Kurz nach elf Uhr vormittags beginnt die heiße Phase. Der erste Schwung an Mitarbeitern strebt in Richtung Kantine - schnellen Schrittes und mit einem Loch im Magen: Die Frühschicht ist schon seit gut sechs Stunden im Dienst. Jetzt rasch ein Brötchen auf die Hand und weiter in Richtung Feierabend? Nicht bei Elring-Klinger in Dettingen. Auch nicht am zum Wochenfinale am „Homeoffice-Freitag“. Gegen zwölf Uhr mittags ist das Betriebsrestaurant am Stammsitz des Autozulieferers so voll wie eine Szene-Bar am Samstagabend. Und die Stimmung steht der im Lokal wohl kaum nach: Keine unzufriedenen Gesichter, kein Gemecker über verkochte Spaghetti und faden Bolognese-Stampf. Stattdessen gibt’s Nettigkeiten für die Servicekräfte hinter der Theke: „Schmeckt super“, lobt ein junger Entwicklungsingenieur und lässt sich noch einen Löffel Kartoffelgratin neben die Rinderroulade schichten.
Was sich viele Arbeitnehmer nach wenig genussvollen Mittagspausen in Uni-Mensen und Betriebskantinen kaum vorstellen können, ist für die Elring-Belegschaft Wirklichkeit: Essen aus einer Großküche kann gut schmecken, gesund sein und noch dazu aus hochwertigen, biologisch und regional erzeugten Nahrungsmitteln bestehen. So jedenfalls definiert Stefan Thumsch, der Geschäftsführer der Dettinger Kochwerk-Catering GmbH, seinen Anspruch an Kantinenkost.

Und der Mann muss es wissen: Thumsch, ein gebürtiger Rheinländer, hat einst in einem großen Hotel eine Kochlehre gemacht, tourte dann durch etablierte Gastronomiebetriebe - und stieg schließlich im Stuttgarter Nobel-Restaurant „Wielandshöhe“ unter Sterne-Koch Vincent Klink zum Chef-Patissier auf.
Weil er gleichzeitig „ein Faible für Zahlen“ hatte, packte der mittlerweile 52-Jährige ein BWL-Studium obendrauf und wechselte in die nüchtern anmutende Versorgungsgastronomie. Wobei es das Wort „nüchtern“ bei Thumsch so gar nicht trifft: Appetitlich angerichtet liegen die Rinderrouladen in der Warmhalteschale, jede einzelne ist mit einem Mix aus Kräutern und fein gewürfelten Karotten dekoriert. Wer Fisch dem Fleischgericht vorzieht, goutiert feinen Lachs auf Gemüsebeet an Dillsauce, dazu gibt es Bandnudeln, und auf Wunsch Spargel-Tomatenragout. Auch Alb-Linsen und Spätzle gehören zum Portfolio, den großen Salatteller als vegetarische Alternative gibt es sowieso.
Drei Menüs servieren Thumsch und seine Leute täglich mindestens. Und dann gibt‘s an diesem Freitag noch das zusätzliche Schmankerl: Tübinger Weideente aus der Zucht des Jungbauern Matthis Pusch in Lustnau. Der Betrieb des Rottenburgers ist biozertifiziert, was nur wenige Entenzüchter in der Region von sich behaupten können. Züchter und Geflügel zählen zu den jüngsten Entdeckungen von Küchenchef Tumsch.
1000 Essen täglich
„Das Fleisch müssen Sie probieren. Es schmeckt besonders gut“, sagt er und reicht einen Teller mit „Versucherle“ in die Runde. Man merkt: Wenn es um das Thema Bio geht, blüht der Geschäftsführer auf. Er hat den Trend zu bewussten Essen früh erkannt. Auch jenseits der Sterneküche wollte er „lieber gestalten als reagieren“, sagt Stefan Thumsch.

