Es geht um nicht weniger als die Welt zu ernähren. „In Zeiten der Klimaveränderung nehmen die Flächen ab“, sagt Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Auf Einladung von Dr. Natalie Pfau-Weller, CDU-Landtagsabgeordnete des hiesigen Wahlkreises, ist er auf dem Hofgut Tachenhausen bei Oberboihingen zu Gast, das Teil des Campus der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) ist.
Das unter Denkmalschutz stehende Ensemble bereitet der HfWU nicht unerhebliche Probleme, weshalb sich die zuständigen Verantwortlichen an den Minister wenden. Sie wollen eine zukunftsfähige, praxisorientierte Landwirtschaft entwickeln, die sich durch den Klimawandel ständig neu erfinden muss. Wissenschaftlich fundiert sollen Pflanzensorten, Bodenbearbeitungstechniken und gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung erforscht werden. „Die Landwirtschaft steht vor einem Transformationsprozess. Der Lehr- und Versuchsbetrieb Tachenhausen muss als Vorzeigebetrieb für die Region fungieren“, erklärt Dr. Maria Müller-Lindenlauf, Professorin für Agrarökologie. Doch das scheitert bislang an der maroden Bausubstanz des alten Hofguts. Das Gebäude gehört der Stadt Nürtingen, die nur das Nötigste an Reparaturen vornimmt. „Es ist eigentlich nur Kosmetik. Außen sieht es noch ganz okay aus, innen ist es aber eigentlich eine Ruine“, sagt Dr. Carola Pekrun, Professorin und Prorektorin. Der Pachtvertrag läuft 2025 aus, es besteht jedoch die Möglichkeit der Erbpacht. „Wichtig wäre die Übernahme durch das Land, denn es zahlt indirekt ja jetzt schon die Kosten“, wirbt Carola Pekrun für diesen Schritt. Das Land müsste also Geld in die Hand nehmen, um den Investitionsstau abzubauen.
Vor allem die Tierhaltung ist betroffen, dort seien von der Stadt Nürtingen nur „die allernotwendigsten Dinge“ renoviert worden, etwa das Dach gedeckt. Dieser Bereich liegt Dr. Stephan Schneider, Leiter des Lehr- und Versuchsbetriebs und Professor für Tierernährung, besonders am Herzen. Bislang arbeitet er mit Pensions-Rindern, -Pferden und -Ziegen. Das Wort Pension würde er gerne streichen und mit eigenen Tieren im Lehr- und Versuchsbetrieb Tachenhausen arbeiten, der zu einer Dialog- und Innovationsplattform für die Landwirtschaft der Zukunft weiterentwickelt werden soll. Der Not gehorchend hat er jetzt mit Mastgeflügelhaltung in mobilen Ställen begonnen. Mit der Universität Hohenheim gibt es eine Kooperation, beide Einrichtungen arbeiten ergänzend zusammen. Pferde sucht man deshalb auf dem Unigelände vergebens, hier liegt die Kompetenz in Nürtingen.
Unerlässlich ist auch praxisnah und wissenschaftlich fundiert ausgebildetes Fach- und Führungspersonal. „Der Betrieb muss modernisiert werden“, steht für Maria Müller-Lindenlauf außer Frage. Dazu zählt auch schweres technisches Gerät, um die Landwirte für die Zukunft fit zu machen. Erforscht werden sollen im Bereich Pflanzenbau beispielsweise Geräte zur mechanischen Unkrautkontrolle – dies würde Investitionen von etwa 185 000 Euro mit sich bringen. Mit Ziegen arbeitet die HfWU schon lange. Ein Ziegenforschungsstall würde etwa 95 000 Euro kosten. Im Fokus sind dabei Kitzaufzucht und Tierwohl. Vor allem für die Landschaftspflege sind die gewitzten Wiederkäuer interessant. Sie fressen sich in steilen Lagen mit Begeisterung durchs Gestrüpp. Damit erhalten sie die Artenvielfalt, ganz ohne dieselbetriebene Maschinen und Unfallgefahr für den Mensch.
„Wer eine zukunftsfähige Landwirtschaft will, kann sie nicht umsonst haben. In die Ausbildung eines Landwirts muss genauso investiert werden, wie für einen Informatiker – ebenso in die Forschung. Deshalb ist eine Hochschule nicht zum Nulltarif zu haben“, steht für Minister Peter Hauk außer Frage. Die Kosten, die dafür entstehen, müsse das Land erbringen. Die Lehre sei schließlich ständig im Wandel begriffen – erst recht in Zeiten des Klimawandels. „Was vor 20 Jahren galt, hat heute schon lange nicht mehr Bestand. Wir müssen jungen Landwirten Lösungskompetenz vermitteln, dass sie sich diesem Veränderungen ständig anpassen können“, erklärt Peter Hauk, der in Bezug auf das Hofgut Tachenhausen von einem „echten Kleinod“ spricht.
Vor allem der Praxisbezug des Lehrbetriebs ist ihm wichtig. Deshalb war er vom Weltacker begeistert, den Studierende des zweiten Semesters angelegt haben. Dort wachsen neben Kartoffeln, Mais, Stangenbohnen und Tomaten auch Tabak- und Erdnusspflanzen, ebenso Sojabohnen, Kichererbsen und Süßkartoffeln – letztere Sorten gedeihen wegen des Klimawandels zum Teil erstaunlich gut. „So einen Raum zum Testen brauchen Studierende. Am Ende geht es um praktische Fragen“, so der Minister.