Für Inge Hafner ist es ein Stück Heimat, das an diesem Vormittag - hoch oben an einem Kran befestigt -in Einzelteilen über ihrem Kopf schwebt. Die Geislingerin, die 32 Jahre lang als Altenhilfe-Fachberaterin des Landkreises Esslingen tätig war, blickt fasziniert gen Himmel, hält die Momente mit ihrer Kamera fest und schwärmt: „Ach, ist das schön. Das ist doch genial.“
In der Tat: Man sieht nicht alle Tage, wie ein historisches Gebäude in seine Einzelteile zerlegt wird und wie die Elemente mit einem Kran auf einen Sattelschlepper gehievt werden. Wenn man dann noch Kindheitserinnerungen mit dem Gebäude verbindet wie Inge Hafner, die ehemalige Besitzerin, dann ist ein solches Szenario noch beeindruckender.
Am Donnerstagmorgen beginnen die Arbeiter damit, die Wandelemente des 125 Jahre alten Gartensaals der früheren Gaststätte Wilhelmshöhe in Geislingen abzubauen. Geschützt in einer Spezialverpackung, werden die Teile innerhalb mehrerer Tage Stück für Stück auf sogenannten Senkrechtsteller-Tiefladern und Schrägbock-Transportern zur Firma „JaKo“ nach Rot an der Rot gebracht. „Dort wird der Saal in einer großen Halle komplett wieder aufgebaut und restauriert“, informiert Carl-Heinz Mosch vom Hochbauamt des Landkreises Esslingen.
Das Ganze müsse man sich wie ein Puzzle vorstellen: Zahlreiche Einzelteile des Gebäudes müssen wieder zusammengesetzt werden. Damit das gelingt, werden die Elemente nummeriert und in Plänen genau erfasst. Um wie viele Teile es sich insgesamt handelt, kann Mosch nicht beziffern. Er verweist auf jeden einzelnen Parkettstab, auf jede einzelne Fliese, die entfernt werden müssen. Sogar die Tapete an den Wänden werde abgetragen und originalgetreu reproduziert. „Das alles ist eine hochkomplexe Sache.“
Ist der Gartensaal voraussichtlich bis Oktober fertig restauriert, beginnt das Spiel von vorne: Dann wird das Gebäude erneut abgebaut. Die Einzelteile verlassen die Restaurierungshalle in einem „Top-Zustand“, wie Carl-Heinz Mosch sagt, und werden nun nicht mehr zurück nach Geislingen transportiert, sondern nach Beuren, wo das Gebäude in der Museumssaison 2019 auf dem Areal des Freilichtmuseums seine neue Heimat und Bestimmung finden soll.
Bereits seit Mitte Februar sind die Fachleute der Firma „JaKo“ in Geislingen zugange. In den vergangenen Wochen haben sie die Dachkonstruktion rückgebaut und die Deckenelemente abgenommen. Jetzt folgen die insgesamt 16 Wandelemente. Damit der Gartensaal des ehemaligen Ausflugslokals, der 28 Meter lang und 15 Meter breit ist, originalgetreu in Beuren wiedererrichtet werden kann, müssen beim Abbau größtmögliche Elemente erhalten bleiben, betont Mosch. So werde die Gebäudesubstanz so wenig wie möglich geschädigt.
Für Inge Hafner ist es ein „großer Glücksfall“, dass der Gartensaal künftig in Beuren zu sehen ist. Ihre Eltern wie schon die Großeltern hatten einst die Wilhelmshöhe geführt. Auch Steffi Cornelius, Leiterin des Freilichtmuseums in Beuren, freut sich über die neue Errungenschaft. Sie hat den Gartensaal übrigens schon vor zehn Jahren zum ersten Mal gesehen. Seinerzeit hatte Inge Hafner sie zu einem Abend über die Geschichte der Wilhelmshöhe eingeladen. „Schon damals war ich von dem Saal begeistert.“