Erst kurz vor Beginn der Corona-Pandemie übernahm er die Elring-Kantine, die heute als Tochter des börsennotierten Unternehmens firmiert. Und nach dem lockdownbedingten Kaltstart ging dann stetig aufwärts: 1000 Essen bereitet der kochende Geschäftsführer mit seinen 32 Mitarbeitern täglich zu, Tendenz steigend. Drei Restaurants gehören zur Kochwerk-Catering, neben der Kantine am Stammsitz betreibt die Firma auch die Kantinen am Dettinger Werk 2 und die am E-Mobilitäts-Standort in Neuffen. Auch externe Firmen werden inzwischen mit Essen beliefert.
Wachstum ist aber nur das eine. Mittlerweile macht die Kochwerk-Catering mit ihren Konzept landesweit Schlagzeilen: Als eines der wenigen Betriebsrestaurants ist das Unternehmen ebenfalls biozertifiziert. Es gilt sogar als Pilotprojekt für die „Bio-Musterregion“ im Biosphärengebiet Schwäbische Alb.
Diese Öko-Modellregionen sind vom Land geförderte Bündnisse für Bio- und Ökolandbau. Dahinter steht ein Verein, der in den Landkreisen Alb-Donau, Esslingen und Reutlingen seit 2021 aktiv ist. Im Fokus haben die Mitglieder vor allem den Ausbau der bio-regionalen Außer-Haus-Verpflegung. Will heißen: Ökologische Landwirtschaft und nachhaltige Wirtschaftsweise sollen gestärkt, regionale Anbieter ins Boot geholt werden.
Knapp 20 Prozent der Nahrungsmittel sind bio
Genau das praktizieren Stefan Thumsch und die 32 Mitarbeiter des Kochwerk-Teams. Der Anteil der biologisch erzeugten Nahrungsmittel in der Kantine steige stetig, sagt der Chef. Aktuell liegt er bei 17 bis 20 Prozent. Möglich macht das auch eine enge Kooperation mit dem Biolandhof Bleiche in Dettingen. Von dort kommt ein Großteil des Gemüses, das Kraut wird auf den Fildern eingekauft, die Forellen (gerne an Weißweinsoße) stammen aus der bekannten Zucht in Lichtenstein-Honau. Und die Pute weidet auf einer Streuobstwiese im Lenninger Tal.
Kurz, bei den Dettinger Caterern kommen vor allem nachhaltige und saisonale Produkte mit klimaschonenden und kurzen Transportwegen auf den Tisch. Diese Philosophie brachte der Kochwerk GmbH bereits vor zwei Jahren das vom Land Baden-Württemberg verliehene Gütesiegel „Schmeck den Süden – Genuss außer Haus“ ein.
Gesellschaftlichen Nutzen schaffen, Ernährungsbewusstsein, Nachhaltigkeit und Regionalität fördern – das sind die Säulen des Kochwerk-Konzepts. Langfristige Planung spielt da übrigens eine wichtige Rolle. „Um Hähnchenbrust anzubieten, muss ich schon drei Monate vorher mit dem Produzenten den Einkauf regeln, sonst gibt es diese Mengen nicht in Bio-Qualität“, verdeutlicht Stefan Thumsch.
Der kochende Geschäftsführer ist überzeugt: Gute Gerichte lassen sich vor allem aus guten Lebensmitteln zaubern. Die Mitarbeiter von Elring Klinger profitieren gerne von diesem Geschmackserlebnis. Viele schwärmen in den hochsten Tönen von „ihrer“ Kantine. Und was ist der Renner im Betriebsrestaurant? Ganz klar das schwäbische Nationalgericht, die Alb-Linsen aus Lauterach. Aber auch die Gesund-Küche holt auf: „Unsere Bowls kommen super an“, betont Stefan Thumsch. „Vegetarische und leichte Alternativen werden immer wichtiger.“
Die Musterregionen und ihre Ziele
Die 14 Bio-Musterregionen in Baden-Württemberg arbeiten daran, das Bewusstsein für ökologischen Landbau und für regionale Bio-Lebensmittel zu stärken, Kooperationen anzuregen und Impulse für mehr Bio in und aus Baden-Württemberg zu setzen.