Zwischen Neckar und Alb
Gelegenheits-Politik

Landratsamt Der Prozess auf dem Weg zum 130-Millionen-Euro teuren Neubau geht in die entscheidende Phase. Verwaltung und Kreisräte beschwören gemeinsam die Gunst der Stunde. Von Bernd Köble

Feurige Leidenschaft für Sport und staubtrockene Haushaltspolitik liegen manchmal gar nicht so weit auseinander. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Mit dieser Schlacht-Hymne sind Deutschlands Handballer vor 13 Jahren in die Heim-WM gestartet. Wie man heute weiß, hat es gefruchtet. Am Ende waren sie Weltmeister. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ ist ein Satz, den man auch als Chef einer riesigen Kreisbehörde laut denken darf, aber halt nicht laut sagen sollte. „Weil daraus eine Arroganz spricht, mit der wir die Dinge hier nicht durchpeitschen wollen“, übt sich Landrat Heinz Eininger in demonstrativer Demut.

Die Dinge - damit ist der 130 Millionen Euro teure Neubau des Landratsamts in Esslingen gemeint. Ein gewaltiges Projekt, das in den kommenden Monaten eine entscheidende Phase durchläuft. Am 31. Juli endete bereits die Abgabefrist für Bieterfirmen, die sich an der europaweiten Ausschreibung beteiligt haben. Am 14. Oktober und am 16. Dezember wird eine Bewertungskommission aus Verwaltung, Kreispolitikern und Experten über die Entwürfe beraten und eine Empfehlung an den Kreistag abgeben. Im März kommenden Jahres ist es dann Aufgabe des Parlaments, über die Vergabe zu entscheiden und möglicherweise einen Baubeschluss zu fassen. Dass man im Ton Zurückhaltung zeigt, hat einen Grund. Einen Schulneubau nach außen zu vertreten, sei einfach, betont Eininger. Ein neues Verwaltungsgebäude eher nicht. Was helfen soll: maximale Transparenz. Zwar müssten Verhandlungen in komplexen Verfahren vertraulich geschehen, „wir werden die Öffentlichkeit jedoch während des gesamten Prozesses mitnehmen“.

Dass der Zeitpunkt, ein solches Mammutprojekt anzupacken, tatsächlich günstig ist, liegt nicht nur am historisch niedrigen Zinsniveau, dass sich der Kreis mit langfristigen Darlehen zunutze macht. Es liegt auch an der komfortablen Finanzsituation, wie sie sich im Moment darstellt. Gegenüber den Prognosen im vergangenen Jahr hat sich das Haushaltsergebnis um rund 24 Millionen Euro verbessert. Statt 15 Millionen stehen inzwischen 43 Millionen Euro an liquiden Mitteln zur Verfügung. Ein Grund sind Rückzahlungen sowie Lockerungen und Hilfen von Bund und Land in der Corona-Krise, auch wenn sich die langfristigen Folgen der Pandemie erst in den kommenden Jahren in den kommunalen Haushalten niederschlagen dürften.

Über die Verwendung der Mehreinnahmen soll erst im Zuge der Etatberatungen entschieden werden, die bereits am kommenden Donnerstag beginnen, wenn die Verwaltung ihren Planentwurf für das Haushaltsjahr 2021 im Kreistag vorstellt. Eine Frage, die sich dabei auftut: Wie weit dürfen zinsgünstige Darlehen in Anspruch genommen werden, wenn man über eigene Mittel verfügt? Darüber wird derzeit mit dem Regierungspräsidium verhandelt. In 50 Jahren wird der Neubau abgeschrieben sein. Bis dahin sollen sich Abschreibung und Finanzierungsbedarf in etwa die Waage halten. Die Verwaltung rechnet mit einer jährlichen Belastung von 3,1 Millionen Euro. Das sei leistbar und solide finanziert, meinen auch die Vertreter aller Fraktionen. „Ich will das nicht verharmlosen, aber ich bin der Meinung, dass wir jetzt springen sollten“, sagte Eininger am Donnerstag im Finanzausschuss.

Wenn nicht jetzt, wann also dann? Am grundsätzlichen Willen mangelt es keiner Seite. Den Vorteil des Neubaus gegenüber einer Erweiterung und Sanierung haben Studien längst belegt. Er sei wirtschaftlicher, ökologisch sinnvoller und biete mit Blick auf veränderte Arbeitswelten die größere Flexibilität, heißt es dort.