Was über Jahrhunderte im Untergrund verborgen schlummerte, kam dank des Abrisses eines alten Bauernhauses in Dettingen ans Tageslicht. Laien gehen achtlos am Bauzaun vorbei, schenken den rotbraunen Erdschichten wenig bis keine Aufmerksamkeit. Archäologen und Bauherr dafür umso mehr. Letzterer befürchtete gerade wegen des andersartigen Bodens Altlasten, was sich auch prompt bewahrheitete - allerdings ganz anders als gedacht, denn „alt“ trifft den Kern der Sache.
Lange vor der Hoch-Zeit des Ruhrpotts florierte das Geschäft mit der Eisenverhüttung an der Lauter. Die gesamte aufgegrabene Fläche beim einstigen Gebäude Hintere Straße 113 war mit Eisenschlacke bedeckt, was auf einen großen Verhüttungsplatz hindeutete und deshalb in einer mehrwöchigen archäologischen Ausgrabung erkundet wurde. „Es fanden sich Eisenschlacken unterschiedlicher Art, die zu zwei Zeitphasen gehörten. Der älteren Phase, die etwa ins 6./7. bis ins 9. Jahrhundert datiert wird, kann eine geschätzte Menge von rund zehn Tonnen Schlacke zugeordnet werden, die auf circa fünf Öfen schließen lässt. Diese befanden sich allerdings wohl knapp neben dem Baufeld Richtung Hintere Straße, von ihnen stammt nur noch eine Winddüse“, erklärt Dr. Dorothee Brenner, Gebietsreferentin beim Landesamt für Denkmalpflege.
Die weitaus größere Menge an Schlacke gehört zu einer jüngeren Phase des 9. und 10. Jahrhunderts. Diese Datierung wird auch von Keramik und einer Münze bestätigt, die aus wenigen Pfostenlöchern stammen, die möglicherweise zu Schutzbauten gehörten, die an einem Eisenverhüttungsplatz zu erwarten sind. „Die Münze ist ein Denar Ludwigs des Kinds, die in dessen Regierungszeit - 900 bis 911 - als ostfränkischer König datiert werden kann. Es handelt sich um einen seltenen Fund, da es sich um einen kurzen Zeitraum der Münzprägung handelt“, hebt Dorothee Brenner die Besonderheit dieses Funds hervor. Zudem würden Münzen im archäologischen Material relativ selten auftauchen, da solche Wertgegenstände im Normalfall nicht weggeworfen wurden, es sich daher um einen Verlustfund handelt.
Die geschätzten 80 Tonnen Schlacke der jüngeren Phase lassen auf mindestens drei Öfen schließen. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung der Technologie, bei der durch größere Öfen und höhere Temperaturen zwischen 1200 und 1400 Grad Celsius beim Eisenausschmelzen mehr Eisen produziert wurde und somit auch mehr Schlacke als Abfallprodukt entstand. Von diesen Öfen fand sich ein großer Schachtofen, der einmal repariert wurde. Mit seinem Durchmesser von ungefähr 80 Zentimetern und einer Ofenwand, die an der Basis 20 Zentimeter maß, hatte er ursprünglich etwa eine Höhe von zwei Metern. Es handelt sich dabei um eine Phase in der Weiterentwicklung der Verhüttungstechnologie. Zudem fanden sich viele Eisenerzröstplätze teils auf Schlacke, teils darunter mit einem Durchmesser von ein bis zwei Metern. „Hier wurde das Erz mit Holzkohle geröstet und so auf den Verhüttungsprozess vorbereitet“, erklärt Brenner.
Das Erz stammt vom Käppele, denn dort ist - wie im gesamten Albvorland zwischen Mössingen und dem Aichelberg - der erzführende „braune Jura beta“ in Bachtälern aufgeschlossen. „Dabei handelt es sich um ein sehr großes Eisenbergbaurevier des frühen bis hohen Mittelalters, dessen Erze aber mit ihrem relativ geringen Eisengehalt später dann nicht mehr für eine Verhüttung lohnend waren“, so die Gebietsreferentin.
In den vergangenen Jahren fanden sich sowohl in Kirchheim und Reutlingen, aber auch in kleineren Orten wie Bissingen, Dettingen oder Frickenhausen teils größere Mengen an Eisenschlacken, die auf eine Verhüttung und Organisation in großem Stil schließen lassen. „Der Verhüttungsplatz in Dettingen ist bislang einer der größten freigelegten Plätze innerhalb von Siedlungen. Mit Sicherheit war die Eisenverhüttung damals ein überaus lohnender Wirtschaftszweig, da Eisen eine wichtige Rolle in der Herstellung von vielen Gegenständen spielte“, erklärt Dorothee Brenner.