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Gesang und Arbeit halten seit 65 Jahren zusammen

Jubiläum Die Eheleute Ingrid und Samuel Kastner aus Schlierbach feiern am Mittwoch, 24. August, ihren 65. Hochzeitstag. Ein langer gemeinsamer Weg wird im Kreise der Familie mit dem Fest der Eisernen Hochzeit begangen. Von Lilli Ell

Da sitzen zwei Menschen, die viele Aufs und Abs des Lebens kennen gelernt haben. Ingrid Kastner, 85 Jahre alt, kam 1949 aus Sachsen-Anhalt nach Kirchheim zu Verwandten. Ihr Mann Samuel entstammt einer lutherisch-evangelischen Familie, die in Ödenburg, dem ungarischen Sopron, 70 Kilometer südlich von Wien, ansässig war. Schon in seiner Kindheit hat er erlebt, wie friedlich viele Völker zusammen leben können. Doch der Krieg veränderte alles. Er musste mit seiner Familie die Heimat verlassen und kam schon 1946 ebenfalls nach Kirchheim. Dort angekommen, wollte er mit den Kindern der Umgebung spielen. Sie jedoch wiesen ihn zurück, seiner Sprache wegen. Sie meinten: „Kerle, wie schwätzt denn du? So schreibt und liest man, wie du sprichst, aber so schwätzet mr et.“ Als Kriegskinder hatten sie die Heimat und alles andere auch verloren. Sie hatten als Flüchtlinge viel mitgemacht, worüber sie gar nicht sprechen wollen.

Die Jubilare begegneten sich zum ersten Mal in Kirchheim bei einem Feuerwehrfest. Ingrids Bruder und auch ihr Mann waren beide bei der Feuerwehr, und so trafen sie sich bei diesem Fest. Allerdings dachte Ingrid noch nicht ans Heiraten, jedoch er ahnte schnell, dass sie die Richtige für ihn war.

Das Lebensmotto der beiden Jubilare kann man mit „Arbeiten und Singen“ beschreiben. Beide waren sangesfreudig, und jeden Montag ging es zur Chorprobe beim Gesangsverein Eintracht Kirchheim. Samuel engagierte sich auch bei den Fischerchören unter Gotthilf Fischer. Er absolvierte Kurse und wurde zum Vizedirigenten ausgebildet. Mit den Fischerchören und seinem Kirchheimer Chor bereiste er zahlreiche Städte in Europa, sang im Salzburger Dom, reiste zu Chorfesten nach Hamburg und Dresden, auch nach Kalocsa, der ungarischen Partnerstadt, führte eine Reise. Beruflich reiste er mehrmals nach Russland und in die Ukraine.

Mit allem und allen im Reinen

Samuel Kastner erwies sich als überaus sangesfreudig, er sang auch lange Zeit in einem Doppelquartett und erhielt eine Reihe von Auszeichnungen, die liebevoll in einem kleinen Arbeitszimmer aufgehängt sind, zusammen mit Bildern der Chorsänger. Singen war immer der Lebensinhalt und das Freizeitvergnügen des Ehepaares, umso schmerzlicher ist es für ihn, dass er wegen seiner Schwerhörigkeit nicht mehr singen kann.

1957 hat das Jubelpaar geheiratet, zunächst standesamtlich, nun vor 65 Jahren. Im Oktober fand dann die „weiße Hochzeit“ statt. Sie feierten mit Familie, Freunden und Sängern im „Schwarzen Adler“ in Kirchheim. Ein Jahr später wurde die erste Tochter Christine geboren, 1969 kam Constanze zur Welt. Das Paar hat drei Enkelkinder – Tobias, Mariella und Katharina, sowie ein Urenkelkind, erzählen sie ganz stolz. Zuerst lebten sie bei den Schwiegereltern in der Wohnung. Sie waren sehr froh, als sie endlich eine Dreizimmer-Wohnung beziehen konnten. Als 1963 die Firma des Jubilars nach Schlierbach kam, beschlossen sie, ein Haus zu bauen. Dort leben sie bis heute. „Wir sind mit allen um uns herum im Reinen“, sagt die Jubilarin, „leben und leben lassen, das ist uns wichtig!“ Und dann erzählt sie doch aus der „schweren Zeit“, vom „Stoppeln“, das war die Zeit, als man die Ähren und Kartoffeln auf den Feldern aufsammeln durfte, dass man im Winter auch etwas hatte. Trotz aller Entbehrung, sagt sie, möchte sie diese Zeit nicht missen. Das hat das Paar und die Familie geprägt. Sie erzählt lebhaft und quirlig, und man kann sich gut vorstellen, dass sie sich kaum Ruhe gegönnt hat. Samuel Kastner ist der ruhigere von beiden, weiß aber zu allem eine humorvolle Geschichte.

Wenn sie auch Entbehrungen und Krankheit kennen, so sind sich doch beide einig, dass Gesang und Arbeit sie erhalten hat. Man nimmt Ingrid Kastner es ab, dass ihr das Alter noch nicht wichtig ist, aber sie sagt, dass ihr Leben so reich war, dass sie zufrieden gehen können, wenn es dann mal so weit sei. Noch brauchen sie wenig Hilfe, wenn auch die Töchter betonen, dass sie jederzeit für sie da seien.