Neidlingen. Das Rätsel ist gelöst, die Verfasserin des Gedichts über Neidlingen gefunden: Hinter F. K. verbirgt sich Floria Kaubisch. Eine nette E-Mail hat uns von ihrem Sohn, Ulrich Kaubisch, erreicht. Bis zu seinem 19. Lebensjahr lebte er unterm Reußenstein, heute im Berchtesgadener Land.
„Ich bekam heute einen Telefonanruf von einer ehemaligen Schulkameradin aus Neidlingen, mit der ich die Hauptschule Jahrgänge 1948/1949 in Neidlingen besuchte. Sie berichtete mir über den Artikel“, schreibt er und dazu jede Menge weiterer Informationen über die Umstände zu diesem Gedicht. Sein Vater, Martin Kaubisch, war Feldwebel und Bordfunker bei der Luftwaffe und bis zum Kriegsende am Flugplatz in Göppingen stationiert. Während seiner Militärzeit war er bei der Nachrichtenschule der Luftwaffe für die Ausbildung verantwortlich. Nach Göppingen wurde er im Rahmen dieser Funktion von Görlitz aus versetzt.
Ulrich Kaubisch schreibt: „Der letzte Eintrag vom Flugplatz Göppingen in seinem Flugbuch, welches mir vorliegt, war der 24. März 1945. Wie mein Vater 1944 nach Neidlingen kam, berichtete er mir wie folgt: Sein Vorgesetzter hatte zu Neidlingen bereits Verbindungen (Schnaps und Lebensmittel einkaufen). Wegen Arbeitskräftemangel in der Erntezeit wurde dieser Hauptmann vom damaligen Neidlinger Bürgermeister um Hilfe gebeten. Daraufhin wurde mein Vater als Gruppenleiter mit weiteren 15 Soldaten nach Neidlingen abkommandiert. Mein Vater und die 15 Soldaten wurden zu verschiedenen Bauern zur Erntehilfe verteilt, und mein Vater kam bei einer Bauernfamilie gegenüber der Kirche unter.
In Neidlingen lernte er unsere Mutter Floria kennen, die mit ihrer Familie in den letzten Kriegsjahren von Duisburg/Hamborn wegen der starken Bombardierungen des Ruhrgebietes nach Neidlingen evakuiert wurde. Die Familie meiner Mutter wohnte seinerzeit im ehemaligen Gasthof Krone. Am 8. April 1945, also noch im Krieg, heirateten beide, 25 Jahre alt, auf dem Standesamt in Neidlingen. Aus dieser Ehe stammen drei Kinder.
Die Zeit nach dem Krieg war nicht einfach, das bekamen wir Kinder aus verschiedenen Erzählungen unserer Eltern mit. Mein Vater half bei den Bauern und wurde mit Lebensmitteln entlohnt. Das half ihm und seiner Familie über die schwierigsten Monate nach dem Krieg hinweg. Er sagte sogar einmal zu mir: ,Ohne Neidlingen wüsste ich nicht, wie ich euch hätte durchbringen können.‘
Ich erinnere mich schon noch, dass meine Mutter kreativ war. Dass sie auch dichterisch tätig war, erfuhr ich erst viel später durch meinen Vater. Er war grafisch kreativ, Buchbindermeister, und hat das Gedicht selbst von Hand mit Feder und Tinte im Original und ich glaube Frakturschrift geschrieben. Das Gedicht beschreibt, wie meine Mutter seinerzeit Neidlingen empfunden hat und wenn sie in einer Strophe schreibt: ,Müd‘ des Weges kommt ein Krieger, braun gebrannt im Angesicht, findet dieses Dörflein wieder, welches seine Heimat ist‘, dann beschreibt sie die Umstände, das heißt das Kennenlernen meines Vaters als Soldat und eine neue Heimat gefunden zu haben.
Mein Vater war auch im Turnverein Neidlingen und ich denke, dass dieses Gedicht seinerzeit, zum Beispiel als Geschenk eingerahmt, verteilt wurde. So wie ich erfahren habe, wurde der Text auch vertont, und das Lied ist heute noch im Gesangsverein Neidlingen bekannt.
Leider starb meine Mutter schon sehr früh, 1962, im Alter von 41 Jahren. 1967 zog unsere Familie weg von Neidlingen. Mein Vater kam in den 90er-Jahren zurück und wohnte in unserem Elternhaus in Neidlingen, bis er 2011 im Alter von 90 Jahren starb.“
Noch heute hat Ulrich Kaubisch gute Kontakte zu Neidlingen. Aus Anlass des Zwetschgenmarkts und des Fests am Wochenende war er wieder für ein paar Tage in der alten Heimat.