Jubiläumsauftakt
Gemeinde Lenningen: „Familiengründung“ vor 50 Jahren

Der 1. Januar 1975 war die Geburtsstunde der Gemeinde Lenningen. Aus mehreren selbständigen Gemeinden wurde eine Kommune mit sieben Ortsteilen, die rund 400 Höhenmeter überwindet. 

Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht begrüßte die Gäste zur Auftaktveranstaltung 50 Jahre Lenningen und bedauerte, dass das Goldloch seinem Namen keine Ehre macht. Foto: Carsten Riedl

Annähernd doppelt so alt wie Lenningen ist die Turn- und Festhalle Oberlenningen“, begrüßte Bürgermeister Michael Schlecht die Gäste zur Auftaktveranstaltung 50 Jahre Lenningen. „Das ist ein halbes Jahrhundert voller Geschichte und Geschichten“, fasste er zusammen. Er sehe die Energie der sieben Ortsteile samt Weiler und Einzelgehöfte, die zur Markung gehören. „Das sind sieben unterschiedliche Perspektiven, Wünsche und Bedürfnisse, die zu einem Gesamtpuzzle zusammengefügt werden wollen – das ist mitunter ein schwieriges Puzzle“, sagte er. Doch Vielfalt könne eine große Stärke sein. Er sieht Lenningen als große Familie, in der sich jeder einbringt, sich zuweilen aber zu kurz gekommen fühlt. „Wir dürfen stolz zurückblicken – und schauen nach vorne mit Mut. Zusammen sind wir stärker als es ein einzelner Ortsteil sein kann“, so Michael Schlecht.

„Mit dieser besonderen Topografie, die 400 Höhenmeter überwindet, gibt es nur noch eine Gemeinde im Landkreis“, erklärte Landrat Marcel Musolf und spielte damit augenzwinkernd auf Bissingen an, wo er bis vor einigen Monaten selbst Bürgermeister war. Mit rund 8200 Einwohnern sei Lenningen ein mittelgroße Stadt und mit einer Fläche von über 4000 Hektar nicht klein. „Manchmal bringt der Höhenunterschied eine gewisse Distanz mit sich. Auf der Alb weht ab und zu ein schneidiger Wind, man hat eine andere Sicht aufs Tal“, sagte er.

 

Gerhard Schneider war der erste Baumeister. Als junger Schultes hat er Lenningen Schritt für Schritt zusammengeführt.

Landrat Marcel Musolf

 

Ballungsraum und Biosphärengebiet treffen hier aufeinander, Lenningen wirke wie ein Scharnier. „Das kommt hier eng zusammen, es ist ein Spannungsfeld von selbstbewussten Ortsteilen. Aber Lenningen hat von der Beständigkeit profitiert mit zwei Bürgermeistern in 50 Jahren“, so Marcel Musolf. Gerhard Schneider habe manch dickes Brett gebohrt. „Er war der erste Baumeister. Als junger Schultes hat er Lenningen Schritt für Schritt zusammengeführt“, sagte der Landrat. 

 

Baumeister und erster Bürgermeister Lenningens: Gerhard Schneider mit seiner Frau Hannelore. Foto: Carsten Riedl

 

Dem Mann der ersten Stunde, Ehrenbürger und Altbürgermeister Gerhard Schneider flogen die Herzen zu, nicht zuletzt wegen seines herzerfrischenden Vortrags, gespickt mit der einen oder anderen Anekdote. Von 1975 bis 1999 lenkte er die Geschicke der großen Kommune. „Das erste Mal stand ich hier oben am Rednerpult am Freitagabend vor dem ersten Advent 1965 – bei meiner Bewerbervorstellung als Bürgermeister für Oberlenningen. Das ist beinahe 60 Jahre her“, sagte er. Notgedrungen musste er sich den Aufgaben der Gemeindereform stellen. 1970 habe er einen Anruf vom damaligen Nürtinger Landrat Schaude erhalten. Wenn Schlattstall mit seinen weniger als 200 Einwohnern freiwillig nach Oberlenningen geht, bekommt der Ort eine Fusionsprämie von einer Million Mark. „Schlattstall hat das gar nicht so negativ gesehen. Eine breite Mehrheit sprach sich im Lamm dafür aus und war ab 1. Januar 1971 ein Ortsteil von Oberlenningen und mit einem Sitz im Gemeinderat vertreten“, erzählte Gerhard Schneider. Selbstredend: das Geld wurde in Schlattstall investiert, beispielsweise in die Buswendeplatte, ein neues Baugebiet, in den Spiel- und Bolzplatz oder die Wasserleitung.

Eine der Anekdoten: Unterlenningen wollte die Pacht für die Schafweide erhöhen. Damit war der Schäfer nicht einverstanden, man einigte sich darauf, dass er einen Hammel spendet – der wurde daraufhin vom Gemeinderat alljährlich im Jahnhaus verspeist. „Es entstanden daraufhin Hammelgedichte“, erzählte Gerhard Schneider. Und die Aussage, dass Unterlenningen nur einen Hammel für den Zusammenschluss eingebracht habe. „Aber das Hammelessen, das eigentlich ein Lammbraten war, hat den Zusammenhalt recht positiv beeinflusst“, resümierte der Altschultes. „Die Herausforderungen heute sind eher größer und ganz andere geworden. Das Scheufelen-Areal mit Leben zu füllen ist nur eine davon“, sagte Gerhard Schneider. 

