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Gendern ohne Sternchen: Aus Mitarbeitern werden Beschäftigte

Identität Wie man in der gesprochenen und geschriebenen Sprache Diskriminierungen vermeidet, wird derzeit heftig diskutiert. Wie halten es Behörden und Unternehmen in der Teck-Region mit dem Gendern? Von Thomas Zapp

Was bedeutet eigentlich gendergerecht kommunizieren? Diese Frage stellen sich zunehmend Unternehmen und Gemeinden. Schließlich will sich niemand nachsagen lassen, Menschen zu diskriminieren. Es geht also darum, jeden Menschen unabhängig von seinem Geschlecht in Ansprachen oder Anschreiben mit einzubeziehen. „Das stellt für jede Behörde eine Herausforderung dar“, sagt Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf. Er und sein Rathaus-Team bemühen sich nach Kräften, dennoch: „Allerdings müssen wir auch so ehrlich sein, dass uns dies sicherlich nicht immer an jeder Stelle gelingt und noch längst kein Automatismus vorliegt.“

Es gibt in Bissingen zwar keine spezielle Dienstanweisung, dennoch versuche man seit einiger Zeit, neutrale Formulierungen zu verwenden, etwa in Gemeinderatssitzungen. „So begrüße ich seit über einem Jahr mittlerweile stets die Anwesenden ohne geschlechterspezifische Ansprache“, sagt der Schultes. „Sehr geehrte Damen und Herren“ komme nicht mehr vor, auch in Grußreden nicht mehr – falls doch, war es die „Macht der Gewohnheit“. Schriftlich wird von „Mitglieder des Gemeinderats“ als auch „Zuhörerschaft“ gesprochen – beide Personenkreise gerade genderkonform „neutral“ adressiert. Die Versionen mit : oder * kommen im offiziellen Schriftverkehr der Voralbgemeinde nicht vor.

 

„Das stellt für jede Behörde eine Herausforderung dar.
Marcel Musolf
Bürgermeister von Bissingen

In Holzmaden gibt es ebenfalls keine Vorschriften. „Wir achten darauf, dass wir sowohl hausintern als auch nach außen alle Geschlechter ansprechen“, betont Gemeindechef Florian Schepp. Die oft berechtigte Forderung nach „Vereinfachung der Verwaltungssprache“ wolle man aber nicht ad absurdum führen, indem sie Texte so „durchgendern“, dass diese unverständlich werden. „Alles mit Maß und Ziel, ohne hierbei jemanden zu verletzen oder zu vergessen. Das ist unser Anspruch“, betont Schepp.

Gesamte Bandbreite abdecken

Bei der Stadt Kirchheim arbeite man derzeit an einer einheitlichen Regelung. Bis es so weit ist, behilft man sich dort mit der konsequenten Benutzung sowohl der männlichen und weiblichen Form: Bürgerinnen und Bürger, Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Radfahrerinnen und Radfahrer. Ansonsten wird möglichst geschlechtsneutral formuliert, wie etwa „die Teilnehmenden“. Gendersternchen, Doppelpunkt, Unterstrich, Binnen-i finden im städtischen Schriftverkehr nicht statt.

Mit männlichen und weiblichen Formen allein ist es aber nicht getan, will man der gesamten Bandbreite der Identitäten Rechnung tragen. Die Gleichbehandlung von LGBTQ+, wie sie im Leitfaden des Sensorherstellers Leuze in Owen steht, umfasst auch Menschen, die sich als nicht-binär oder Transgender bezeichnen. Die Kurzform mit der angehängten weiblichen Endung an den Wortstamm soll bei Leuze aber die Ausnahme bleiben. In Briefen oder E-Mails soll grundsätzlich individualisiert und neutralisiert werden, also direkte Ansprache oder geschlechtsneutrale Formen. Dazu zählen etwa Pluralformen wie „Interessierte“ oder „Fachkräfte“. Studenten können durch Studierende ersetzt werden, Teilnehmer durch Teilnehmende, Mitarbeiter zu Beschäftigte. Neutralisieren liest sich dann so: Der Techniker wird zum technischen Support, der Seminarleiter zur Seminarleitung.

„Jeder Mensch soll sich angesprochen fühlen“, meint Bettina Schmauder, kaufmännische Leiterin des Kirchheimer Autozentrums Schmauder und Rau. Generell bevorzugt sie einen pragmatischen Ansatz: Zwar sprechen sie innerhalb der Firma auch von Mitarbeitenden oder verwende sowohl die männliche als auch die weibliche Form, das Gendersternchen habe man nach einer Probephase aber wieder verbannt – sowohl in der Korrespondenz als auch in der gesprochenen Sprache mit dem abgesetzten „in“. Lieber verwende man neutrale Formen, meint die Unternehmerin, die Gleichberechtigung nicht auf die Sprache reduzieren will. „Es geht mir vor allem darum, Frauen, die ins Handwerk wollen, den Weg zu ermöglichen. Wir sind zum Beispiel sehr stolz auf unsere Mechatronikerin.“ Sie selbst habe in ihrem Universitätsabschluss „Diplom-Ökonom“ stehen und kein Problem damit, im Gegenteil: „Ich wurde damals gefragt, welche Form ich haben will, und ich habe mich für die männliche entschieden, weil das damals die offizielle Berufsbezeichnung war.“