Kreisarchäologe Reinhard Rademacher und sein Team machen in einem Waldstück am Albtrauf im Oberen Filstal eine explosive Entdeckung. Sie stoßen auf 30 scharfe Granaten russischer Bauart aus dem Zweiten Weltkrieg, die dort damals entsorgt wurden. Spezialkräfte des Kampfmittelbeseitigungsdiensts Baden-Württemberg waren deshalb in dieser Woche im Einsatz.
Die Männer aus Stuttgart graben im Waldboden mit Spaten und Schaufeln nach den Waffen. Immer wieder stoßen sie dabei auf Granaten, die sie vorsichtig herausnehmen. Eine Person, die außerhalb des Erdlochs steht, nimmt die Granaten vorsichtig in Empfang. Laut Rademacher nimmt das Spezialteam die Waffen mit und entschärft sie. Außerdem findet das Team am Mittwoch Maschinengewehr-Munition, die mehrere Eimer füllt. Man sei in der Sache zudem mit der Denkmalpflege im Austausch.
Die Kreisarchäologie ist auf die Granaten aufmerksam geworden, weil eine Metallsonde angeschlagen hat, erklärt Rademacher. Die Sonde hatte angezeigt, dass sich
im Waldboden scharfe Waffen befinden. Damit wurde die Sache für Rademacher zu heiß und er holte den Kampfmittelbeseitigungsdienst aus Stuttgart zur Hilfe.
„Die Granaten wurden hier nach dem Krieg entsorgt und sind nicht mal stark verrottet“, erklärt der Archäologe. „Solche Waffen sind auch noch nach 100 Jahren genauso gefährlich wie einst.“ Wenn Experten daran arbeiten, bestünde allerdings keine Gefahr, sagt der Kreisarchäologe. Dasselbe gelte für Spaziergänger, da die Waffen tief unter der Erde liegen. Anders verhalte es sich, wenn Menschen, die nicht vertraut mit dem Thema sind, anfangen danach zu graben. Das sei erstens verboten und zweitens gefährlich, betont der Kreisarchäologe. Um illegalen Sondengängern vorzubeugen, darf nicht in der Zeitung stehen, wo genau der Fundort der Waffen liegt.
Doch wie ist Rademacher selbst auf den genauen Ort gekommen? Zeitzeugen hätten ihm bereits vor Jahren die Gefechtsstellungen aus dem Zweiten Weltkrieg gezeigt. Die Zeugen hätte man im Jugendalter aus dem Tal auf den Albtrauf geschickt, um den Soldaten Verpflegung zu bringen. Am Albtrauf seien auch russische Soldaten eingesetzt worden, die zu den Deutschen übergelaufen waren. Das erkläre auch, warum nun russische Waffen gefunden werden.
„Nach dem Krieg haben sich dann Jugendliche einen Spaß daraus gemacht, Handgranaten zu zünden und ins Tal hinunterzuwerfen“, weiß Rademacher aus Zeitzeugenberichten. „Das hat einen ordentlichen Krach gemacht.“
Für Rademacher steht fest: An der Ausgrabungsstelle ist gekämpft worden. Das bezeugen Patronenhülsen, die am Albtrauf gefunden wurden. Außerdem sind dort Granat-Trichter durch Einschläge des amerikanischen Beschusses aus dem Tal zu erkennen. Die bewaffneten Auseinandersetzungen an der Stelle waren allerdings nicht von langer Dauer, so Rademacher. Der Grund: Die Überlegenheit der Amerikaner.
Die nun entdeckten Stellungen am Albtrauf markierten die Verteidigungslinie der Deutschen im Jahr 1945 gegen die amerikanischen Truppen. Die Albtrauflinie habe sich von Aalen über Heubach, Böhmenkirch, Geislingen, Wiesensteig bis nach Urach, Reutlingen, Hechingen und Friedingen erstreckt.
Das Ziel der derzeitigen Arbeiten sei es, die Kampfstellungen zu erkunden, zu dokumentieren und somit zu sichern. „Das sind historische Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg“, erklärt Rademacher. Es gehöre zu seinen Aufgaben als Archäologe, diese Stellungen als Bodenmerkmale aufzunehmen.