In Esslingen war zuletzt vor allem Unmut von Einzelhändlern laut geworden, die sich von der Stadtverwaltung gegängelt fühlten. Sie würden durch sinnlose Verbote, überholte Auflagen und bürokratische Antragstellungen in ihrem Engagement für eine schönere und lebendigere City ausgebremst, so die Kritik. Im Rathaus räumte man ein, dass die Gestaltungsrichtlinien teils nicht mehr zeitgemäß seien, und kündigte eine Überarbeitung sowie eine liberalere Anwendung an. Ordnungsbürgermeister Yalcin Bayraktar machte das Thema gar zur Chefsache.
Leitbild mit Basis-Zielen
Abgesehen davon wird die Transformation der City schon länger diskutiert. Zuletzt wurde ein Strategieprozess für die Zukunft der Innenstadt auf den Weg gebracht, mit dem Esslingen in Zeiten des Strukturwandels die richtigen Weichen stellen will. Dabei helfen soll ein Leitbild, in dem grundlegende strategische Ziele festgeschrieben sind – etwa dass Esslingen als Stadt der kurzen Wege erlebt werden soll, dass die City ein Lebensgefühl zwischen historischen Wurzeln und modernem Lebensstil repräsentieren und beispielgebend für eine nachhaltige Umweltanpassung stehen soll.
Auch in anderen Städten im Landkreis will man den Strukturwandel nicht einfach geschehen lassen, sondern steuernd eingreifen. So hat etwa der Nürtinger Oberbürgermeister Johannes Fridrich die Innenstadtbelebung ebenfalls zur Chefsache erklärt. Laut der Stadt kümmert er sich persönlich um das Leerstandsmanagement in der City, trifft sich etwa mit Eigentümern und Interessenten oder lässt von seinen Beschäftigten aktiv interessante Geschäftsmodelle suchen. Das trage Früchte: Es seien zwar einige Traditionsgeschäfte verschwunden, dafür hätten sich aber viele neue Gastronomen und Einzelhändler angesiedelt.
Wichtig seien auch die Sanierung der Fußgängerzone und die Einrichtung der Flaniermeile „Nürtinger Stadtbalkon“ gewesen, die die Aufenthaltsqualität in der Stadt und am Neckar verbessert hätten. Ziel sei es, dass die Innenstadt von der Altstadt über den Stadtbalkon bis hin zum Galgenbergpark eine Einheit bilde und zum Flanieren und Verweilen einlade, sagt Pressesprecher Clint Metzger. Mit Aktionen wie etwa der Musiknacht, dem Weindorf oder verschiedenen Märkten wolle man zudem Besucher von nah und fern anlocken. Um die Stadt noch attraktiver zu machen, seien unter anderem ein Besucherleitsystem geplant sowie eine Ausweitung der digitalen Stadtrundgänge.
In Kirchheim setzt man ebenfalls auf Veranstaltungen und Märkte zur Belebung der Innenstadt und hat zudem die Fußgängerzone schrittweise erweitert – nun auch vorerst probeweise auf die Dettinger Straße. Außerdem sei man gerade dabei, konsumfreie Bereiche auszuweisen. Generell sei die City autofrei, es könne nur noch an zentralen, gut gelegenen Plätzen geparkt werden, heißt es aus dem Rathaus. Aktuell gebe es zwar 15 Leerstände in der Innenstadt, aber für die meisten Geschäfte stünden die Nachmieter schon fest – es handle sich also nicht um strukturellen Leerstand. Vielmehr gibt es laut der Sprecherin Vanessa Palesch viele inhabergeführte Geschäfte in Kirchheim, die sich sehr mit dem Standort identifizierten. Die Altstadt profitiere von einem Branchenmix, der weit über die Stadtgrenzen hinaus Besucher anziehe. „Der kompakte Innenstadtgrundriss kommt der Stadt ebenfalls zugute“, sagt Palesch. In 15 Gehminuten sei fast alles, inklusive dem Bahnhof, erreichbar.
Ungleich schwerer tut man sich in Städten, in denen es nicht eine zentrale Mitte gibt, sondern mehrere kleinere Zentren, wie etwa in Ostfildern, Leinfelden-Echterdingen oder Filderstadt. Alle drei Kommunen bestehen aus verschiedenen Stadtteilen, die einst eigenständige Gemeinden waren, sehr individuell geprägt sind und jeweils über eigene Ortskerne verfügen. Diese müsse man auch individuell betrachten, so Thomas Krämer, Sprecher der Stadt Leinfelden-Echterdingen. „Auch Leinfelden-Echterdingen leidet am fortschreitenden Strukturwandel des Handels, vor allem am jährlich zunehmenden Anteil des Online-Handels“, sagt Krämer. Man müsse daran arbeiten, mehr Besucher anzulocken – etwa durch Veranstaltungen, eine höhere Aufenthaltsqualität oder mehr Gastronomie.
Ebenso in Filderstadt: „Vor 20, 30 Jahren hat alles noch funktioniert, ohne dass sich die Stadt darum kümmern musste“, sagt Thomas Müller, der für das Stadtmarketing zuständig ist. Jetzt sei das anders, man müsse etwas für die Belebung der Stadtteilmitten tun. In Ostfildern setzt man darauf, die Stadtteilzentren aufzuwerten und attraktiver zu machen. Wie in Nellingen, wo man durch Sanierung und Umgestaltung der Hindenburgstraße eine Art Einkaufsmeile geschaffen habe, die zum Flanieren einlade.
Autofreie Innenstädte
Diskussion In zahlreichen Städten wird kontrovers darüber diskutiert, ob der Autoverkehr konsequent aus der Innenstadt verbannt werden soll oder nicht. Für viele Befürworter steht vor allem die höhere Attraktivität einer autofreien City für Fußgänger und Radfahrer im Mittelpunkt, Gegner befürchten meist Einbußen für den Einzelhandel, wenn nicht mehr in der Nähe geparkt werden kann.
Konzepte Die Kirchheimer Innenstadt ist nach Angaben der Stadtverwaltung bereits autofrei, geparkt werden könne nur noch an zentralen Punkten. In Nürtingen hingegen setzt man zwar auch auf eine große Fußgängerzone, hält für eine hohe Frequenz aber auch die Zugänglichkeit und Barrierefreiheit der Innenstadt, die sich auf einem Hügel befindet, für einen wichtigen Aspekt. Dazu gehören laut Stadtverwaltung auch ausreichend Parkmöglichkeiten. Während in Esslingen immer wieder kontrovers über die Verbannung der Autos vom Marktplatz diskutiert wird, hält man eine autofreie City in den polyzentrischen Städten Ostfildern und Leinfelden-Echterdingen für eher schwierig. In Echterdingen etwa führe die Hauptverkehrsachse alternativlos durch den Ortskern, heißt es aus dem Rathaus. meb