll der Sitzung abwarten und bewerten, was zu tun ist.“ Nürtingens Oberbürgermeister Johannes Fridrich kündigte an, dass man gegen die Entscheidung vorgehen werde.

Erleichtert sind indes die Verwaltungschefs im Neckartal von der Entscheidung des BAF. Das brachte Deizisaus Bürgermeister Thomas Matrohs in einer Mitteilung auf den Punkt. „Für zehntausende Menschen in den vom Fluglärm hoch belasteten Kommunen Esslingen, Altbach, Deizisau, Plochingen, Wernau und Wendlingen bedeutet diese Entscheidung von BAF und DFS, dass nun spürbare Fluglärm-Entlastungen dauerhaft und nachhaltig eintreten werden.“ Diese Entscheidung bringe auch zum Ausdruck, „welche Kommunen seit Jahren und Jahrzehnten die Fluglärm-Hauptlast für unsere Region tragen und ertragen.“

Bürgermeister im Neckartal begrüßen das Votum

Auch Plochingens Bürgermeister Frank Buß begrüßt das Votum: „Es ist beruhigend, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nach der tatsächlichen Sach- und Rechtslage entschieden und nicht dem massiven politischen Druck nachgegeben hat.“ Seine Wernauer Kollegin Christiane Krieger hofft darauf, dass nun gemeinsame Gespräche über Fluglärm „auf wissenschaftlicher Grundlage“ stattfinden. Auch ihre Kollegen Martin Funk aus Altbach und Steffen Weigel aus Wendlingen äußerten sich positiv.

Die Reaktionen der Bürger sind in den betroffenen Gebieten gespalten. „Für uns im Neckartal ist jede Entlastung ein Gewinn“, sagt Dieter Schwarz aus Deizisau. Da die Route an vielen Tagen nicht geflogen werde, „bleibt an uns eine Hauptlast hängen.“ Verärgert sind die Mitglieder der Bürgerinitiative „Vereint gegen Fluglärm“. Sie sprechen von einem „Schlag ins Gesicht der betroffenen Bürger“ und den heftigen Protest. Sie haben sich in einem Schreiben mit der Bitte um Unterstützung an Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) gewandt.

Wie die Entscheidung zustande kam

Verfahren: Die endgültige Entscheidung über Flugverfahren liegt beim Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF). Die Vertreter der Bundesbehörde haben nun entschieden, dass die neue Flugroute am 13. Juni in den Regelbetrieb übergeht. „Wir richten uns bei der Entscheidung nach Sachargumenten“, sagt Kerstin Weber, die Pressesprecherin des BAF. Die Argumente der Gegner hätten der Behörde zwar vorgelegen, sie aber nicht überzeugt.

Perspektive: „Wir richten uns in der Regel nach den Empfehlungen der Fluglärmkommissionen“, sagt Robert Ertler, der Pressesprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS), die nun das Ende des Probebetriebs verfügt hat, der auf ein bis zwei Flüge pro Stunde gedeckelt war. Es sei „zwar selten, aber durchaus schon vorgekommen, dass man gegen deren Votum entscheidet.“ eli