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Früchtehändler prellen ihre Angestellte um all ihre Ersparnisse 

Justiz Die Geschäftsführer eines Unternehmens wurden  vom Amtsgericht Nürtingen verurteilt. Ihrem Opfer ist das nur ein schwacher Trost.

Nürtingen. „Ich habe ihnen meinen letzten Cent gegeben. Ich weiß nicht, wie man jemanden so behandeln kann.“ In der Stimme von Renate Mayer (Name redaktionell geändert) hört man ihre Verzweiflung deutlich heraus. 16 Jahre lang habe sie als Reinigungskraft bei einem Früchtehandel in der Nürtinger Innenstadt gearbeitet. Zusammen mit ihrem Ehemann hatte sie etwas Geld zur Seite gelegt. „Das Dach unseres Hauses war beschädigt, wir wollten es reparieren lassen“, sagt ihr Mann. Nun sei das ganze Geld weg – insgesamt 17.500 Euro.

10.000 Euro in bar übergeben

Es sei ihr schon ein wenig merkwürdig vorgekommen, als ihre Chefs sie 2021 um ein Darlehen bitten, erinnert sich Renate Mayer. „Sie sagten, dass sie ansonsten die Stromrechnung und den Lieferanten nicht bezahlen könnten.“ Sie habe den beiden Männern vertraut, schließlich kenne sie die Familie seit vielen Jahren, habe immer ein freundschaftliches Verhältnis zu ihnen gehabt. „Ich habe nicht nur im Laden geputzt. Bei ihnen zu Hause habe ich Wäsche gemacht, geputzt und gekocht.“

Gemeinsam mit ihrem Mann habe sie entschieden, ihren Vorgesetzten finanziell unter die Arme zu greifen. „Ich habe gleich 10.000 Euro abgehoben und es ihnen gegeben“, sagt Mayer. Insgesamt habe sie den Männern 17.500 Euro geliehen. „Das war im März 2021.“

Trotz des Vertrauens, das sie den Geschäftsinhabern entgegengebracht habe, sei sie auf Nummer sicher gegangen und habe einen Vertrag aufsetzen lassen. Die beiden Männer hätten sich bereit erklärt, jeden Monat 450 Euro an ihre Angestellte zurückzuzahlen. „Aber ich habe einmal 500 Euro bekommen, dann war Schluss.“

Mayer habe schon länger das Gefühl gehabt, dass es Schwierigkeiten im Geschäft gibt. Als sie erneut von ihren Vorgesetzten nach einem Darlehen gefragt wird – dieses Mal in Höhe von 40.000 Euro – sei ihr klar gewesen, dass es massive Geldprobleme gibt. „Zu dem Zeitpunkt hatte ich keinen Cent mehr. Ich hatte ihnen alles gegeben.“

Der Früchtehandel ist mittlerweile insolvent, im August 2023 musste das Geschäft dauerhaft schließen, ein Insolvenzverfahren wurde eröffnet. Renate Mayer hat einen Anwalt mit ihrem Fall betraut. Sie und ihr Mann hofften auf Gerechtigkeit, als sie am Dienstagmorgen zum Amtsgericht Nürtingen kamen, um den beiden Männern, die sie um ihr Erspartes gebracht haben, in die Augen zu schauen. Wegen des Verdachts des Betrugs wurden die ehemaligen Geschäftsinhaber vorgeladen, doch sie erscheinen nicht. Mit „fadenscheinigen Begründungen“ hätten sie ihr Fehlen entschuldigt, sagt die Richterin. Der Verteidiger der Männer kann auch nicht weiterhelfen, er habe kaum Kontakt zu seinen Mandanten. „Die beiden sind abgetaucht“, ist sich Mayer sicher.

Bewährungsstrafen für beide Männer

Nach wenigen Minuten wird ein Sitzungsstrafbefehl erlassen. Dabei handelt es sich um ein Urteil, das auch ohne die Anwesenheit der Angeklagten gefällt werden kann. Ein Sitzungsstrafbefehl wird dann erlassen, wenn das Gericht die Schuld für erwiesen ansieht und man davon ausgehen kann, dass es einer Hauptverhandlung nicht bedarf.

Die beiden Beschuldigten werden zu Bewährungsstrafen verurteilt – einer zu zehn Monaten, der andere bekommt acht Monate. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre. Außerdem wird beschlossen, dass die 17.500 Euro eingezogen werden. Renate Mayers Chance darauf, etwas von dem Geld zu bekommen, sind jedoch gering, sagt ihr Anwalt. Die beiden Männer seien hoch verschuldet.

In dem Insolvenzverfahren hätten die Forderungen der Banken Vorrang. Mayer könnte berücksichtigt werden, falls etwas übrig bleiben sollte. Derzeit liegt ihr einziger Trost darin, dass ihre ehemaligen Vorgesetzten nun vorbestraft sind. Ein schwacher Trost, sagt sie. Matthäus Klemke