Kreis. Nach acht Jahren in der Opposition ist der Bundestagsabgeordnete der Grünen des Wahlkreises Nürtingen, Matthias Gastel, im vergangenen Jahr in der Regierungskoalition angekommen. Beim Blick auf die aktuelle Lage muss der 51-Jährige beim Kreispressegespräch feststellen: „Die Realität durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine stellt uns vor teilweise andere Aufgaben als die, die wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen hatten. Verantwortung kann gerade in Krisenzeiten bedeuten, nicht 1:1 die Wahlprogramme abzuarbeiten.“ Wichtig sei es aber, trotzdem die langfristigen Ziele wie den Klimaschutz nicht aus den Augen zu verlieren. „Wir haben weiter im Blick, wozu die Ampel unter anderem bei den Themen Klimaschutz, Digitalisierung und Verkehrspolitik angetreten ist.“
Keine unsinnigen Tankrabatte mehr
Ihm selbst sei das Thema Energie sehr wichtig. „Schon sehr kurzfristig müssen wir Erdgas einsparen, damit im Winter niemand frieren muss. Beim Sparen stehen alle in der Verantwortung – die Industrie genauso wie Privatpersonen.“ Zugleich müsse das Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien massiv erhöht werden. „Dafür haben wir gesetzliche Grundlagen geschaffen, indem wir festgelegt haben, dass zwei Prozent der Landesflächen für Windkraft zur Verfügung gestellt werden müssen.“ Auch der Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen müsse vereinfacht werden. Er selbst betreibe seit 16 Jahren zwei eigene Photovoltaik-Anlagen, die „mehr Strom liefern als ich selbst verbrauche“, und habe nun eine dritte Anlage für seinen Balkon bestellt.
Die „extreme Inflation“ mache weitere Entlastungspakete der Bundesregierung für die Bürger erforderlich, so Gastel. Diese dürften aber keinen „teuren und wenig wirksamen Unsinn wie Tankrabatte“ mehr enthalten. Vielmehr müssten gezielt Menschen entlastet werden, die wenig Geld haben. „Die Erhöhung von Hartz IV ist sinnvoll oder eine Direktzahlung an die, die besonders unter den Energie- und Lebensmittelpreissteigerungen leiden.“
Nachfolge für Neun-Euro-Ticket
Anders als die Spritsteuer-Reduzierung bewertet der Grüne das Neun-Euro-Ticket als „großen Erfolg“ und Chance für alle, „fast zum Nulltarif mobil“ zu sein. Gastel bedauert es nur, dass das Neun-Euro-Ticket kaum zur Vermeidung von Autofahrten geführt habe. „Nur drei Prozent aller Fahrten mit dem Ticket führen zur Verlagerung von Auto zu Bus und Bahn. Die Vorteile sollten aber in ein Nachfolgemodell übertragen werden. „Die Nutzung von Bus und Bahn muss dauerhaft so einfach sein wie jetzt – ohne Tarifgebiete und Tarifgrenzen.“ Zudem fordert Gastel den Ausbau des ÖPNV im ländlichen Raum. „Der Mensch muss überall auch ohne Auto mobil sein können.“
Neue Straßen nur als Ausnahme
Gastels Schwerpunkt ist seit jeher die Bahnpolitik. Er fordert, die Investitionen in den Erhalt und den Ausbau der Schiene deutlich zu erhöhen. „So viele Züge wie heute hatten wir noch nie auf einem sehr geschrumpften Schienennetz. Bei den Straßen sollten wir uns dagegen auf die Sanierung konzentrieren. Straßenneubauten können wir uns nur noch in Ausnahmefällen finanziell und ökologisch leisten.“ Als Mitglied der „Beschleunigungskommission Schiene“ setzt sich Gastel besonders für die Elektrifizierung ein. In Deutschland seien erst 60 Prozent der Strecken mit Oberleitung versehen. „Auch bei der Bahn muss es sich schnellstmöglich ausdieseln.“