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Frauenkulturtage in Kirchheim: Von Nonnen bis zur Bierzapferin

Geschichte Eine Stadtführung im Rahmen der Frauenkulturtage gibt Einblick in das Leben mutiger, starker, kreativer Frauen aus verschiedenen Epochen. Von Helga Single

Als im Mittelalter Siedlungen zu Städten erhoben wurden, schlug die große Stunde des Klosters und der Lateinschule in Kirchheim. Dr. Esther Heszler spannt einen Bogen von den frommen Dominikanerinnen, die in Kirchheim drei Belagerungen überstehen mussten bis in die Neuzeit zur liebreizenden Julie Hellmann, der Hermann Hesse in der Erzählung „Lulu“ ein literarisches Denkmal setzt.

Allerlei Anekdoten ranken sich um die Nonnen, deren Bezirk von der Lindach bis ins Klosterviertel und zur alten Stadtmauer reichte. Sie waren autarke Selbstversorgerinnen und zu ihrem Besitz gehörten Getreidespeicher, Ställe und eine Mühle. An der Stelle des heutigen Kirchheimer Finanzamtes stand die Verwaltung des Klosters. Die Schwestern waren wohlhabend, denn gefundene Bodenfliesen, Ofenkacheln und Speierfiguren an Wasserrohren, die zur Lindach führen, lassen dies vermuten. Ein unterirdischer Gang führte ins Freie zur Lindach, vielleicht um Wäsche zu waschen, wie Heszler vermutet.

 

Oft hatten reiche Familien damals etwas auf dem Kerbholz.
Dr. Esther Heszler
zum Grund, weshalb oft eine Tochter ins Kloster geschickt wurde, um das Seelenheil der Familie zu retten

 

Was für Frauen lebten zu dieser Zeit im Kloster? Zum einen, seien es tief religiös überzeugte Frauen gewesen. In katholischen Familien galt es als chic, wie Heszler betonte, dass man eines seiner Kinder ins Kloster gab. Zum anderen habe manchmal die Mitgift für eine standesgemäße Heirat nicht ausgereicht oder die Mädchen wollten sich einfach ihre Freiheit bewahren und nicht in ein Ehekorsett gezwungen werden, das vielfache Mutterschaft und harte Arbeit bedeutete.

Auf alle Fälle gab es zweierlei Klassen, die, je nach finanziellen Mitteln unterschiedliche Tätigkeiten verrichteten. Die Konventsschwestern, meist aus reichem Haus waren bessergestellt und beschäftigten sich mit Stickereien für Messgewänder oder beteten für das Seelenheil ihrer Familien. „Denn oft hatten reiche Familien damals etwas auf dem Kerbholz und so betete die klösterliche Schwester für ihre Familie, damit die Seelen nicht ins Fegefeuer gerieten“, erläutert Esther Heszler. Die alltäglichen, oft schwere körperliche Arbeiten verrichteten Laienschwestern. Im Kloster lebten bis zu 70 Nonnen. Als die frommen Nonnen sich über den lasterhaften Lebensstil ihres weltlichen Schutzherrn, einem Vetter des Herzog Eberhard im Barte, beschwerten, wurden Reformschwestern aus dem Elsass geholt, die dem Treiben ein Ende setzten sollten. Dem Vetter gefiel das nicht und er versuchte die Nonnen auszuhungern, die sich ihm trotzig widersetzten und lieber sterben wollten als nachzugeben. Der Vetter gab schließlich auf und beendete die letzte seiner drei Blockaden 1488.

Im Jahre 1534 kam die Reformation über Württemberg und als der Landesfürst Herzog Ulrich die Nonnen drängte endlich zum „rechten Glauben“, dem Protestantismus zu wechseln und er Steine für seine Landesfestung benötigte, bröckelte das Klosterleben und lief aus. Ab 1538 wurden große Teile des Klosters abgebrochen. Doch die Klosterfrauen durften bis zu ihrem Tode in Kirchheim bleiben.

Hermann Hesse verliebte sich

Anfang des 20. Jahrhunderts rückt eine einzelne junge Frau in das Licht der Öffentlichkeit, als ein großer Literat, der am Anfang seiner Karriere steht, Kirchheim besucht. Hermann Hesse pflegt einen Freundeskreis in Kirchheim und wohnt im Gasthaus Krone, das heute unter „Mega Fun Center“ bekannt ist. Es gehörte der Familie Müllerschön und die armen Nichten des Gastwirts bedienten zu dieser Zeit in der Schankstube. Die anmutige Julie hatte es Hermann Hesse angetan und verdrehte ihm den Kopf. Er gesteht ihr schriftlich seine Liebe, die sie nicht erwidert und verarbeitet dies in der Erzählung „Lulu“. Doch daraus erwächst eine freundschaftliche Verbindung, die ein Leben lang halten sollte. Und in Anbetracht der Tatsache, dass Hesse drei Mal verheiratet gewesen ist, vielleicht keine schlechte Entscheidung, wie Dr. Esther Heszler findet.

 

Weitere Frauen, die die Geschichte Kirchheims beeinflussten und prägten

Im 17. Jahrhundert wirkte und lebte Anna Maria Benz, eine bedeutende Malerin und Kartografin im heutigen Haus 44 in der Max-Eyth-Straße und war maßgeblich an der Innenausstattung der nach dem Brand rasch wiederhergestellten Martinskirche beteiligt. Sie stammte aus einer Kunstschreinerfamilie und malte im Alter von 17 Jahren Porträts in das Epitaph des Stadtvogt Widerholt und seiner Frau Anna. Irgendwie sei sie in Vergessenheit geraten, erzählt Heszler, obwohl ihr künstlerisches Talent herausragend gewesen sei. So wie ihr sei es, in einer Männer dominierten Welt, einigen Frauen ergangen, denn der Wirkungsgrad einer Frau spielte sich eher im häuslichen Bereich ab.

In der ehemaligen Lateinschule aus dem 13 Jh., dem heutigen Max-Eyth-Haus, wurde nicht nur der Dichter und Ingenieur Max Eyth geboren, sondern sein Vater war dort viele Jahre Rektor. Bis zu 200 Jungen im Alter zwischen sieben bis vierzehn Jahren besuchten sie. Seine Mutter schreibt Anfang des 18. Jahrhunderts den damaligen Bestseller „Bilder ohne Rahmen“ und veröffentlicht die Erbauungsliteratur anonym. Erst nach ihrem Tod sorgte der Sohn der frommen Pietistin dafür, dass man sie nannte.

Eine weitere bekannte Kirchheimer Frauenpersönlichkeit sei Herzogin Henriette von Württemberg gewesen, die im Kirchheimer Schloss ihren Lebensabend zubrachte. Sie engagierte sich als Wohltäterin in der Stadt. Auf sie geht die Gründung der Feuerwehr zurück, das Kinderhaus in der Henriettenstraße, das man als „Kleinkinderverwahranstalt“ gründete, die Paulinenpflege als Waisenhaus, das Henriettenstift als Altersheim für reiche Damen und das Krankenhaus, die heutige Medius-Klinik, die ursprünglich Wilhelmshospital hieß. Den Plan einer Frauenrealschule konnte sie nicht mehr verwirklichen. Sie starb 1857. his