Arbeitsmarkt
Gartenbau sucht Personal

Bei einem Aktionstag in Esslingen hat die Firma Geistdörfer Arbeitslose getroffen. Welche Voraussetzungen Bewerber mitbringen sollten.

foto: Roberto Bulgrin 16. 04. 2025 Esslingen, Das Jobcenter und mehrere Betriebe im Kreis Esslingen wollen Mitarbeiter für den Garten- und Landschaftsbau gewinnen. Landschftsgaertner Patrick Woelfl zeigt wie es geht

Anatolii Sachenko hat den Hefter mit seinen Referenzen in der Hand, als er Stefan Seyerle vor dem Jobcenter in Esslingen direkt anspricht. Der 65-Jährige will dringend einen Job und sichtlich einen guten Eindruck bei dem Bauleiter der Firma Geistdörfer machen. „Ich bin gesund, ich muss arbeiten und ich will arbeiten“, sagt der Ukrainer. Doch allein im vergangenen Monat habe er zehn Absagen erhalten. Nach der Aktion in Esslingen, die Geistdörfer mit Arbeitslosen zusammengebracht hat, hat er vielleicht eine Chance.

„Wir waren sehr positiv überrascht“, sagt Seyerle jedenfalls nach der Veranstaltung. Seine Firma ist ein Betrieb für Baumpflege, Landschaftsbau und Forstservice, der dringend Fach-, aber auch Arbeitskräfte sucht. Die Auftragslage in dem Altbacher Unternehmen sei gut. „Es gibt viel Arbeit“, erklärt Seyerle. Geistdörfer sucht ausgebildete Garten- und Landschaftspfleger und Forstwirte, aber auch Helfer. Doch der Markt gebe nicht genug her.

Auf der anderen Seite ist die Zahl der Arbeitslosen im Kreis Esslingen in den vergangenen Monaten und auch im April gestiegen. Seit etwa einem Jahr veranstalten das Jobcenter und die Agentur für Arbeit nun Aktionstage, an denen Firmen, die Personal suchen, und ausgewählte Arbeitslose zusammengebracht werden. „Wir fokussieren uns auf die freien Stellen – die gibt es“, erläutert Astrid Mast, die Chefin des Jobcenters. Vorteil für die Klientinnen und Klienten sei, dass der Zugang niederschwellig sei und die Firmen direkt einen Einblick in die Berufe geben könnten. Außerdem ist es Mast wichtig, Vorurteile abzubauen. In der bundespolitischen Debatte sei in den vergangenen Monaten oft Gegenteiliges behauptet worden. Aber Bürgergeldempfänger wollten arbeiten, erklärt die Jobcenterchefin.

Bei vergangenen Veranstaltungen beispielsweise mit Busunternehmen sind laut Mast schon mehrere Vermittlungserfolge erzielt worden. Wie viele Personen dadurch tatsächlich einen Arbeitsvertrag bekommen haben, dazu gibt es laut Jobcenter und Agentur für Arbeit allerdings keine Zahlen. Zum Aktionstag mit Geistdörfer sind 72 Männer und Frauen gekommen, die Arbeit suchen. Jobcenter und Agentur für Arbeit hatten gezielt Klientinnen und Klienten angeschrieben, die in die Branche passen könnten, beispielsweise weil sie schon im Garten- und Landschaftsbau gearbeitet haben, eine entsprechende Ausbildung haben oder zumindest handwerkliche Fähigkeiten und Interesse mitbringen. Nach einem Vortrag und einer Demonstration, wie Pflanzen eingesetzt werden und wie Hecken maschinell beschnitten werden, suchten 39 Arbeitssuchende das Einzelgespräch mit Seyerle und seinen Kollegen. 

Anatolii Sachenko möchte am liebsten mit Bäumen arbeiten. Er habe bereits in der Ukraine in einer Baumschule gearbeitet und könne Lkw und Landmaschinen fahren, erzählt er. Doch aufgrund seines Alters und seiner geringen Deutschkenntnisse habe er bislang keine Chance bekommen, glaubt er. „Ich wäre froh über jede Arbeit.“

Unter den Besuchern gibt es aber auch Menschen, die für sich eher keine Zukunft in der Branche sehen. Beispielsweise ein junger Mann, der bereits eine Ausbildung in dem Bereich hat, aber nach einem Arbeitsunfall nach eigener Aussage seit mehreren Monaten keine schweren Arbeiten ausführen kann. Er sei vom Amt dennoch verpflichtet worden, sich in seinem Beruf zu bewerben. „Wenn ich sage, ich kann nur leichte Arbeiten machen, kommt aber gleich die Absage“, erzählt der 29-Jährige, der seinen Namen nicht nennen will. Er bewerbe sich deswegen auch auf andere Berufe.

Interesse an Pflanzen

„Eine gewisse Grundfitness und einen gewissen Gesundheitszustand sollten Bewerber schon mitbringen“, räumt Stefan Seyerle ein – auch wenn man mittlerweile bei schweren Arbeiten viel technische Unterstützung habe. Fortgeschrittenes Alter sei kein Ausschlusskriterium, doch Bewerbern mit chronischen Erkrankungen oder Bandscheibenvorfällen werde geraten, sich auch nach anderen Jobs umzusehen. Allerdings hat auch Geistdörfer langjährige Mitarbeiter, die mit fortschreitendem Alter etwas weniger körperliche Arbeiten machen und zum Beispiel stattdessen Maschinen bedienen.

Welche weiteren Voraussetzungen gibt es für Bewerberinnen und Bewerber? „Ein gewisses Grundinteresse an Pflanzen und der Pflege von Grünflächen sollte man schon haben“, sagt Seyerle. Und man müsse bereit sein, draußen zu arbeiten.

Mehrere Teilnehmer am Aktionstag haben die Experten von Geistdörfer überzeugen können. „Die Leute waren sehr interessiert, wir hatten gute Gespräche“, sagt Seyerle. Etwa 20 Personen sind nun in der engeren Auswahl. Nun sollen Termine für Probearbeiten vereinbart werden.

 

Garten- und Landschaftsbau: Marktlage und Gehalt

Laut Statistik der Agentur für Arbeit gibt es im Kreis Esslingen 196 Betriebe im Wirtschaftszweig „Garten- und Landschaftsbau sowie Erbringung von sonstigen gärtnerischen Dienstleistungen“ (Stand September 2024). 1334 Menschen sind in dem Bereich beschäftigt. Laut Entgelt-atlas der Behörde verdienen Helferinnen und Helfer im Gartenbau in Baden-Württemberg im Mittel 2806 Euro monatlich brutto, ein Garten- und Landschaftsgestalter 3351 und eine Forstwirtin 3717 Euro.

Im April waren im Kreis Esslingen 13. 967 Menschen arbeitslos gemeldet – 1,5 Prozent mehr als im Vormonat und 10,9 Prozent mehr als im April 2024. Die Arbeitslosigkeit stagniere, statt wie im Frühjahr üblich zu sinken, kommentiert Regina Paulitz, stellvertretende Leiterin der zuständigen Agentur für Arbeit Göppingen. „Insbesondere aus der Industrie melden sich verstärkt Menschen bei uns arbeitslos.“ Trotz des Personalabbaus gebe es Chancen auf einen neuen Job. „Es gibt etliche Branchen, die dringend Personal suchen und einstellen. Es lohnt sich deshalb, berufliche Alternativen in den Blick zu nehmen.“ gg