Lenningen. Bundesweit gibt es rund 5 400 Bahnhöfe. Davon werden 3 500 von weniger als 1 000 Reisenden frequentiert. Bestandteil der Umbauplanungen sollen demnach die barrierefreie Wegleitung, der stufenfreie Bahnsteigzugang sowie eine optimierte Bahnsteighöhe sein. Die Bundesländer waren aufgerufen, entsprechende Förderanträge zu stellen. Land oder Kommunen müssen die Hälfte der Kosten übernehmen. Die andere Hälfte trägt der Bund.
Der Haken daran: Das gilt nur, sofern bestimmte Kriterien eingehalten werden. Für die Planung und die Durchführung der Sanierungen ist dann die Deutsche Bahn verantwortlich. Baden-Württemberg hat im Ländervergleich überdurchschnittlich viele Bahnhöfe zur Sanierung angemeldet. Für die Festlegung der Bahnhöfe, für die Fördermittel beantragt werden, hat das Land Behindertenverbände mit eingebunden.
Im Landkreis Esslingen befinden sich davon sechs Bahnhöfe. Nämlich die in Oberlenningen, Unterlenningen, Brucken, Owen, Dettingen und Bempflingen. Entlang der Teckbahn sollen nach dem Wunsch des Landes alle Bahnsteige erhöht werden, um vor allem mobilitätseingeschränkten Menschen den Zu- und Ausstieg zu erleichtern. Owen (450 Reisende pro Tag), Brucken (100 Reisende), Unterlenningen (250 Reisende) und Oberlenningen (700 Reisende) weisen mit Bahnsteighöhen von 30 bis 32 Zentimetern nicht die vorgeschriebenen Mindesthöhen auf. Nach der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung ist eine solch geringe Höhe überhaupt nicht zulässig.
In Dettingen erfüllt der Bahnsteig zwar die Vorschriften, ist für den barrierefreien Zu- und Ausstieg dennoch zu niedrig. Überall mangelt es an Blindenleitsystemen, und in Brucken fehlt noch dazu ein barrierefreier Zugang. Eine Umsetzung der Baumaßnahme bis zum Jahr 2018 stellt eine der Förderbedingungen des Bundes dar. Für alle Stationen liegen bislang keine Umbaupläne der Deutschen Bahn vor. Bewilligt werden sollen, so lautet eine weitere Vorgabe des Bundes, nur Fördermittel für Sanierungen, die sich bis Ende 2018 realisieren lassen. „Das wirft viele Fragen auf“, sagt Gastel: „Beispielsweise ob die Bahn überhaupt über eine ausreichende Planungskapazität verfügt. Das muss bezweifelt werden. Und es stellt sich die Frage, wie bis Ende 2018 Planfeststellungsverfahren durchgeführt und abgeschlossen werden sollen, die für Bahnsteigerhöhungen erforderlich sind.“
Baden-Württemberg hat gemeinsam mit einigen anderen Bundesländern gegenüber dem Bundesverkehrsministerium Änderungen der Bedingungen gefordert: Die Zeit sei einfach zu knapp bemessen. Auch dass es nur für Kleinstbahnhöfe eine Förderung des Bundes geben soll, kritisiert Andreas Schwarz: „Es ist ein Armutszeugnis für den Bundesverkehrsminister und die Deutsche Bahn, dass es ihnen nicht gelingt, wichtige Umsteigebahnhöfe wie Plochingen zu modernisieren und barrierefrei zu machen.“ Dort würden täglich Tausende Reisende zu-, um- oder aussteigen. Die Förderbedingungen seien zu engstirnig.
Gastel verdeutlicht: „Die Förderbedingungen für Sanierungsmittel sind leider so gestrickt, dass nicht die notwendigsten Maßnahmen angegangen werden, sondern diejenigen, die am schnellsten umgesetzt werden können. Eine effektive Mittelverwendung und der größtmögliche Nutzen für Menschen mit Mobilitätseinschränkung sind damit nicht gewährleistet. Das Ganze sieht sehr nach einem Schnellschuss aus. Hauptsache, der sonst erfolglose Bundesverkehrsminister hat endlich etwas vorzuweisen. Und leider hat der Bundesminister übersehen, dass der größte Handlungsbedarf in Sachen Barrierefreiheit häufig nicht bei den ganz kleinen, sondern bei den etwas größeren und mittelgroßen Bahnhöfen besteht. Auch und gerade für diese Bahnhöfe sollte der Bund ein Förderprogramm auflegen. Dann aber mit dem politischen Ehrgeiz, die Mobilitätsbedingungen von Menschen mit Handicap spürbar und nachhaltig zu verbessern.“pm