Seit dem vergangenen Jahr sind die markanten Lastwagen mit den orangefarbenen Planen und der blauen Schrift in fünfter Generation unterwegs. Gemeinsam sitzen Generation vier und fünf im Büro des 1928 gegründeten Traditionsunternehmens in Weilheim, aber nur für den Pressetermin. Seniorchef Karl Heinz Raff hat in den vergangenen beiden Jahren ganz bewusst das Zepter weitergegeben und sich aus dem Management zurückgezogen. „Ich habe seit meinem 60. Geburtstag keinen Schreibtisch mehr in der Firma“, sagt der 61-Jährige. Grund dafür war eine Einsicht, die er hatte: „Ich hab gemerkt, dass es nicht mehr meine Welt ist. Und ich hab gesehen, dass Sie es besser machen.“
„Sie“ – das sind die 31-jährige Tochter Rebecca, die bei einem Autozulieferer für den Einkauf zuständig war und seit 2022 im Familienbetrieb ist, sowie Bruder Matthias.
Ich habe seit meinem 60. Geburtstag keinen Schreibtisch mehr in der Firma.
Karl Heinz Raff hat den Staffelstab frühzeitig weitergegeben.
Der 29-Jährige hat nach seiner Ausbildung bei einer Spedition in Krautheim gearbeitet und dort erfolgreiche Digitalisierung kennengelernt. Seit 2020 ist er wieder im Familienbetrieb und hat gemeinsam mit Schwester Rebecca im Oktober 2022 die Firmenleitung übernommen.
Karl Heinz Raff erhielt 1992 ebenfalls die Firmenleitung von seinem Vater Karl Hans, damals war er Anfang 30. Nur ein Jahr später riss ein Unfall seinen Vater aus dem Leben, das war in mehreren Beziehungen ein schwerer Schlag. „Danach hat mir das Backup gefehlt“, sagt er. Zum Glück habe ihm seine Frau Friederike Raff bis heute den Rücken frei gehalten, sich um das Backoffice gekümmert und in den vergangenen 31 Jahren fünf Kinder großgezogen. Auch deshalb genießen seine Kinder Rebecca und Matthias nun den Luxus, für große Entscheidungen auf den Rat ihres Vaters zählen zu können. Seine Erfahrung ist insbesondere bei größeren Neuanschaffungen von hohem Wert. „Er hat uns geraten, von Gliederzug auf Sattelzug umzustellen. Früher war das Verhältnis 50:50, jetzt 70:30“, sagt Rebecca Raff. Die Anschaffung sei rund 30.000 Euro niedriger. Auch findet man leichter Fahrer für Sattelzüge.
Mit 35 Fahrzeugen gehört Raff zu den kleinen Speditionen in Deutschland, sie setzen auf Flexibilität und 300 eher kleinere Kunden. „Unser größter Kunde macht neun Prozent des Umsatzes aus“, sagt Rebecca Raff. Die schätzen vor allem den individuellen Service: „Wir fahren voll nach Bedarf und wissen am Montag von keinem Lkw, was er am Mittwoch macht“, sagt sie. Die Teilladungen seien die Stärke des Weilheimer Unternehmens, 20 Prozent seien große Ladungen, 60 Prozent kleine, erklärt Matthias Raff. Die organisiere man heute so: Tag A Anmeldung, Tag B Abholung, Tag C bis D Zustellung. Vorteil: Dadurch können sie viel effizienter planen. Die Zeiten, in denen mehrere Fahrer für Ladungen tagesaktuell mehrmals losfahren mussten, sind vorbei. Das spart der Spedition Aufwand und dem Kunden Geld. „Das Warten ist für den Kunden okay, wenn er bessere Preise bekommt“, sagt Matthias Raff.
Digitalisierung vorantreiben
Die Jungchefs treiben auch die Digitalisierung im Familienbetrieb voran, sie schaffe Transparenz und Effizienz, sagt Matthias Raff. Der „Faktor Mensch“ spielt aber nach wie vor eine zentrale Rolle „Es ist wichtig, dass immer jemand ans Telefon geht. Wir haben Kundenbetreuer, die zu jedem Status etwas sagen können.“ Das Kundenbetreuersystem hat Matthias Raff eingeführt.
Ex-Chef Karl Heinz Raff kann das Leben ohne Firma auch gut genießen. Früher habe er gewusst, welcher Lkw gerade wo unterwegs ist, auch nachts. Dass er das jetzt nicht mehr weiß, stört ihn nicht, im Gegenteil: „Es lebt sich leichter, dadurch hab ich an Lebensqualität gewonnen.“ Dazu gehören auch neue Erlebnisse, etwa dass er zwei ehemalige Azubis aus Pakistan in deren Heimat besucht. Und die Kinder wissen es zu schätzen. „Sich zurückzuziehen, ist wichtig“, rät Rebecca Raff zur räumlichen Distanz, die ja nicht bedeutet, dass es keinen beruflichen Kontakt mehr gibt – im Gegenteil.
Denn es gibt auch diese Momente wie im Jahr 2023: Eine Spedition steht zum Verkauf und der Weilheimer Familienbetrieb greift zu. Raff übernimmt den Deizisauer Betrieb mit 18 Lkw, der auf frische Nahrungsmittel spezialisiert ist, die fast alle nachts unterwegs sind. Der Aufwand war enorm: „Frische hat null Toleranz“, sagt Matthias Raff. Seine Schwester Rebecca ergänzt: „Ich wurde anfangs jede Nacht angerufen.“ Also hieß es anfangs, morgens von 4 bis 8 Uhr Dienst zu schieben. „Da springen wir alle ein, auch mal der Papa“, sagt Matthias Raff schmunzelnd.
Eine kurze Firmengeschichte
Von Pferdefuhrwerken sattelte Karl Gottlob Raff 1928 auf den ersten Lastwagen um, Karl Christoph Andreas Raff erhielt 1951 die erste Konzession für den Fernverkehr. Karl Hans Raff übernahm 1965 in dritter Generation die Firmenleitung, 1992 trat Karl Heinz Raff als zweiter Geschäftsführer in den Familienbetrieb ein. Der Unfalltod seines Vaters 1993 und die Liberalisierung im Güterverkehr zwangen ihn, die Geschäfte neu auszurichten. 2022 übernahmen Rebecca Raff und Matthias Raff in fünfter Generation. zap