Weilheim und Umgebung
Frohe Botschaft für Weingärtner

Erlaubnis Die Hobby-Weinbauern an der Weilheimer Limburg haben eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Sie dürfen trotz der Lage im Naturschutzgebiet Pilzbekämpfungsmittel verwenden. Von Bianca Lütz-Holoch

Aufatmen bei den Hobby-Weingärtnern an der Weilheimer Limburg: Das Regierungspräsidium Stuttgart hat ihnen eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Sie erlaubt ihnen – zunächst für die kommenden fünf Jahre – den Einsatz von Fungiziden. „Für uns ist das eine Art Weihnachtsgeschenk“, freut sich Rainer Bauer vom Verein der Weilheimer Weinbergbesitzer. Denn: „Ohne Pilzbekämpfung geht es im Weinbau einfach nicht.“ Der echte und der falsche Mehltau führen immer wieder zu massiven Verlusten und sogar Totalausfällen bei der Traubenernte. Ein komplettes Verbot von Pestiziden wäre deshalb einem Aus für den Weinbau an der Limburg und dem beliebten Bertoldwein gleichgekommen.

 

„Ohne Pilzbekämpfung geht es im Weinbau einfach nicht.
Rainer Bauer
Hobby-Weingärtner aus Weilheim

 

Dass die Weilheimer Wengerter überhaupt eine Ausnahmegenehmigung benötigen, liegt daran, dass der Landtag im vergangenen Jahr eine Änderung des Naturschutzgesetzes beschlossen hat. Darin ist festgeschrieben, dass der Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten verboten ist. Zwar sieht das Gesetz ausdrücklich Ausnahmen vor, es erwähnt aber nur „Betriebe“. „Es ist offenbar vergessen worden, dass in Württemberg in Naturschutzgebieten auch Weinbau im Hobbybereich betrieben wird“, mutmaßt Rainer Bauer. Entsprechend groß war der Schock bei den Weilheimer Weingärtnern angesichts der neuen Gesetzeslage gewesen. Das Gute: Sie hatten von Anfang an starke Verbündete an ihrer Seite. „Unsere drei Landtagsabgeordneten kennen unsere Weinberge und haben sich sehr für uns eingesetzt“, berichtet Rainer Bauer.

Wie das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) mitteilt, werden Ausnahmen ausschließlich aus zwei Gründen genehmigt. Einer davon ist, wenn Betrieben durch das Pestizidverbot so große wirtschaftliche Einbußen entstehen, dass ihre Existenz bedroht ist. Der andere, wenn der Einsatz von Pestiziden notwendig ist, um das Schutzgebiet zu erhalten. Genau das ist aus Sicht des RP in Weilheim der Fall: Der Weinbau sei an der Limburg seit über 900 Jahren etabliert und trage maßgeblich dazu bei, die Limburg als Kulturlandschaft zu erhalten.

Positives Urteil für Weinbau an der Limburg

Im November hat nun ein Vor-Ort-Termin auf der Limburg mit Naturschutz- und Pflanzenschutz-Experten von Regierungspräsidium und Landratsamt stattgefunden. „An dem Tag waren alle Weinbauern da und haben ihr Interesse bekundet“, berichtet Rainer Bauer. Das Feedback der Experten, was die Naturverträglichkeit des Weinbaus an der Limburg angeht, fiel rundum positiv aus: „Die waren schon sehr zufrieden mit uns“, so Bauer.

Dennoch hat die Ausnahmegenehmigung ihren Preis. „Wir müssen alles auflisten und einreichen, was wir an Pflanzenschutzmitteln verbrauchen“, sagt der Hobby-Weingärtner und fügt hinzu: „Das ist bei uns aber ohnehin minimal.“ Gespritzt wird von Hand ohne Hochdruckgeräte. „Und die Spritzmittel sind mittlerweile so teuer, dass keiner mehr davon verbraucht als unbedingt notwendig.“ Die Ausnahme gilt übrigens nur für Fungizide. Tabu sind Unkrautvernichtungs- und Insektenschutzmittel. „Das macht aber nichts. Die brauchen wir sowieso nicht“, versichert Rainer Bauer.

Darüber hinaus sind die Weingärtner angehalten, die Biodiversität in ihren Weinbergen zu fördern. „Das heißt zum Beispiel: noch seltener mähen, Blühsamen säen, die besonderen Insekten Nahrungsmittel bieten, und neue Natursteinmauern setzen.“ Damit sammeln die Wengerter Ökopunkte, die sich positiv auf eine Verlängerung der Ausnahmegenehmigung in fünf Jahren auswirken. Für solche Maßnahmen stehen auch Fördermittel bereit.