Die Musikschule Lenningen unterhielt die Gäste in der Turn- und Festhalle mit Musikstücken.

 

 

Kreisarchivar Manfred Waßner. Foto: Carsten Riedl

 

 

Das Innenministerium als „Ehe-Anbahnungsinstitut“

„Jetzt kommt der Historiker“, kündigte sich Kreisarchivar Manfred Waßner mit einem Augenzwinkern an. Trocken war sein Festvortrag keineswegs, auch wenn die Überschrift „Gemeindereform“ zunächst nicht prickelnd daherkommt. Das geheimnisvolle Goldloch in Schlattstall lieferte ihm die Steilvorlage. „Eines steht fest: Auch wenn schon ein paar Flitter Gold mit viel Mühe zutage kamen, genügend ist es nicht, um die ganze Gemeinde Lenningen sorgenfrei zu machen.“ Der unverhoffte Geldsegen, der 1971 über Schlattstall geradezu hereingebrochen ist, kam nachweislich aus der Landeskasse. „Die Aufgabe der Selbständigkeit wurde mit einer Fusionsprämie vergoldet.“

Das Wachstum der 20 Jahre alten Bundesrepublik hatte in den 1960-er Jahren große Fahrt aufgenommen, überall sei die Kleinräumigkeit der Verwaltung und die fehlende Professionalisierung in den Rathäusern an ihre Grenzen gestoßen. So nahm die Landesregierung die Reform in Angriff, wobei allen klar war: Viele Freunde kann man sich da nicht machen. Zuerst waren die Landkreise dran, dann die Gemeinden. „Dafür stellte man viel Geld für freiwillige Zusammenschlüsse in Aussicht, sodass das Innenministerium seinen Ruf als ,Eheanbahnungsinstitut für Kommunen’ nicht zu unrecht trug.“ Aus 63 Stadt- und Landkreisen sollten es 35 werden. „Das landesweite Hin und Her erinnerte manchmal mehr an einen orientalischen Basar als an ein geordnetes parlamentarisches Verfahren.“

Lenningen hat nach Ansicht von Manfred Waßner vieles richtig gemacht. „Die Gemeinde ist real und mental zusammengewachsen. Bleiben Sie auf diesem Weg, arbeiten Sie weiter an einer gemeinsamen Lenninger Identität.“ Jeder Ortsteil solle jedoch auch seine „Unter-Identität“ pflegen, beides schließe sich nicht aus. „Das sieht man an den weithin bekannten Brotbackaktionen in den Ortsteilen, wo ich persönlich mich noch immer nicht festlegen kann, wo das beste Backhaus-Brot gebacken wird. Eines aber steht fest: Lenningen ist die Gemeinde mit der höchsten Backhaus-Dichte im Landkreis.“

 

Das Jubiläumsprogramm 50 Jahre Lenningen

April
Sonntag, 6. April:
Matinee zum Gemeindejubiläum „Mit Altbürgermeister Gerhard Schneider im Gespräch“
Sonntag, 6. April: Jubiläums-Blütenrundgang mit Übergabe der Osterkrone
Dienstag, 29. April: Pflanzung des Jubiläums-Wäldles

Mai
Freitag, 2. Mai:
Führung „Mit Pfarrer Gußmann in die Gutenberger Höhlen“
Sonntag, 4. Mai: Bruckener Fleckenfest
Sonntag, 4. Mai: Jubiläumswanderung Lenninger Talblick-Runde
Freitag, 16. Mai, bis Samstag, 21. Juni: Schulkunst-Ausstellung
Sonntag, 18. Mai: Gewerbeschau „Lenningen Open“

Juni
Samstag, 21. Juni:
Jubiläums-Sonnwendfeier
Samstag, 28. Juni: Drei-Gemarkungs-Jubiläumswanderung
Samstag und Sonntag, 28. und 29. Juni: Gutenberger Bachstelzenhock

Juli
Samstag, 5. Juli:
Jubiläums-Boule-Turnier
Donnerstag bis Samstag, 10. bis 12. Juli: Open-Air-Kino
Samstag 19. Juli: Schopflocher Fleckenfest
Samstag und Sonntag, 26. und 27. Juli: Schlattstaller Fleckenfest

August
Samstag, 2. August:
Open-Air Musik Event
Samstag und Sonntag, 30. und 31. August: Hochwanger Schneckenbrunnenhock

September
Samstag, 6. September:
Jubiläums-Waldführung mit E-Bike/Bio-Bike
Sonntag, 28. September: Unterlenninger Herbstfest
Sonntag, 28. September: Jubiläumswanderung Lenninger Talblick-Runde

Oktober
Sonntag, 5. Oktober:
Oberlenninger Alb-Abtrieb
Freitag bis Sonntag, 17. bis 19. Oktober: Partnerschaftstreffen Lenningen und Pouilly-en-Auxois
Donnerstag, 19. Oktober: Seniorennachmittag
Freitag, 31. Oktober: Führung „Mit Pfarrer Gußmann in die Gutenberger Höhlen“

November
Samstag und Sonntag, 8. und 9. November:
Winterkino

Dezember
Freitag, 19. Dezember:
Ehrenamts­abend