Beim Wort „Schlachthaus“ zuckt der eine oder die andere schon mal zusammen: Verständlich – schließlich passieren dort Dinge, von denen man lieber nichts wüsste. Und wenn es schon passieren muss
– dann muss man wenigstens nicht darüber sprechen. Völlig anders sieht das der Metzger Paul Russ aus Bissingen: „Mir ist Tierschutz sehr wichtig, und da gehört auch die Schlachtung dazu – ich möchte nicht, dass der letzte Tag für die Tiere zum Albtraum wird, da hilft es nicht, das Thema zu ignorieren.“ Mit dem Erhalt des Schlachthauses in Westerheim müsse man sich auseinandersetzen.
Nachhaltig soll es sein
Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb macht sich für das Projekt stark: Das sei dem Gedanken der Nachhaltigkeit geschuldet. „Die Tiere sollen in der Region aufgezogen, gehalten und dort direkt geschlachtet und vermarktet werden“, erklärt der Metzger. Die Nachfrage sei da: „Es gibt zahlreiche Hofläden, aber auch Landwirte mit Direktvertrieb, die auf Nachfrage schlachten.“ Im Moment hätten alle Betroffenen Lösungen gefunden, um ihre Tiere schlachten zu lassen. Russ mahnt an: „Das kann sich ändern, aber dann gibt es das Schlachthaus in Westerheim vielleicht nicht mehr.“ Es gebe immer weniger Metzger – die Auflagen steigen, und damit auch die Kosten. Fehlt dann auch noch das Personal, müsse der Metzger zuerst die zusätzlichen Schlachtungen für die Landwirte absagen. Ein Problem, das Paul Russ schon jetzt anpacken möchte. „Mir ist wichtig, dass wir eine Lösung finden. Es wurden schon drei verschiedene Optionen für den Erhalt des Schlachthauses ausgearbeitet, jetzt kommt es darauf an, genügend Beteiligte zu finden und sich auf eine geeignete Nutzung zu einigen.“
Landwirte setzen sich ein
Für einige Landwirte ist es durchaus lukrativ, ab und zu ein Rind zu schlachten, und eben diese Landwirte wollen das Schlachthaus erhalten. „Die Bauern haben in der Regel keine Kühlhäuser, daher gibt es meist Zehn-Kilogramm-Pakete zu kaufen.“ Nichts soll übrig bleiben: Jeder bekomme Edelteile wie Rindersteak, Rinderhüfte oder Roastbeef, das eher unbeliebte Siedefleisch, das ganz klassisch für eine Fleischbrühe genutzt wird, gibt es aber genauso. Ohne das Schlachthaus würde sich die Schlachtung für die Bauern nicht mehr rechnen.
Bisherige Nutzung
„Das Schlachthaus der Gemeinde Westerheim ist ein kleines Schlachthaus, das seit rund 30 Jahren betrieben worden ist“, sagt Paul Russ. Das müsse man sich so vorstellen: Als Privatperson konnte man sich beim Landwirt zum Beispiel ein Schwein kaufen und den Schlachtraum bei der Gemeinde buchen. Natürlich braucht es dann noch einen Metzger. „Auf dem Land ist es so, dass man da meistens einen kennt. Für die Tiere ist das eine gute Sache, da der Bauer meist bis zum Ende bei dem Tier ist und auch kein Zeitdruck herrscht. Die Nutzung des Schlachthauses ist jedoch in den letzten Jahren zurückgegangen, sodass die Gemeinde die Verpachtung aus Kostengründen einstellen musste.“
Eine Schlachtung in naher Umgebung sei für das Tier wünschenswert. Wenn sich vor Ort kein Metzger finden ließe, kämen zwangsläufig nur die Schlachthöfe Ulm oder Göppingen infrage. „Das bedeutet für die Tiere natürlich viel Stress“, sagt Paul Russ. Meistens laufe das so ab, dass der Viehhändler die Tiere abholt oder der Landwirt sie selbst abliefert. Eine Just-in-Time-Schlachtung erfolge meist nicht: „Sie müssen in der Regel mit fremden Tieren auf die Schlachtung warten.“ Bei einer Massenabfertigung herrsche mitunter Zeitdruck, sodass auf die Tiere meist nicht viel Rücksicht genommen werden könne. „Das möchte ich den Tieren ersparen, und weil es bei uns in der Region meiner Meinung nicht genügend Schlachtmöglichkeiten gibt, möchte ich mich dafür einsetzen und den Tieren ein anständiges Ende ermöglichen“, erklärt Paul Russ. Hierfür sei die dauerhafte Erhaltung des Schlachthauses in Westerheim ein wichtiger Bestandteil.
Beteiligungen wie im Infokasten links beschrieben, sind bis zum Mittwoch, 8. November, möglich unter
www.biosphaerengebiet-alb.de/projekte/detail/schlachtgemeinschaft
Für das Schlachthaus gibt es verschiedene Optionen
Erste Variante Es wird ein Metzger eingestellt, pro Tag muss eine Gebühr gezahlt werden plus der Lohn des Metzgers. Außerdem wird je nach Mitgliederzahl ein gewisser Beitrag fällig. Das Schlachthaus muss in diesem Szenario zwischen ein- und dreimal pro Woche genutzt werden, um die Kosten zu stemmen.
Zweite Variante Das Schlachthaus kauft selbst Vieh an und betreibt eine Direktvermarktung der gewonnenen Endprodukte an Metzger und Privatpersonen. Hierbei müsste dennoch allen Interessenten die Möglichkeit einer Nutzung des Schlachthauses eingeräumt werden, damit deren Direktvermaktung möglich ist.
Dritte Variante Schließlich wäre auch eine Mischung der beiden zuvor genannten Varianten möglich.
Beteiligung Nun gelte es, engagierte Landwirte sowie Metzgereien, aber auch Bürgerinnen und Bürger zu finden, die bis zum Mittwoch, 8. November, ihr Interesse bekunden können.