Nicht der einzige Weinberg im Naturschutzgebiet

Herausgestellt hat sich mittlerweile, dass die Weilheimer Limburg nicht der einzige im Naturschutzgebiet  gelegene Weinberg in Württemberg ist. „Es sind auch ein Weingärtner in Neuffen sowie Weinbauern bei Tübingen betroffen“, hat Rainer Bauer erfahren. Die klopfen jetzt immer wieder bei den Weilheimer „Vorreitern“ an und lassen sich in Sachen Ausnahmegenehmigung beraten.

Insgesamt 21 Ausnahmen hat das Regierungspräsidium Stuttgart bislang erteilt. Alle sind Teil des Sammelantrags der Weilheimer Weingärtner. Weitere sieben Einzelanträge sind bereits eingegangen. „Es ist davon auszugehen, dass die Zahl in den kommenden Wochen noch steigen wird“, heißt es seitens des RP. Bei den sieben Anträgen läuft die Entscheidung nicht. Abgelehnt worden ist noch kein Antrag. Das hängt nach Auskunft des RP aber auch damit zusammen, dass vor der Antragstellung stets Gespräche mit den Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörden laufen. „Durch den intensiven Austausch im Vorfeld werden daher meist nur solche Anträge gestellt, die auch eine Chance haben genehmigt zu werden“, so das RP.

 

Die Änderung des Naturschutzgesetzes geht auf das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ zurück. Es wurde Ende 2019 gestoppt und mündete in einem geänderten Naturschutzgesetz. Dieses zielt auf die Artenvielfalt sowie den Erhalt der Streuobstwiesen ab und verbietet den Einsatz von Pestiziden in Schutzgebieten und Gärten.

 

Obstwiesen-Besitzer hoffen ebenfalls auf Ausnahme

Die Streuobstwiesen-Besitzer an der Weilheimer Limburg eifern den örtlichen Weingärtnern nach. „Wir möchten einen Antrag auf Befreiung vom Pestizidverbot stellen“, sagt Karl Bölz, Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Weilheim. Genau wie die Weinberge liegen auch zahlreiche Obstbaumwiesen an der Limburg im Naturschutzgebiet. Laut dem neuen Naturschutzgesetz sind Spritzmittel dort ab dem 1. Januar tabu – es sei denn, das Regierungspräsidium als Genehmigungsbehörde erteilt eine Ausnahmegenehmigung. Die Wengerter haben ihre bereits erhalten (siehe Text oben). Jetzt hoffen Besitzer und Pächter von Streuobstwiesen rund um die Limburg, dass sie Ähnliches erreichen können.

Das Regierungspräsidium äußert sich dazu zurückhaltend. „Gerade die alten Apfel- und Mostbirnensorten kommen ohne Insektizide aus“, so die Pressestelle des RP. Bei Kirschen und Zwetschgen sei das zwar schwieriger. „Im Hobbybereich sind durch Ernteausfälle aber keine Existenzen gefährdet. Einziger Grund für eine Ausnahme sei es – wie beim Weinbau –, wenn das Schutzgebiets nur mit Hilfe von Pflanzenschutz erhalten werden kann. „Das muss sehr kritisch geprüft werden“, so das RP.

Wir wünschen uns, dass wir bestimmte Mittel verwenden dürfen, um die Bäume länger zu erhalten“, präzisiert Karl Bölz das Anliegen. Denn wenn sich Kirschfruchtfliege und Schorf ungehindert ausbreiten, fällt nicht nur die Obsternte flach. „Irgendwann gehen auch die Bäume zugrunde.“ Fest steht für ihn außerdem: „Wenn man gar nichts mehr darf, resignieren die Leute und hören auf, die Wiesen zu pflegen und Bäume nachzusetzen.“ Doch die schützenswerten Streuobstwiesen am Albtrauf seien nun mal eine Kulturlandschaft: Sie sind durch Menschenhand entstanden und auf deren Pflege angewiesen.

Rund 20 Anträge aus Weilheim will Karl Bölz im Januar beim RP einreichen. Was die Chancen angeht, wagt er noch keine Prognose. „Wir werden aber vom Landratsamt in Esslingen unterstützt“, sagt er. Das ist sicher ein Vorteil“, sagt er.